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So spricht kein Mensch

Zur Zeit meiner Wehrpflicht, der ich in Hannover und Hildesheim nachkam, dachte ich, dass das, was meine Lippen beim Sprechen verlässt, „Hochdeutsch“ in höchster Vollendung sei. Man hätte mich – so mein Trugschluss – ohne Weiteres für einen Hannoveraner halten können, die ja angeblich das „sauberste“ Deutsch sprechen.

Auf meinen von „sch“-, Zisch-, Jeh- unn Kah-Lauten durchsetzten Slang angesprochen, sagte ein Kamerad aus Niedersachsen: „So wie Du spricht doch kein Mensch auf der Welt“. Ich habe ihm geantwortet: „Doch, komm mal mit in die Eifel, da zeisch isch Dir Zweihundertdausend, die so spräschen wie isch!“ Als ich ein Beispiel unserer ripuarischen Fabulierkunst gab, schüttelte ganz Hannover die Köpfe: „Her säht, seij säht“ (er sagt, sie habe gesagt). „Su, säht sei“, habe sie gesagt, „hät häer jesaaht“ (habe er gesagt), „sull datt senn“ (könnte es sein…), „datt sei dat säht“ (dass sie sagt), „datt häer dat soll jesaaht hann“ (dass er das gesagt haben soll). Oder am Stück: „Häer säht, seij säht, „su“, säht sei, hätt häer jesaaht, sull datt senn, datt seij dat säht, datt häer dat soll jesaaht hann?“ Ostern lud ich die Kameraden zum „Tippen“ oder „Eiertitschen“ ein – „Spetz op Kopp“ oder „Kopp op Aasch“. Beim Revierreinigen brachte ich ihnen bei, wo „de Abee“, „de Lokus“ oder „et Drieshüsje“ sind, dass man zur Bodenreinigung „Schrübbe“, „Putzlomp“ und „Beissem“ verwenden kann - statt Unmengen ausgegossenen Wassers und eines Abziehgeräts mit Gummilippen, dem die Soldaten im hohen Norden einen sehr unanständigen Namen gaben... Eine weitere Lehre erteilte ich den Kameraden in Sachen Liebesleben und Frauenkunde. So sage der Eifeler, wenn er einerseits die Rückenpartie einer Dame sehr attraktiv findet, die gute Figur aber nicht zur faltigen Gesichts- und Vorderpartie passen will: „Von henge Lyzeum, vun vürre Museum . . .“


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