Seitenlogo
mn

Kruusch Hohr, kruusch Senn

„Beiss en Pläät wie jar kenn Hoohr“, sagt der Eifeler unzureichend behaarten Zeitgenossen zum Trost. Bei unserem Dorffriseur mussten wir uns – meine Brüder und ich, als wir noch Haare hatten – unter vier Standard-Frisuren entscheiden, darunter „Fassong“ für vier D-Mark oder dem eine Mark teureren Bürstenhaarschnitt „Mecki“.

Noch in der Pubertät war ich brav gescheitelt, später trug ich „en Bietelsmähn“, also Pilzkopf wie die Beatles, und zwar mit der gleichen Selbstverständlichkeit, wie Generationen vor mir „Stiftekopp“ und „Pisspottschnett“. Dabei wurde alles abgeschnitten, was unter dem aufgesetzten Topf hervorschaute. Die Friseurkosten waren extrem niedrig, die Frisuren fabrizierten die Eltern zu Hause selbst. Zu traditionellen Frauenfrisuren gehörten „Duts“ (Dutt) und „Knut“ (Haarknoten), Zöpfe wurden „Fläähte“ oder „Zöpp“ genannt. Wem die Stirnhaare zum Pony geschnitten wurden, der trug „e Köbesje“. Menschen mit dichter wollartiger Frisur hießen im Volksmund „Wöllesköpp“, solche mit krausem Haar „Kruuschköpp“. Letzteren sagte man „krause Gedanken“ nach: „Kruusch Hoohr, kruusch Senn“. Veronika geb. Milden, die verstorbene Ehefrau des Mechernicher Heimatforschers Anton Könen, bekam vom Vater die einzigen Prügel ihres Lebens, als sie der kraushaarigen Schwester nachgerufen hatte: „Kruusch Hoohr, kruusch Senn, do stech de Deuvel dren!“ Auch Zeitgenossen mit roten Haaren mussten sich foppen lassen. Wobei der Schmäh-Vers „Fuss, Fuss, komm eruss, de Kerch öss uss“ modernisiert wurde, denn in den siebziger Jahren deklamierte mein Schwiegervater Karl-Josef vor seiner vierten (rothaarigen) Tochter: „Fuss, Fuss, komm eruss, drusse steht ne Omnibus“. Wobei „modernisiert“ relativ ist, denn schon 1923 wurde die erste Kraftpoststrecke Köln-Euskirchen-Prüm eingerichtet.


Meistgelesen