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Eklat an der Uni: Das sagen die WochenSpiegel-Leser

Im Dezember vergangenen Jahres konnten die Studenten an der Universität Trier ein neues Studierendenparlament wählen. Im Vorfeld war es jedoch zum Eklat zwischen Wahlausschuss und Hochschulleitung gekommen. Der Grund: Provokante Wahlplakate der Satireliste "Die Liste".

Das sagen die WochenSpiegel-Leser

Konni Kanty, Trier: "In Zeiten, in denen es laut der 'freien Meinungsäußerung' in Deutschland offensichtlich zulässig ist, dass der Fraktionsvorsitzende der stärksten Oppositionspartei im deutschen Bundestag die Zeit des NS-Regimes einen 'Vogelschiss in der deutschen Geschichte', Bernd Höcke die Holocaust-Gedenkstätte in Berlin ein 'Mahnmal der Schande' nennt und Beatrice von Storch von der selben Partei fordert, dass Hilfesuchende inklusive Kinder an der bundesdeutschen Grenze bitte erschossen werden sollen, lässt der Präsident der Universität Trier, Prof. Dr. Jäckel, ganz offensichtlich satirische Plakate ohne rechtliche Grundlage und ohne vorherige Rücksprache mit dem dafür zuständigen Wahlausschuss der Uni mit der Begründung, dass sie den 'Frieden gefährden' würden entfernen. Die Plakate der 'Liste' (die an die vom ehemaligen Chefredakteur des Satire-Magazins 'Titanic' Martin Sonneborn gegründete Partei 'Die Partei' angelehnt ist) sind offenbar in ihrer Überspitzung so zutreffend, dass die augenscheinlich völlig humorbefreite Universitätsleitung sich nicht anders zu helfen weiß, als gegen von der Studierendenschaft in Jahrzehnten mühevoll erkämpfte Rechte in völlig autoritärer Manier vorzugehen. Wir alle, die nicht Studierende an der Uni Trier sind, können froh sein, dass der Präsident der Universität, der in den vergangenen Jahren alles daran gesetzt hat, dass die Universität nicht nach dem berühmtesten Sohn der Stadt benannt wird, ausschließlich Präsident dieser Hochschule ist. Der 'Kompromiss'-Kommentar von Frau Pees, der auf der Titelseite des Wochenspiegels abgedruckt ist, ist an Naivität kaum zu übertreffen. So gut ein Kompromiss in vielen Lebenssituationen auch sein mag, so wäre eine Satire, die herrschende Zustände anprangert, völlig sinnentleert, wenn die, die diese Zustände (mit)geschaffen haben, vorher um Erlaubnis gefragt würden. 'Durch Deutschland geht ein tiefer Riss. Dafür gibt es keinen Kompromiss!' ('Das Lied vom Kompromiß', Kurt Tucholsky)" Jan Maximilian Gerlach, Vorsitzender "die Liste", Trier: "Joints stören nicht das 'gedeihliche Zusammenwirken - sie fördern es! Die 'Liste' lädt Universitätspräsident Michael Jäckel auf einen Friedensjoint ein. Was hat Universitätspräsident Michael Jäckel eigentlich gegen konsumkritisches Kiffen fürs gute Gewissen? Während er unsere Cannabis-Plakate hat abhängen lassen, ist unser Nachbarland Luxemburg auf dem Weg, Cannabis zu legalisieren. Aber hierzulande stören die Plakate das 'gedeihliche Zusammenwirken' an der Universität? Das ist nicht nur offenkundig unglaubwürdig, es ist auch eine äußerst schwache Begründung für einen derart gravierenden Eingriff in die studentische Selbstverwaltung.  Woher weiß er, was das 'gedeihliche Zusammenwirken' an der Universität stört und was nicht? Wenn wir uns 'gegen überfüllte Hörsäle' aussprechen - stört dann wirklich ein Bild von den Nürnberger Prozessen das 'gedeihliche Zusammenwirken', oder sind es nicht doch eher die überfüllten Hörsäle?  Diese Zensur des Universitätspräsidenten ist völlig willkürlich: Die liberale ULI-LHG forderte im Wahlkampf Feierabendbier in der Abendmensa. Dagegen hatte Jäckel im Hinblick auf das 'gedeihliche Zusammenwirken' nichts einzuwenden. Diese Plakate blieben hängen, ungeachtet zehntausender Alkoholtoter pro Jahr und nicht selten übergriffiger Alkoholisierter - auch bei Studierenden-Partys. Unser Plakat 'Für mehr Bumms. AK-47 statt AK Sicherheit', das Vorfälle mit K.o.-Tropfen auf Studierenden-Partys kritisch aufgreift, musste wiederum (zeitweise) weichen.  Glücklich kann sich die sozialdemokratische Juso-HSG schätzen. Ihre Forderung nach einer paritätischen Besetzung universitärer Gremien zugunsten der studentischen Mitbestimmung stört das 'gedeihliche Zusammenwirken' auch nicht. Noch nicht. Denn was laut Jäckel das 'gedeihliche Zusammenwirken' stört und was nicht, ist im Vorhinein nicht zu bestimmen. Vielleicht hängt es davon ab, mit welchem Fuß Jäckel morgens zuerst aufsteht, oder davon, was sein Kaffeesatz ihm beim Frühstück rät. Wer weiß, wo nächstes Jahr die Grenze zwischen erlaubt und verboten verläuft, wann ein Zuviel an Studierenden das 'gedeihliche Zusammenwirken' beeinträchtigt und wann auch Jusos und ULI-LHG zensiert werden: 'L'Etat, c'est moi!'.  Mr. President, eine Universität mit demokratischem Gemeinwesen und studentischer Selbstorganisation zu führen, ist schwierig. Wenn Sie dieser Aufgabe nicht gewachsen sind, empfehlen wir Ihnen, sich im Career Service der Universität nach einer passenden Anschlussverwertung in der Werbebranche umzusehen. Dort können Sie sich dann auch intensiv mit dem Deutschen Werberat befassen und das Grundgesetz und seine Freiheitsrechte entspannt hintanstellen. Ihr Weg dorthin führt hoffentlich an der Post vorbei, damit Sie uns die beschlagnahmten (gestohlenen) Plakate endlich zurücksenden können. Oder wir treffen uns im 15 Kilometer entfernten Wasserbillig und ziehen die Plakatübergabe bei einem Friedensjoint durch?"


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