Seitenlogo
ju

»Situation ist zermürbend«

Langsam wird der Lockdown aufgehoben und Betriebe können ihre Arbeit aufnehmen. Doch das Gastgewerbe muss sich weiter gedulden.
V.l.: Ole Leidner, Matthias Ganter und Markus Reis empfinden die Situation der Gastbranche als frustrierend. Trotz finanzieller Hilfen durch die Regierung fühlen sie sich hintenangestellt. Fotos: privat

V.l.: Ole Leidner, Matthias Ganter und Markus Reis empfinden die Situation der Gastbranche als frustrierend. Trotz finanzieller Hilfen durch die Regierung fühlen sie sich hintenangestellt. Fotos: privat

Die Stimmung in Deutschland ist angespannt.  Seit mehr als ein Jahr sind die Gastgeber in ihren Tätigkeiten eingeschränkt. War der erste Lockdown noch von Ideenreichtum und Solidarität geprägt, sind es nun oftmals Existenzängste. Zwar dürfen sich viele Branchen seit März über Lockerungen der Beschränkungen freuen, doch bei der Öffnung der Gastbranche ist man zurückhaltend.
Die Landesregierung Rheinland-Pfalz plant eine Öffnung für Restaurants frühestens ab dem 22. März – und das auch nur für den Außenbereich. Wann weitere Teile der Gastronomie zugänglich werden und ab wann Hotelgäste wieder übernachten dürfen? Darüber wird erst auf der Ministerpräsidentenkonferenz am 22. März gesprochen.
Für den rheinland-pfälzischen Deutschen Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA nicht hinnehmbar: der Verein komme nach einer Analyse von Zahlen und Daten zu dem Ergebnis, dass eine Öffnung für Restaurants und Hotels möglich sein sollte.  Die 7-Tage Inzidenz und die Reproduktionszahlen seien niedrig und die Quote der Impfungen hoch genug, dass die Voraussetzungen für die Schließungen nicht mehr gegeben seien. »Die logische Folge kann dann nur sein, diese massiven Einschränkungen sofort zu beenden!«, so DEHOGA Präsident Gereon Haumann.

Mitarbeiter haben Existenzängste

Auf eine baldige Öffnung hoffen auch die Gastgeber der Region: Markus Reis, Inhaber des Hotels/Restaurants »Zeltinger-Hof« in Zeltingen-Rachtig empfindet die Planlosigkeit als große Belastung – finanziell und psychisch. »Ich finde es schade, dass wir ganz hintenangestellt werden. Wenn wir nicht bald eine Perspektive bekommen, sehe ich schwarz!«
Trotz Kurzarbeit und Hilfen vom Staat will er seine Belegschaft wieder voll beschäftigen können, denn diese sind auf ihr volles Gehalt angewiesen oder wandern gleich komplett aus der Branche ab.
»Die ganze Situation ist zermürbend, frustrierend und ruft bei vielen KollegInnen extreme Existenzängste hervor. Auch für unsere 120 MitarbeiterInnen ist die Situation mittlerweile nicht
mehr zumutbar«, sagt Matthias Ganter, Romantik Jugendstilhotels Bellevue in Traben-Trarbach.
Ähnliche Gedanken beschäftigen Ole Leidner, Direktor im Hotel/Restaurant »Richtershof« in Mülheim: »Unsere Azubis sind in Kurzarbeit. Wie soll es mit ihrer Ausbildung weitergehen?« Eine klare Ansage der Regierung vermisse er nicht nur für die Öffnung des Gewerbes, sondern auch für alles, was nach Corona kommt und seine Branche indirekt betrifft.
Malu Dreyer sagte hingegen auf einer Pressekonferenz: »Ich glaube es ist schon mal ein großer Fortschritt, dass die Gastronomie weiß, dass sie die Außengastronomie starten kann.«
Aber für die Betroffenen scheint eben genau das an der Realität vorbeizugehen.

Keine Öffnung per Knopfdruck

Markus Reis sieht eine Benachteiligung für die Betriebe, die keine Möglichkeit dieser Bewirtung haben und jene, die sie haben, stehen vor ganz praktischen Problemen: »Wer macht bei den kalten Temperaturen die Terrasse auf? Sollen wir alles beheizen? Wir können die Menschen auch nicht reinholen, wenn es anfängt zu regnen.«
So sieht es auch Ole Leidner. Das Betreiben einer Außenanlage sei bei dem Wetter nur schwer planbar und er befürchte, dass am Ende die Ausgaben bei der geringen Auslastung die Einnahmen übersteigen könnten. Besonders ärgere ihn, dass die Regierung nicht bedenke, dass die Branche nicht auf Knopfdruck öffnen könne – je nachdem, wo gerade die Inzidenz liegt. Ohne Planungssicherheit und mit Kurzarbeit können auch die Zulieferer nicht richtig arbeiten. »Und was machen wir mit den Lebensmitteln, wenn es fünf Tage am Stück regnet?«, so Leidner.
Diese Unsicherheit beträfe, so Markus Reis, auch die Übernachtungsmöglichkeit: »Ich werde nicht jemanden ins Zimmer schicken, um es für die Gäste vorzubereiten, wenn wir dann wegen steigenden Fallzahlen doch nicht öffnen dürfen.« Und dass eben diese Zahlen zeitnah steigen, befürchtet Matthias Ganter: »Wenn nun massenweise Selbsttests gemacht werden, kann die Inzidenz nur stark ansteigen, was dann eine erneute Schließung zur Folge haben könnte.« Mit einer Öffnung der Hotellerie vor Ostern sei seiner Meinung nach nicht zu rechnen. (ju)


Meistgelesen