Seitenlogo
mn

Geschlechtermix

Grammatik ist ein launisches Ding. Das Geschlecht für ein Substantiv ist keineswegs zementiert – auch im Hochdeutschen nicht: das/der Stift, der/das Tor, der/die Kiefer, der/die Hut, der/die Flur und so weiter. Auf Eifeler Platt klingt die Sache noch komplizierter: der Bier (Eber), das Bier (Getränk), die Bier (Birne, auch Glühbirne und Kopf).

Man darf einem Rheinländer jedenfalls nie „falsch“ (böse) sein, wenn er für ein Wort das vorgeblich falsche Geschlecht verwendet. Der Kartoffel, die Bach, die Fenster und das Leib entspringen seiner Muttersprache. Im Restaurant könnte der Eifeler jeden nur des Hochdeutschen mächtigen Kellner in Verzweiflung stürzen: „Ich muss sagen, Sie haben einen schmackhaften Kartoffel und auch die gekochte Schink und das Speck munden gut. Und die (P)Firsich auf der Spargel ist eine Telikatesse!“ Auch der rudimentär mit dem Dialekt vertraute Küchenmeister würde sich fälschlicher Weise angesprochen fühlen, wenn vom „Koch“ die Rede ist. „Dä Kauch“ meint entweder die Köchin („Pastuesch Kauch“, Pfarrhaushälterin) oder „das Kochen“, also die Essenszubereitung. Das Kinn benennt der Nordeifeler weiblich („die Kenn“), das Euter männlich („der Ogger“), dafür aber den Leib sächlich („dat Liev“). Mit den Augen guckt der Bebrillte durch „der Brell“ und seine Ohren lauschen auf „der Radio“. Wer sich als „Immi“ (Zugezogener) daran gewöhnt hat, dass „der Weisch“ nicht nur „der Weg“, sondern auch „die Wäsche“ bedeuten kann und dass „die Baach“ durchs Dorf fließt, „die Hafer“ auf dem Feld wächst und sich „die First“ („Fiersch“) auf dem Dach befindet, hat noch lange nicht ausgelernt. Der Rheinländer sagt nämlich „meine Mutter“, was eindeutig weiblich ist, aber er sagt in Ermangelung des Genitivs „Mutters Bruder“ „meiner Mutter sein Bruder“. Also nicht etwa „menge Motte ihre Broode“, sondern „menge Motte senge Broode“.


Meistgelesen