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Eklat an der Uni: Das sagt der Wahlausschuss

Im Dezember vergangenen Jahres konnten die Studenten an der Universität Trier ein neues Studierendenparlament wählen. Im Vorfeld war es jedoch zum Eklat zwischen Wahlausschuss und Hochschulleitung gekommen. Der Grund: Provokante Wahlplakate der Satireliste "Die Liste".

Das sagt der Wahlausschuss

"Vom 4. bis zum 6. Dezember 2018 wurde an der Universität Trier ein neues Studierendenparlament gewählt. Während des Wahlkampfes hatte die Universitätsleitung mehrere Plakate der Satireliste 'Die Liste' abhängen lassen. Wir als zuständiger studentischer Wahlausschuss sehen hierin einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die demokratische Selbstverwaltung der Studierendenschaft. Wir fordern Universitätspräsident Prof. Dr. Michael Jäckel und Kanzlerin Dr. Ulrike Graßnick auf, den demokratischen Prozess bei den Wahlen zum Studierendenparlament künftig uneingeschränkt zu gewährleisten.
  
Obwohl die Zuweisung der von der Universität zur Verfügung gestellten Plakatflächen an die zur Wahl antretenden Listen Aufgabe des Wahlausschusses ist, wurden wir über die Entfernung der ersten beiden Plakate am 28. November im Vorfeld nicht informiert. Erst nach der Entfernung bat der Präsident den Wahlausschuss um eine dringende Stellungnahme, welche wir sodann mündlich im Sinne der hier beschriebenen Kritik vortrugen. Derweil wurde der Vorsitzende der 'Liste', der auch als Verantwortlicher im Sinne des Presserechts auf den Plakaten genannt war, über Gründe und Umfang der Entfernungen überhaupt nicht in Kenntnis gesetzt. Präsident Jäckel bat ihn am 28. November lediglich allgemein um ein Telefonat, weil es wegen der Plakate und der durch dieselben hervorgerufenen 'Kontroversen' 'erneut Gesprächsbedarf' gebe. Das Panzer-Plakat hatte bereits im Wahlkampf 2017 Irritationen ausgelöst, woraufhin seinerzeit tatsächlich ein Gespräch zwischen Vertretern der 'Liste' und dem Präsidenten stattgefunden hatte. Mit Verweis eben hierauf lehnte der Vorsitzende der 'Liste' ein erneute Erörterung desselben Themas in diesem Jahr ab. Die Entfernung der Plakate erfolgte diesmal ohne jedwede Information des Wahlausschusses durch einen Mitarbeiter der Universitätsverwaltung. Hiervon erlangten wir nur zufällig Kenntnis. Die Herausgabe der Plakate verweigerte der Mitarbeiter gegenüber der Wahlleiterin.
  
Zur Kritik von Missständen potentiell provokante Darstellungen zu verwenden, ist legitim. Wenn Satire irritiert, so hat sie ihren Zweck erreicht: Den Finger in die Wunde zu legen, Debatten anzuregen, Widersprüche in der gesellschaftlichen Wirklichkeit aufzuzeigen. Es ist dies eine anerkannte Variante, den öffentlichen Raum politisch mitzugestalten, ein Beitrag zu einer lebendigen studentischen Demokratie an der Universität.
 
Zu einer freien und gleichen Wahl gehören elementar die Meinungs- und die Informationsfreiheit. Indem sie die oben aufgezählten Plakate der 'Liste' im Wege repressiver Zensur hat abhängen lassen, hat die Universitätsleitung in die Freiheit dieser Hochschulgruppe, ihre politische Meinung kundzutun, ebenso eingegriffen wie in die Freiheit der Studierenden, sich ungehindert aus jenen Quellen zu unterrichten. Zudem wurde die 'Liste' hierdurch gegenüber ihren politischen Konkurrenten im Wahlkampf benachteiligt und die Chancengleichheit bei der Wahl mithin beeinträchtigt. Für den Prozess der demokratischen Willensbildung bedeutet das eine Beschneidung: Den Studierenden wurde gleichsam die Mündigkeit abgesprochen, satirische Darstellungen politischer Inhalte eigenständig kritisch zu reflektieren. Gerade in diesen Zeiten, da demokratische Grundwerte allenthalben ins Wanken geraten, erwarten wir von der Universitätsleitung, dass sie den Campus als einen Ort der liberalen Demokratie begreift und bewahrt.
  
