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Europa

Geographie und Heimatkunde ergänzten sich in der Volksschule Bleibuir, allerdings war nicht immer klar, was zu wem gehörte. Lückerath etwa zur Gemeinde Bleibuir im Amt Hergarten, Kreis Schleiden, Regierungsbezirk Aachen, Land NRW, Bundesrepublik Deutschland, das stand fest.

Außerdem zur Pfarre St. Agnes, Bleibuir, Dekanat Mechernich, Regionalstelle Schleiden, Bistum Aachen. Aber wieso kam die Eifel nicht in diesen Aufzählungen vor, geschweige denn Europa. Und wo lag „Euskirchen 1“, über das die Post zu uns gelangte? Zählte Euskirchen überhaupt zur Eifel - und die Eifel zu Europa? „Euskirchen 1“ lag jedenfalls außerhalb des Kreises Schleiden und des Regierungsbezirks Aachen, gehörte aber offenbar ebenfalls zu NRW und Bundesrepublik. Auch Knappsack (heute Hürth) schien außerhalb der Ordnung zu existieren, denn Assions Willi, der dort „op de Schwäzz“ arbeitete, scherzte halb Hochdeutsch in der elterlichen Gastwirtschaft: „Ich verlasse Bleibuir, ich verlasse das Land, ich verlasse Europa, ich trecke no Knappsack…“ Knappsack war für mich Schwarzafrika, Düttling der wilde Westen… Es gab mithin Orte ganz in der Nähe, die sich außerhalb des europäischen Kontinents befinden mochten. Der Eifelpoet Fritz Koenn hat ein Gedicht verfasst, das sich mit dieser allgemeinen Unsicherheit in Bezug auf die Heimatfindung beschäftigt. In den drei Strophen befasst sich der Hellenthaler Gemeinderat mit der vom Hauptlehrer beantragten Anschaffung einer Europa-Landkarte für die Volksschule. Für und Wider werden erwogen, dann ruft der Bürgermeister zur Abstimmung: „Wer öss drführ, drwedde?“ Sollte die Volksschule eine Landkarte mit allen Ländern Europas erhalten? „Ich senn drjähnt“, rööf Päuels in der letzten Strophe: „Ich jlööve nämlich net,/ datt eent van ose Kleene jemohls ens dar jerööt“. Er war keineswegs überzeugt, dass eins der Schulkinder mal nach Europa kommen würde.


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