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»Corona hat meine Familie zerstört«

Sie waren glücklich, führten einen florierenden Döner-Imbiss, haben drei Kinder. Alles schien perfekt für die Familie A. aus Bruttig-Fankel. Doch dann kam Corona und zerstörte das Glück, das 14 Jahre lang so perfekt war. Der Ehemann und Vater verstarb an dem Virus, mit gerade 40 Jahren.

Von Mario Zender Serpil A. sitzt auf dem Sofa und schaut auf ein Foto ihres Mannes Kadir A. Die 32-Jährige kann es immer noch nicht fassen, was sich in den vergangenen Wochen abspielte und das Leben der kleinen Familie völlig auf den Kopf stellte. Ihr Mann ist Opfer des Coronavirus, das seit Monaten die Welt beherrscht und ab dem heutigen Mittwoch für einen bundesweiten Lockdown sorgt.  Ihr Mann Kadir A. (40) war ein bekannter und beliebter Imbissbetreiber. Früher in Cochem, seit dem letzten Jahr in Bruttig-Fankel. Anfang Oktober begann das Drama um den Familienvater mit türkischen Wurzeln. »Er fühlte sich nicht wohl, hatte starke Kopfschmerzen. Bei unserem Hausarzt wurde er auf Corona getestet«, erzählt die Ehefrau. Der Test war positiv. Fünf Tage war Kadir A. zu Hause, hatte kaum Beschwerden. »Täglich rief das Gesundheitsamt an und erkundigte sich, wie es meinem Mann geht«, erzählt Ehefrau Serpil. Plötzlich seien die Kopfschmerzen so stark geworden, dass sie den Notarzt rief, der den 40-Jährigen ins Krankenhaus nach Cochem einwies. »Kadir rief mich immer wieder an und sagte: ,Es wird alles gut‘«, berichtet die 32-Jährige.  Wenige Tage später konnte sie ihren Mann nicht mehr telefonisch erreichen. »Ich machte mir große Sorgen, rief im Krankenhaus an. Dort haben sie mir gesagt, dass sie ihn nach Koblenz verlegen mussten, weil sich sein Zustand verschlechtert hätte.« Die besorgte Ehefrau rief im Kemperhof an. Dort habe man ihr gesagt, dass kein Patient mit dem Namen aufgenommen worden sei. »Ich war völlig verzweifelt, habe alle anderen Krankenhäuser in Koblenz angerufen, ohne Erfolg.«    Schließlich wandte sie sich an eine Freundin, die ihr bei der Recherche behilflich war. Diese  bohrte nochmals hartnäckig im Kemperhof nach und schließlich sei dort festgestellt worden, dass der Name ihres Mannes falsch geschrieben worden war. »Deshalb haben sie ihn in der Liste nicht gefunden«, so Serpil A. im Gespräch. Sie rief sofort bei den Ärzten an und informierte sich über den Zustand ihres Mannes. »Sie hatten ihn in ein künstliches Koma versetzt und sagten mir, der Zustand sei stabil. Ich hatte Hoffnung.« Das änderte sich am 21. Oktober, als sie nach eigenen Angaben einen Anruf der Klinik erhielt. »Die sagten mir, dass es sehr schlecht aussieht und ich sofort nach Koblenz kommen sollte, wenn ich mich noch von ihm verabschieden wollte. Mein Mann würde sicher die nächsten zwei Stunden nicht überleben.«  Sofort fuhr die 32-Jährige mit mehreren Verwandten nach Kob-lenz ins Klinikum Kemperhof. Dort angekommen, dann der nächste Schock für die Familie: »Sie sagten uns, dass es eine Verwechslung gegeben habe. Mein Mann sei weiterhin in einem stabilen Zustand.« Die dreifache Mutter hatte wieder Hoffnung. »Ich dachte, er kann es schaffen. Einen Monat hat Serpil A. gehofft, dass sich alles zum Guten wendet. Ihr Mann Kadir A. war zu dieser Zeit schon mehr als 30 Tage im Krankenhaus,  nachdem er sich mit Corona infiziert hatte. Und die Hoffnung seiner Frau und den drei kleinen Kindern war berechtigt. »Es war sogar von den Ärzten geplant, die künstliche Beatmung schrittweise abzusetzen«, erzählt Serpil A.  »Am 12. November verschlechterte sich sein Zustand dann aber mehr und mehr.