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Hochmoselübergang: Freie Fahrt hat ihren Preis

Für viele ist sie ein architektonisches Meisterwerk, für andere ein schmuckloser Betonbau in der vom Weinbau geprägten Mosellandschaft – die Hochmoselbrücke bei Zeltingen-Rachtig. Ob Befürworter oder Gegner – für alle gilt ab Donnerstagmittag, 21. November: freie Fahrt! Nach achtjähriger Bauzeit wird der Gigant für den Verkehr freigegeben.
Insgesamt wird die B50 auf rund 41 km neu- bzw. ausgebaut. Die Hochmoselbrücke ist eingebettet in den rd. 25 km langen Neubauabschnitt zwischen der A1 bei Wittlich und dem Anschluss zur alten B 50 bei Longkamp. Der zweite rd. 16 km lange Ausbauabschnitt  zwischen Longkamp und dem Flughafen Hahn wird derzeit geplant.  Foto: LBM

Insgesamt wird die B50 auf rund 41 km neu- bzw. ausgebaut. Die Hochmoselbrücke ist eingebettet in den rd. 25 km langen Neubauabschnitt zwischen der A1 bei Wittlich und dem Anschluss zur alten B 50 bei Longkamp. Der zweite rd. 16 km lange Ausbauabschnitt zwischen Longkamp und dem Flughafen Hahn wird derzeit geplant. Foto: LBM

"Einschnitte in die Natur"

Georg Laska aus Ürzig, der sich jahrelang in der AG Pro-Mosel - einer Bürgerinitiative - gegen das Bauwerk stark gemacht hat, hat nach eigener Aussage "nichts zu feiern". Aber der Einsatz habe sich trotzdem gelohnt. "Es hat sich sehr früh abgezeichnet, dass wir die Brücke nicht verhindern können, aber immerhin konnten wir viele Probleme aufdecken, wie das Thema Standsicherheit. So hat eine nachträgliche Stabilisierung stattgefunden." Verheerend sei der Betonbau allerdings für die Natur: Der Zeltinger Berg gleiche jetzt einer "Mondlandschaft". Auch Bianca Waters, Bürgermeisterin in Zeltingen-Rachtig, findet, dass der Bau der B50neu und der Brückenbau "im Bereich Zeltingen-Rachtig enorme Einschnitte in die Natur" verursacht haben: "Unsere Wälder, Wiesen, Wanderwege und Schutzhütten mussten dem Straßenausbau weichen. Fast zehn Jahre lief der Baustellenverkehr über den Zeltinger Berg. Lärm- und Schmutzbelastungen gehörten dazu. Für eine touristische Gemeinde sind das enorme Belastungen."Die Ortsvorsteherin bemängelt zudem die Umsetzung der im Zuge des Hochmoselübergangs versprochenen Bauten "Neue Schutzhütte" und "Aussichtsplattform". "Die Schutzhütte sollte vor der Fertigstellung der Brücke stehen", mahnt sie. Ärgerlich sei ebenfalls, dass es "keinerlei Infos" zum Landschaftspark gegeben habe, "der im Vorfeld des Bauprojektes als eine Art Ausgleichsmaßnahme angepriesen wurde." Hans-Michael Bartnick, stellvertretender Dienststellenleiter des LandesBetriebs Mobilität Trier (LBM TR) erklärt auf WochenSpiegel-Anfrage: "Aktuell wurden zunächst die Bauzustände unter der Hochmoselbrücke beseitigt, d.h. die Flächen dort wurden wieder in ihre ursprüngliche Form gebracht. Später wird die Fläche durch die Anlage von Streuobstwiesen sowie Sträucher- und Gehölzgruppen aufgewertet." Ein Fußweg durchziehe diese Flächen und führe aus dem Moseltal bis an die hochgelegene Plateaufläche mit Aussichtssteg und Freizeitanlage. Die eigentlichen Arbeiten für die Verkehrsflächen stünden kurz vor der Vergabe. Die Ausschreibungsunterlagen für die Gebäude - WC-Haus und Schutzhütte - würden noch in diesem Jahr veröffentlicht werden, so Bartnick. Mit den Arbeiten der "Freiraumanlagen" solle 2020 begonnen werden. Die "landschaftsgestalterische Überplanung", wie Bartnick die Maßnahmen nennt, sei für das Umfeld der Brücke eine "deutliche Inwertsetzung". Georg Laska hat dazu eine klare Meinung: "Für mich sind diese Maßnahmen nach den dramatischen Eingriffen in die Natur nur eines: Augenwischerei!"

