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"Die Stigmatsierung der Sexarbeiter ist verankert"

Seit November gibt es die Beratungsstelle A.R.A. (Annerkennung, Respekt, Augenhöhe) in Trier. Sie ist die mittlerweile dritte im Land und wird vom rheinland-pfälzischen Frauenministerium gefördert. Der WochenSpiegel hat mit A.R.A.-Psychologin Zuhal Resne darüber gesprochen, vor welchen Problemen Sexarbeiter im Alltag stehen und warum der Abbau von Stigmata so schwer ist.
Foto: Symbolbild/Fotolia/Rotlich@kirilart

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Mit A.R.A. hat die dritte vom Frauenministerium geförderte Beratungsstelle für Sexarbeiterinnen in Rheinland-Pfalz ihre Türen geöffnet. Was war der Grund die Beratungsstelle gerade  in Trier zu eröffnen?  Zuhal Resne: "Trier hat aufgrund der nahen Grenzlage zu Luxemburg und Frankreich einen enormen Zulauf in der Prostitution, besonders, da Prostitution in den beiden Ländern verboten ist. Das spiegelt sich auch in den Anmeldezahlen des Ordnungsamts wieder, die im Vergleich zu anderen Städten in Rheinland-Pfalz wesentlich höher ausfallen. In Trier haben sich seit Einführung des Prostituiertenschutzgesetzes circa 720 Frauen angemeldet, in Koblenz sind es im Vergleich 270. Sexarbeiter*innen und Kund*innen fluktuieren also gleichermaßen stark in unserer Region, das macht die Beratungsstelle eben so notwendig." Wie wird das Angebot bislang angenommen? Wie viele Frauen betreuen Sie aktuell? "Das niedrigschwellige Beratungsangebot der A.R.A. wird bislang sehr gut aufgenommen, viele Sexarbeiter*innen kommen während unserer Streetwork-Aktionen auf uns zu, einige Frauen werden durch unsere Kooperationspartner*innen im Gesundheitsamt Trier zu uns weitergeleitet. Aktuell betreuen wir acht Frauen intensiv, pro Woche kommen aber immer wieder zwei bis drei Frauen mit kleineren Anfragen auf uns zu." Mit welchen Problemen kommen die Frauen zu Ihnen? "Die größten Probleme der Sexarbeiter*innen betreffen hauptsächlich formale Angelegenheiten wie Fragen zum Prostituiertenschutzgesetz und zur Anmeldung in Trier, zum Krankenversicherungsschutz in Deutschland, zur Versteuerung ihrer Tätigkeiten und nicht zuletzt Fragen zur sexuellen und psychosozialen Gesundheit. Durch unsere Einbindung in der AIDS-Hilfe Trier e.V. sind wir an eine Schuldner- und Rechtsberatung angeschlossen und können somit auf bewährte Arbeitsstrukturen zurückgreifen." Mit welchen Problemen und Hindernissen werden die Frauen aufgrund ihres Berufes im Alltag konfrontiert?  "Sexarbeiter*innen möchten als selbstständig Tätige formal alles richtig machen, vom Hurenpass bis zur Steuererklärung. Leider ergeben sich dabei Probleme im arbeitsrechtlichen Rahmen, da Sexarbeiter*innen kein Gewerbe anmelden können. Diese Einschränkung setzt sich dann versicherungsrechtlich fort, indem diese Frauen von einer Berufsunfähigkeits- und Berufshaftpflicht ausgeschlossen sind. Damit sind Sexarbeiter*innen gezwungen, ohne Absicherung bei voller Haftbarkeit zu arbeiten.  Auf der sozialen Ebene sind Frauen in der Sexarbeit privat und in der Öffentlichkeit starken Ausgrenzungserfahrungen ausgesetzt, weswegen viele ihre Tätigkeit verschweigen. Da muss ein gesamtgesellschaftliches Umdenken stattfinden, Sexarbeit ist keine Schmuddelarbeit!" Wie bewerten Sie die Situation auf dem Straßenstrich in der Ruwerer Straße? "Wir von A.R.A. bemängeln am Straßenstrich an der Ruwerer Straße hauptsächlich die mangelnden Hygienebedingungen. Es gibt keine Mülleimer, keine Waschgelegenheit und keine Toilette. Die eingeschränkten Arbeitszeiten von 22 bis 4 Uhr stellen ein Sicherheitsrisiko dar, die allermeisten Sexarbeiter*innen fühlen sich im Hellen sicherer. Wir verstehen, dass diesbezügliche Veränderungen auch die Anwohner betreffen und sind jederzeit offen für Gespräche und eine Zusammenarbeit." Der Beruf der Prostituieren ist immer noch stark stigmatisiert. Was müsste passieren, damit sich das ändert? "Die Stigmatisierung der Sexarbeiter*innen ist in so vielen Ebenen unseres gesellschaftlichen Lebens verankert, dass es kaum möglich ist, nur eine entscheidende Veränderung zu benennen, mit der dann endlich alles gut würde. Man kann aber schon im Kleinen anfangen und beispielsweise über die Sinnhaftigkeit des Hurenpasses diskutieren, dem Ausweisdokument, das jede Sexarbeiter*in bei der Anmeldung erhält. Dieser muss permanent bei sich getragen werden. Welche Lehrer*in, welche Bäcker*in, welche Sozialarbeiter*in muss sich ständig ausweisen können?"

Über A.R.A.

Die Beratungsstelle A.R.A. (Annerkennung, Respekt, Augenhöhe) gibt seit November in der Trierer Saarstraße 55. Sie wird vom rheinland-pfälzischen Frauenministerium gefördert. Es  ist die bislang dritte Beratungsstelle in Rheinland-Pfalz. Sie  befindet sich in Trägerschaft der Aids-Hilfe Trier. Mitarbeiterinnen sind die Sozialpädagin Manuela Ballmann und die Psychologin Zuhal Resne. Katja Sauer fungiert als Koordinatorin innerhalb der Aids-Hilfe Trier.
  • Öffnungszeiten:  Montag bis Freitag, jeweils 9 bis 17 Uhr.  
  • Kontakt: Telefon 0651/9704411, E-Mail zresne@trier.aidshilfe.de.
Interview: Svenja Pees


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