« Serpil A. sitzt stundenlang an seinem Krankenbett. Sie wusste nicht, ob er sie versteht, ob er mitbekommt, was sie ihm sagte. »Es war sehr schlimm zu sehen, wie sich sein Aussehen mehr und mehr veränderte. Ich habe mir so viele Gedanken gemacht.« Drei Tage später rief das Krankenhaus an. »Sie sagten mir, dass sie die Maschinen abgestellt hätten. Mein Mann sei nicht mehr zu retten gewesen.« Für die 32-jährige Frau bricht eine Welt zusammen. »Es ist so schlimm. Er war so ein guter Ehemann und Vater«, erzählt Serpil A. unter Tränen. Besonders schlimm war es für sie den drei Kindern zu vermitteln, dass der geliebte Vater nicht mehr zurückkommen wird.  »Ich konnte das am Anfang gar nicht. Ich habe ihnen immer gesagt, er sei in der Türkei«, rechtfertigt sie die »Notlügen«. Ihre beste Freundin brachte die traurige Nachricht dann den drei Kindern (6, 8, 13) bei. »Es ist furchtbar, wir haben so viel geweint.« Mittlerweile ist der Tod des Vaters einen Monat her. »Die Kinder weinen jeden Abend vor dem Einschlafen. Gestern kam die Kleinste und brachte ein T-Shirt meines Mannes und sagte ,es riecht wie Papa‘«, erzählt die 32-jährige Mutter.  Für Serpil A. hat sich das Leben von einem Tag auf den anderen komplett verändert.  In ihrer Trauer hat sie auch viele positive Erlebnisse gehabt. Diese, so erzählt sie, würden ihr Kraft geben. »Viele haben mir geschrieben, die Schulklassen meiner Kinder etwa«, so Serpil A. Besonders nahe ging ihr das Hilfsangebot des Bürgermeisters der Verbandsgemeinde Cochem, Wolfgang Lambertz. »Er hat mir seine Hilfe übermittelt, als ich zur Beerdigung in der Türkei war. Das hat sehr gut getan, wenn man weiß, es gibt Menschen, die einem helfen in dieser Zeit« Aber auch die Vermieter des Dönerimbiss in Bruttig und des Ladenlokals in Cochem, das ihr Mann gemietet hatte, haben bereits auf Miete verzichtet, erläutert die 32-Jährige. Die Anteilnahme in der Bevölkerung ist sehr groß. Viele Freunde und Bürger haben Kerzen vor den Imbiss in Bruttig gestellt, um so ihrer Trauer Ausdruck zu verleiten. »Das hat mich sehr gefreut, ich möchte allen danken dafür«, so Serpil A..  Nun muss die 32-Jährige ihr Leben neu ordnen. Auf jeden Fall will sie in Deutschland bleiben, ihre drei Kindern gehen hier in die Schule und haben viele Freunde. Sie will mit ihren Brüdern zusammen den kleinen Imbiss in Bruttig weiterführen. Das würde sicher auch ihrem Mann gefallen, der mit viel Leidenschaft das Restaurant aufbaute. Serpil A. schaut wieder auf das Foto und weint. »Die nächsten Tage kommen die neuen Möbel. Kadir hatte sie bestellt. Es sollte alles so schön werden. Doch nun ist nichts mehr schön.« 14 Jahre war sie mit Kadir A. verheiratet. »Es waren die schönsten Jahre meines Lebens. Und dann kam Corona.«  Sie kann immer noch nicht fassen, was das Virus angerichtet hat. Nicht verstehen kann die 32-Jährige auch die Menschen, die die Gefahr des Coronavirus nicht ernst nehmen oder sogar leugnen. »Sie sollen schauen, was das Virus mit meinem Mann gemacht hat. Wir haben ihn für immer verloren«, so Serpil A. 

Siehe auch: Kommentar von Chefredakteur Mario Zender https://www.wochenspiegellive.de/mosel/cochem/artikel/kommentar-68359/
Spendenaktion gestartet

Bruttig-Fankel. Die Ortsgemeinde Bruttig-Fankel hat gemeinsam mit VG-Bürgermeister Wolfgang Lambertz eine Hilfsaktion für die Familie gestartet.  Es wurde auch ein HilfeKonto eingerichtet. Wer der jungen Familie nach dem schweren Schicksalsschlag helfen möchte, kann auf das folgende Konto spenden: Raiba Moselkrampen, IBAN DE 82570690810001010104  BIC GENODED1MOK, Stichwort »Kadir Acar«.


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