Verkehrsentlastung

Im Zuge des Brückenbaus könnten sich zu den negativen Begleiterscheinungen aber auch positive Auswirkungen gesellen - das wünscht sich zumindest Bianca Waters: "Mit der Fertigstellung des Hochmoselübergangs hoffen wir natürlich auch, dass der Schwerlastverkehr jetzt tatsächlich auch die Verbindung zwischen der Eifel und dem Hunsrück nutzt und damit der LKW Verkehr durch unsere Moseldörfer merklich nachlässt." Auch für den Tourismus könnte die Brücke einen Aufschwung bedeuten. Waters: "Über die Brücke werden wir sicherlich auch alle fahren, zumal es doch eine merkliche Zeitersparnis ist, von der Mosel in den Hunsrück zu kommen. Umgekehrt hoffen wir natürlich auch, dass die Menschen aus dem Hunsrück noch mehr zu uns an die Mosel kommen."Jutta Blatzheim-Roegler, MdL, hat sich auf WochenSpiegel-Anfrage ebenfalls geäußert: "Unbestritten ist, dass Brücken verbinden können und regional sehen viele Bürgerinnen und Bürger die Verbindung Eifel - Hunsrück als Verbesserung. Der Preis, den dafür Natur, Umwelt und direkte Anliegergemeinden wie Ürzig, Rachtig oder auch Longkamp und Kommen zahlen müssen, rechtfertigt meines Erachtens dieses Projekt jedoch nach wie vor nicht."Fotograf Michael Conrad aus Brauneberg hat die Entstehung der Brücke in Bildern festgehalten. "Ich bewundere die Leistung der Menschen, die die Brücke gebaut haben", lobt er die Ausführung, "Allerdings stehe ich den althergebrachten Verkehrskonzepten der Politik zwiespältig gegenüber."

"Das Beste daraus machen"

Viele Meinungen, die zeigen: die Brücke wird eröffnet, die Skepsis bleibt. Bianca Waters sieht es pragmatisch: "Da die Hochmoselbrücke in unmittelbarer Nähe von Zeltingen-Rachtig liegt und unser Ortsbild in Zukunft mit prägen wird, sollten wir alle jetzt das Beste daraus machen."

Termine: Bürgerfest und Verkehrsfreigabe

"Bürgerfest auf der Hochmoselbrücke": Samstag, 16. November, 10 bis 16 Uhr. Jeder ist eingeladen. Info/Anfahrt: www.hochmoseluebergang.rlp.den Offizielle Verkehrsfreigabe mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Verkehrsminister Dr. Volker Wissing und Vertretern des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur: Donnerstag, 21. November, 13 Uhr. Bürgerinnen und Bürger willkommen.

