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Drogen an Schulen: Richter schlägt Alarm

Regelmäßig kommt es zu Einsätzen der Polizei an hiesigen Schulen. Vor den Ferien traf es die Realschule plus in Cochem, wo eine Schülerin mit Rauschgift aufgegriffen wurde. Ein Cochemer Richter macht nun der Politik einen Vorwurf.
Amtsrichter Sven Kaboth schlägt Alarm: »Es gibt im Kreis Cochem-Zell keine drogenfreie Schule, zumindest nicht ab den Klassen fünf und sechs.« Jede zweite Woche registriert das Amtsgericht ein neues Drogen-Verfahren.                                                                                                                                                                                                           Foto: Zender

Amtsrichter Sven Kaboth schlägt Alarm: »Es gibt im Kreis Cochem-Zell keine drogenfreie Schule, zumindest nicht ab den Klassen fünf und sechs.« Jede zweite Woche registriert das Amtsgericht ein neues Drogen-Verfahren. Foto: Zender

Von Mario Zender

Cochem.    Illegale Drogen haben nach Ansicht von Experten längst den Weg in die weiterführenden Schulen gefunden. »Es gibt hier keine drogenfreie Schule – zumindest nicht ab den Klassen fünf und sechs«, sagt Jurist Sven Kaboth. Und der 36-Jährige muss es wissen. Sämtliche Drogendelikte im Kreis Cochem-Zell laufen über seinen Tisch. Kaboth ist Richter am Amtsgericht Cochem und leitet seit drei Jahren das Schöffengericht, also die Instanz, wo sich Dealer und Konsumenten aus dem Kreis Cochem-Zell für ihr Handeln verantworten müssen. Sowohl Polizeibeamte als auch Lehrer sind alarmiert und handeln auch.
So etwa an der Realschule plus in Cochem. Hier wurde vor den Ferien eine Schülerin mutmaßlich mit Drogen erwischt. Die Schulleitung rief sofort die Polizei, die auch die Drogen sicherstellte. Norbert Puth: »Es wurde Tabak sichergestellt, der nun untersucht wird. Die Schülerin hat uns auch gesagt, wo sie die Sachen erworben hat. Ein entsprechendes Ermittlungsverfahren wurde eingeleitet.« Der Schulleiter der Realschule plus Cochem, Christian Etzkorn, hat eine klare Vorgabe ans Lehrerkollegium ausgegeben: »Wir gehen rigoros gegen Drogen an unserer Schule vor. Besteht der begründete Verdacht, alarmieren wir sofort die Polizei und erstatten Anzeige.«
Besonders auffällig für den Drogenhandel seien, nach Meinung von Richter Kaboth, der Endertplatz in Cochem und der Platz vor der Berufsschule in Cochem.  »Meist verabreden sich Dealer und Kunde per WhatsApp. Dort werden dann Mitteilungen hin- und hergeschickt. So etwa »Brauche ‚Pot‘ für 20 Euro«, was so viel heißt wie »Brauche Marihuana für 20 Euro«.  Erst kürzlich wurde ein Dealer im Kreis geschnappt und vom Schöffengericht verurteilt, weil er in mehr als 100 Fällen mit Drogen gehandelt hatte. Aktuell laufen bei der Polizei Cochem, so WochenSpiegel-Informationen, gegen mehrere Beschuldigte Verfahren wegen Handels mit Betäubungsmitteln. Beim Cochemer Amtsgericht sind noch insgesamt neun Drogenverfahren anhängig.  »Wir bekommen etwa alle zwei Wochen ein neues Verfahren«, so Richter Kaboth.  
Eine aktuelle Statistik, wie viele Drogenfälle an Cochem-Zeller Schulen in diesem Jahr bereits zu verzeichnen sind, gibt es aktuell weder bei der Polizei noch bei der Kreisverwaltung Cochem-Zell.  Cochems Polizei-Vizechef Norbert Puth: »Konkrete Daten von Drogenfällen an Schulen liegen uns für 2019 noch nicht vor. Festzustellen ist aber, dass wir bereits bis zum heutigen Tag im Bereich Drogen allgemein den Vorjahresstand erreicht haben.«
Dies ist auch die subjektive Einschätzung von Polizei-Jugendsachbearbeiter Harald Ehses: »Die Anzahl und das Problem generell von Drogen an Schulen haben sich erhöht«.
