Vererbt und dann vergessen...
Von Mario Zender
Cochem. Ein schlichtes Holzkreuz, Erdklumpen und zwei Löwenzahn-Pflanzen. Wer auf das ungepflegte Grab auf dem Cochemer Hauptfriedhof schaut, erkennt sofort, dass hier jemand nach seinem Tod »vergessen« wurde. Das Erinnerungslicht hat eine Frau aufgestellt, die das Schicksal der Verstorbenen miterlebt hat. Kopfschüttelnd steht sie an diesem sonnigen Apriltag vor dem Grab. Denn was fast keiner in Cochem weiß, ist die Tatsache, dass hier eine sehr vermögende Frau beerdigt wurde. Eigentlich könnte man denken, dass sich die Erben um das Grab kümmern. Vor allem wenn man weiß, welches Vermögen die mit 90 Jahren verstorbene Getraude S. hinterlassen hat. Rund 265.000 Euro vererbte sie an die Katholische Kirchengemeinde Cochem (wir berichteten). Die Auflage im Testament von Getraude S. war lediglich, dass sich die Kirche um die Beerdigung und das Grab kümmern soll und einmal im Jahr eine Messe für die Verstorbene gelesen wird. »Offenbar nimmt die Cochemer Kirchengemeinde ihre Verpflichtung nicht so ganz ernst«, sagt Eva H. (Name geändert). Sie war eine enge Freundin von Getraude S. und kannte sie viele Jahre.
»Sie hat immer viel für die Kirche getan. Als die neuen Fenster in der Cochemer Kirche angeschafft wurden, wurde sie gefragt, ob sie die Maßnahme nicht unterstützen möchte.«
38.000 Euro habe sie seinerzeit an die Kirche für ein neues Kirchenfenster gespendet. Jahre später kam dann der nächste Geldsegen für die Kirche. Ein Sparbuch mit 265.000 Euro. Eva H. »Wenn man sich das alles anschaut, was Angela (so wurde Getraude S. genannt, d. Red) für die Kirche gespendet hat, und nun das Grab hier sieht, kommen einem die Tränen.«
Was war das für eine Frau, die jahrelang sparsam lebte, sich nichts gönnte, um dann über eine Viertelmillion Euro an die Kirche zu vererben? Recherchen des WochenSpiegel ergaben, dass das ehemalige Heimkind bereits 1950 mit den Marienschwestern nach Cochem kam. Der Orden half Getraude S. immer, verschaffte ihr auch eine Tätigkeit im Cochemer Krankenhaus. Dort arbeitet sie jahrelang als Helferin auf unterschiedlichen Stationen, nannte sich »Schwester Angela«. Sehr spät heiratete sie einen Nebenerwerbs-Landwirt aus der Eifel. Als der verstarb erbte sie mehrere Grundstücke und Immobilien, die verkauft wurden. Die letzten zehn Jahre verbrachte Getraude S. im Cochemer Seniorenzentrum.
Als sie starb fand man in ihren Unterlagen ein Sparbuch mit einem Zettel, auf dem das Testament der alten Dame niedergeschrieben war.
Darin auch der Hinweis auf die Bedingung für das Erbe, wonach sich die Kirche um die Beerdigung und das Grab kümmern sollte. Angesprochen auf das ungepflegte Grab betont Pfarrer Markus Arndt: » Vor Ostern wird eine von der Kirchengemeinde in Auftrag gegebene Grabplatte gesetzt. Im Zuge dessen wird das Grab entsprechend hergerichtet; für die Grabpflege ist gesorgt.«