Bei unserem Treffen am 28. November verwies Präsident Jäckel auf den Paragraphen 20 I der Grundordnung der Universität Trier, der es zu den Aufgaben des Universitätspräsidenten zählt, für ein "gedeihliches Zusammenwirken der Organe" der Universität zu sorgen: Jenes sei durch die zu diesem Zeitpunkt abgehängten Plakate gestört gewesen. Eine sachliche Begründung der vermeintlichen Störung blieb der Präsident allerdings schuldig. Durch die Entfernung der Plakate schuf die Universitätsleitung also vorschnell Fakten, ohne die Anwendung der genannten Norm überhaupt begründen zu können. [Die Anwendbarkeit des Paragraphen 20 I erscheint im Übrigen generell fraglich, denn jenseits der erwähnten Aufgabenzuweisung enthält der Paragraph weder einen Tatbestand noch irgendeine Rechtsfolge und muss demnach als Ermächtigungsgrundlage für einen belastenden Eingriff der Universitätsverwaltung von vornherein ausfallen.] Auch eine Abwägung zwischen ihrer (unbegründeten) Auslegung der Grundordnung und den demokratischen Rechten der Studierenden ließ die Universitätsleitung nicht erkennen. Wieso sollten satirisch eingebettete Bilder von Panzern und Waffen das 'gedeihliche Zusammenwirken' stören? Es scheint vielmehr so, als wollte die Universitätsleitung kritische Stimmen, die ernsthafte demokratische Auseinandersetzungen provozieren, schlicht unterdrücken.
 
Die in Rede stehenden Plakate verstoßen gegen kein geltendes Gesetz (andernfalls hätten wir sie nicht hängen lassen dürfen), auch nicht gegen den Jugendschutz oder die Hausordnung der Universität. Deshalb stellt das Abhängen eine willkürliche repressive Zensur dar, die den demokratischen Meinungsstreit innerhalb der verfassten Studierendenschaft ihrerseits unverhältnismäßig einschränkt.
 
Wir fordern daher, dass die Universität wieder zu einem Ort der freien Meinungsbildung wird und demokratische Grundwerte respektiert und fördert, statt diese einzuschränken. Das heißt auch: Die Universitätsleitung hat nicht das Recht, den studentischen Wahlkampf zu beeinflussen, insbesondere nicht durch das willkürliche Abhängen von Plakaten. Wir fordern des Weiteren, dass die Universität dem Wahlausschuss weiterhin Plakatflächen für die Wahlwerbung der Listen zur Verfügung stellt, damit die studentische Demokratie auch in Zukunft öffentlich stattfinden kann. 12.575 Studierende sind ein existentieller Teil der Universität und haben ein Recht darauf, sich demokratisch zu organisieren, Meinungen zu äußern und sich zu informieren. Wir fordern schließlich, dass die Universität auch künftig Wahlstände an stark frequentierten öffentlichen Standorten auf dem Campus genehmigt; dazu gehört insbesondere der traditionelle Wahlstand im Mensa-Foyer auf Campus I. Es darf nicht sein, dass die Wahlen in Seminarräumen versteckt und für die Studierenden damit de facto Hürden zum Wählen aufgestellt werden sowie die Sichtbarkeit der studentischen Selbstverwaltung eingeschränkt wird. Wir fordern die Universitätsleitung auf, dafür Sorge zu tragen, dass der demokratische Prozess innerhalb der verfassten Studierendenschaft zukünftig ungehindert vonstatten gehen kann." Zum Artikel geht es hier. RED
 


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