Besonders besorgniserregend ist demnach das Alter der Konsumenten: Polizeihauptkommissar Ehses: »Es fängt schon sehr früh an, nicht selten sind die Konsumenten 14 oder 15 Jahre alt«.  ichter Sven Kaboth stellt bei den Gerichtsverhandlungen immer wieder fest, wie Drogen die Menschen verändern. Das führt der Vorsitzende des Schöffengerichtes beim Amtsgericht Cochem insbesondere auch auf die deutlich gestiegene »Qualität« der Drogen zurück. »Das Marihuana von vor 20 Jahren kann man demnach nicht mehr mit dem heutigen vergleichen. Der THC-Gehalt ist deutlich höher als noch vor einigen Jahren. Das bedeutet, dass die Konsumenten einer viel höheren Gefahr ausgesetzt sind, süchtig zu werden«, so Kaboth. Besonders auffällig seien auch Psychosen nach regelmäßigem Konsum von Cannabis. Dies belegt Kaboth auch mit der Tatsache, dass in der Betreuungsabteilung des Amtsgerichtes Cochem immer mehr Drogenkonsumenten, die an Psychosen leiden, ein Betreuer zur Seite gestellt  werden muss.
Und die Folgen der Sucht sind auch für den Cochemer Amtsrichter bei vielen Verfahren zu erkennen. »Manche können morgens kaum aufstehen, so zugeknallt sind sie«, so der Amtsrichter.  Für Sven Kaboth ist in diesem Zusammenhang auch die Politik gefragt, der der erfahrene Richter auch gleichzeitig einen Vorwurf macht.  »Cannabis wird von Teilen der Politik verharmlost und die Gefahren unterschätzt«. Deshalb ärgert er sich auch besonders über Überlegungen der Politik zur Legalisierung von Cannabis. »Auch Marihuana ist eine Einstiegsdroge und macht süchtig«, so Richter Sven Kaboth. Für Polizei-Hauptkommissar Harald Ehses von der Polizei Cochem ist auffällig, dass sich immer mehr Dealer offenbar die Berufsbildende Schule in Cochem (BBS) für ihre Geschäfte aussuchen. »Wir haben den Eindruck, dass insbesondere die BBS in Cochem als Absatzmarkt eine Priorität hat.« Seite 2003 ist Ehses bei der Polizei Cochem als Jugendsachbearbeiter tätig. Das Klientel der Kunden von Drogendealern hat sich nach seiner Einschätzung verändert. »Früher waren es meist Jugendliche aus sozial schwachen Schichten, die mit Rauschgift in Berührung gekommen sind. Heute sind das ganz normale Schüler, teils aus einem sehr gutem sozialem Umfeld«, so der Polizeihauptkommissar. Ein Problem, dass Ehses bei seiner Arbeit immer wieder feststellt, ist auch die Verharmlosung der Drogen. »Wir werden in Vernehmungen immer wieder gefragt, was wir uns denn so anstellen würden. Die Politik wolle doch Canabis legalisieren und wir würden einen solchen Aufstand machen«. Harald Ehses persönliche Meinung dazu ist klar: »Die unsägliche Diskussion der Politik Drogen zu legalisieren, ist für uns eine Katas-trophe.« In der Zukunft will die Polizei Cochem den Endertplatz und die Schulen stärker kontrollieren. »Wir werden den Ermittlungsdruck weiter verstärken,« so Polizeihauptkommissar Ehses. Bei der Verbandsgemeinde Cochem gibt es nach eigenen Angaben bereits seit mehreren Wochen Bestrebungen, dem Drogenhandel durch gezielte Maßnahmen entgegenzuwirken. Bürgermeister Wolfgang Lambertz: »Wir haben von dem Drogenproblem erfahren und sind sofort tätig geworden. Es gibt derzeit Planungen, dass wir auf dem Cochemer Endertplatz ein Alkoholverbot verfügen. Dazu hat die Verbandsgemeinde die beteiligten Behörden eingeladen«.   Außerdem setzt Lambertz auf verstärkte Jugendarbeit. »Die Jugendlichen brauchen in vielen Situationen Halt und Rat. Dies können wir durch eine verstärkte Jugendarbeit der Verbandsgemeinde sicherstellen, etwa durch erweiterten Mitarbeitereinsatz.« Erste Angebote für Jugendliche sollen, so der Bürgermeister, ab Mitte Oktober starten. Auch die Kreisverwaltung, als Träger der weiterführenden Schulen, nimmt das Thema Drogen sehr ernst.  »Wir als Landkreis versuchen uns diesem Problem, insbesondere mit präventiven Maßnahmen, zu stellen«, so Kreisbeigeordneter Thomas Basten, der aktuell Landrat Manfred Schnur vertritt. Basten: »Ein wichtiger Baustein ist in diesem Zusammenhang die Schulsozialarbeit, die an allen Grund- und weiterführenden Schulen im Landkreis vertreten ist.« Insgesamt sei bei dem Thema, so Basten, eine Zusammenarbeit auf »breiter Ebene« gefragt. »Schule Polizei, Jugendgericht und Jugendliche sind hier gemeinsam gefordert«, so der Kreisbeigeordnete.


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