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Göttliche Sprache

„Beiss Platt, wie jar kenn Sprooch“, das klingt wie die Eifeler Binsenweisheit: „Beiss en Pläät wie jar kenn Hohr.“ Doch bei der Mundart dieses Landstrichs geht es nicht um Mangel, Demut und Bescheidenheit. Ganz im Gegenteil.

Als Gott die Menschen schuf, waren sie zunächst sprachlos. Wozu auch sprechen, da im Paradies ohnehin stilles Einverständnis herrschte unter den Geschöpfen, wo Lamm und Löwe einträchtig beieinander lagen, und zwischen dem Schöpfer und seinem gottgleichen Abbild. Erst als sich Adam nach einer Gefährtin sehnte, und Gott sich dazu einer seiner Rippen bemächtigte, entstand im Paradies erheblicher Kommunikationsbedarf. Den die Schlange, dieses falsche Biest, gleich weidlich ausnutzte, um Zwietracht zwischen „Fraumensch“, „Mannsmensch“ und Schöpfer zu säen. Was bekanntlich zum Ende der Harmonie und zur Vertreibung aus dem Paradies führte. Die Menschheit vermehrte sich und besiedelte alle Kontinente. Gott sandte Engel aus, die in jedes Land eine eigene Sprache und in jeden Landstrich einen eigenen Dialekt brachten. So kamen auch die Bayern, Schwaben, Friesen, Moselfranken und die mit ihrem Dialekt eher glücklosen Sachsen zu ihren Mundarten. Als auch der letzte Dialekt vergeben war, merkten Gott, die Engel und die übriggebliebenen ripuarischen Eifeler verblüfft, dass keine Sprache dieser Welt mehr für die Menschen zwischen Ville und Venn übrig war. Es lässt sich leicht nachvollziehen, dass die Eifeler schwer betroffen waren und in Tränen ausbrachen. Da beugte sich Gottvater zu ihnen hinab, um sie zu trösten: „Ihr Mädche unn Jonge, nu hüert bloß op ze krieche. Ich well Üch en jrueße Freud maache. Et öss zwar kenn Sprooch mie für Üch överisch. Daröm erlauben ich Üch, watt söss kenne andere daasch, noch net ens de Engele: Spreicht doch jenau esu, wie ich spreiche…“


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