Zum Artikel: Die ungekürzten Statements zum Hochmoselübergang

Bianca Waters, Bürgermeisterin von Zeltingen-Rachtig: "Der Bau der B50neu und der Brückenbau haben im Bereich Zeltingen-Rachtig enorme Einschnitte in die Natur verursacht. Unsere Wälder, Wiesen, Wanderwege und Schutzhütten mussten dem Straßenausbau weichen. Fast zehn Jahre lief über den Zeltinger Berg der Baustellenverkehr. Lärm- und Schmutzbelastungen gehörten dazu. Für eine touristische Gemeinde sind das schon enorme Einschränkungen und Belastungen. Kritisieren muss ich auch die Verzögerungen der versprochenen Bauten "Neue Schutzhütte" und "Aussichtsplattform". Die Schutzhütte sollte vor der Fertigstellung der Brücke stehen. Ich hoffe, dass sie wenigstens jetzt in der Ausschreibung ist. Die Information dazu fehlt uns allerdings. Die Aussichtsplattform wir noch länger dauern. Keinerlei Informationen gab es mehr zum Landschaftspark, der im Vorfeld des Bauprojektes als eine Art Ausgleichsmaßnahme angepriesen wurde. Das ist sehr ärgerlich. Mit der Fertigstellung des Hochmoselübergangs hoffen wir natürlich auch, dass der Schwerlastverkehr jetzt tatsächlich auch die Verbindung zwischen der Eifel und dem Hunsrück nutzt und damit der LKW Verkehr durch unsere Moseldörfer merklich nachlässt. Über die Brücke werden wir sicherlich auch alle fahren, zumal es doch eine merkliche Zeitersparnis ist, von der Mosel in den Hunsrück zu kommen. Umgekehrt genauso - und so hoffen wir, dass die Menschen aus dem Hunsrück noch mehr zu uns an die Mosel kommen. Um auf Ihre Ausgangsfrage zurück zu kommen - ob dafür oder dagegen: In Bezug auf die Zerstörung der Landschaft sicherlich dagegen - in Bezug auf die Verkehrsflüsse sicherlich dafür. Und da die Hochmoselbrücke in unmittelbarer Nähe von Zeltingen-Rachtig liegt und unser Ortsbild in Zukunft mit prägen wird, sollten wir alle jetzt das Beste daraus machen. Mit den anderen Brückengemeinden Graach, Erden, Lösnich, Ürzig und der Stadt Bernkastel-Kues tun wir dies jetzt mit einem Bürgerfest am 16.11. auf der Brücke. Im Übrigen ein tolles Gemeinschaftsprojekt der Gemeinden, die sich an diesem Tag zusammen präsentieren werden." Hans-Michael Bartnick, Stellvertretender Dienststellenleiter LandesBetrieb Mobilität Trier (LBM TR):
"Für das gesamte östlich der Mosel gelegene Umfeld der Hochmoselbrücke ist ein Gestaltungswettbewerb durchgeführt worden. Im März 2017 erzielte das Büro Kraft.Raum. aus Krefeld den 1. Preis und erhielt auch in dem anschließenden Verhandlungsverfahren den Zuschlag das Projekt umzusetzen. Der Entwurf der Krefelder sieht neben dem prägenden Element eines Aussichtssteges, die gestalterische Einbindung der PWC-Anlage vor, sowie eine Freizeitanlage incl. Schutzhütte für die Gemeinde Zeltingen-Rachtig. Eingebunden werden alle diese Elemente durch eine landschaftsgestalterische Überplanung der Fläche unter der Hochmoselbrücke, als auch der am östlichen Widerlager angrenzenden Plateaufläche. Insgesamt erfährt somit das Umfeld der Hochmoselbrücke durch den Gestaltungswettbewerb eine deutliche Inwertsetzung. Die Arbeiten zur Herstellung dieser Gewerke werden baubedingt zeitlich versetzt ausgeführt. Aktuell wurden zunächst die Bauzustände unter Hochmoselbrücke beseitigt, d.h. die Fläche unter der Hochmoselbrücke wurden wieder in ihre ursprüngliche Form gebracht. Später wird die Fläche durch die Anlage von Streuobstwiesen sowie Sträucher- und Gehölzgruppen aufgewertet. Ein Fußweg durchzieht diese Flächen und führt aus dem Moseltal bis an die hochgelegene Plateaufläche mit Aussichtssteg und Freizeitanlage. Auf der Plateaufläche wurden bereits Vorschüttungen für den Bau der PWC-Anlage aufgebracht, die eigentlichen Arbeiten für die Verkehrsflächen stehen kurz vor der Vergabe. Für die Arbeiten an den Gebäuden, also WC-Haus und Schutzhütte, werden die Ausschreibungsunterlagen erstellt, die Veröffentlichung soll noch in diesem Jahr erfolgen. Auch die Vorbereitungen der Ausschreibung für die Freiraumanlagen stehen kurz vor Abschluss. Mit diesen Arbeiten wird also im kommenden Jahr baulich begonnen. Der eigentliche Aussichtssteg ist ein komplexes Fußgängerbauwerk aus Stahl. Dieses wird als letztes in die bauliche Umsetzung gehen und der gesamten Maßnahme die Krönung aufsetzen. Anbei noch ein Hinweis auf unsere Website: http://www.hochmoseluebergang.rlp.de/index.php?id=217 Zur ökologischen Fragestellung folgendes: Bis zur Verkehrsfreigabe am 21.11. werden folgende Kompensationsmaßnahmen umgesetzt bzw. eingeleitet sein: - Bau von 12 Grünbrücken - Begrünung der Grünbrücken, einschl. Anlage von Gehölzstrukturen als Leitelement zu den Grünbrücken - brachgefallenen Weinberge wurden im Zuge von Flurbereinigungsverfahren räumlich gebündelt, auf denen sich Wald entwickelt oder sie werden in bestimmten Sukzessionsstadien gehalten - Obstwiesen; mit alten regionalen Obstsorten; mit extensivem Grünland im Unterwuchs - Entwicklung bzw. Neuanlage von extensivem Grünland - Anpflanzung von Waldbeständen - Anpflanzung von Hecken u. Gebüschen - Anlage und Entwicklung von gelenkten Sukzessionsflächen. - Entwicklung von Waldbeständen zu altholzreichen Laubmischwäldern - Schaffung von verbreiterten Gewässerrandstreifen - entlang der Straße: Errichtung von speziellen artenschutzrechtliche Wildschutzzaunanlagen." Jutta Blatzheim-Roegler MdL: "Bündnis 90/Die Grünen und ich persönlich haben die Pläne des Bundes für den Bau der Hochmoselbrücke abgelehnt, im Wesentlichen deshalb, weil wir darin einen ungeheuren Eingriff in die Natur vor allem im Bereich Wittlicher Tal und Graacher Schanzen, was ein wunderbares Naherholungsgebiet war, sehen. Hier haben wir auch die damalige Klage des BUND e.V. bis vor das Bundesverwaltungsgericht unterstützt. Im Übrigen schien uns die Lage für eine Brücke über die Mosel ausgerechnet am nachgewiesenen Rutschhang auf der Eifelseite nicht sicher. Letztlich musste die Sicherheit der Pfeiler während des Baus auch nochmal mit erheblichen Kostenaufwand nachgebessert werden. Alternative Standorte entlang der Mosel wurden unseres Erachtens nicht ausreichend geprüft. Auch die Relation Kosten-Nutzen im Verhältnis zum prognostizierten Verkehrsaufkommen haben wir kritisiert. Unbestritten ist, dass Brücken verbinden können und regional sehen viele Bürgerinnen und Bürger die Verbindung Eifel - Hunsrück als Verbesserung. Der Preis, den dafür Natur, Umwelt und direkte Anliegergemeinden wie Ürzig, Rachtig oder auch Longkamp und Kommen zahlen müssen, rechtfertigt meines Erachtens dieses Projekt jedoch nach wie vor nicht."


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