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Es war einmal... August Vochtel

22. November 1948. Um 19.07 Uhr rollt die Lokomotive D21, mit circa 700 Passagieren, aus dem Trierer Hauptbahnhof einem Unglück entgegen und endete mit der selbstlosen Heldentat des Lokomotivführers August Vochtel.
Der Kaiser-Wilhelm-Tunnel bei Cochem, in dem sich das Zugunglück am 22. November 1948 ereignete. Foto: Markus Schweiß

Der Kaiser-Wilhelm-Tunnel bei Cochem, in dem sich das Zugunglück am 22. November 1948 ereignete. Foto: Markus Schweiß

August Vochtel wird am 19. September 1894 in Stipshausen (Kreis Birkenfeld) als viertes von zehn Kindern geboren. Im elterlichen Betrieb erlernt er das Schmiedehandwerk und dient während des Ersten Weltkriegs bei den Heeresfeldbahnen an der Ostfront. Nach dem Kriegsende kommt er zur Eisenbahn und besteht 1925 seine Lokführerprüfung – die Entscheidung für einen Beruf, der ihm später fast das Leben kosten sollte. Durch die rückläufigen Verkehrsleistungen werden weniger Lokführer benötigt, wodurch Vochtel  sich zunächst im Gleisbau und in der Werkstatt betätigen muss. Erst ab 1933 wird er als regulärer Lokführer eingesetzt.

Keine gewöhnliche Fahrt

Der 22. November 1948  wird zu seinem Schicksalstag. Vochtel hat seinen Wohnsitz zu der Zeit in Trier, als in dessen Hauptbahnhof ein planmäßiger Lokwechsel für den Schnellzug D21 von Paris Gare de l`Est nach Koblenz Hauptbahnhof stattfindet. Nachdem sich der Lokführer der vorgesehenen D21 schwer verletzt, muss August Vochtel für seinen Kollegen einspringen. Nach dem Anstellen der Lichtmaschinen brennen sämtliche Glühlampen durch, was das Lokpersonal dazu veranlasst, provisorisch zwei Petroleumlampen an der Zugspitze anzubringen. Im Führerstand hängt man Karbidlampen auf und startet in ein Abenteuer auf der Moselstrecke. Gegen 20.29 Uhr rollt die Lokomotive mit etwa 700 Passagieren, darunter 200 Angehörigen der französischen Besatzungstruppen, mit Pfeifsignal in den Kaiser-Wilhelm-Tunnel in Cochem ein. Mit einer Fahrtgeschwindigkeit von 70 km/h durchfährt die Eisenbahn die damals zweitgrößte deutsche Eisenbahnbergdurchfahrt mit einer Länge von 4203 Metern.

Vochtels Heldentat

Während dem Passieren des Tunnels bemerkt August Vochtel kleine Stichflammen, vermutlich eine Kohlenstaubexplosion,  ausgelöst durch eine Karbidlampe. Kurze Zeit später gehen das Führerhaus und Vochtels Kleider in hellen Flammen auf. Die Eisenbahn rollt ungebremst weiter auf die hinter dem Tunnel liegenden Weichenstraße des Bahnhofs Cochem zu. Vochtel reagiert sekundenschnell und klettert aus dem Führerstand, um durch das Seitenfenster das Bremsventil zu erreichen – ohne Erfolg. Mit schweren Verbrennungen am linken Arm und im Gesicht steigt er wagemutig über den Laufsteg am Kessel entlang, hinter dem Windleitblech hindurch, zur vorderen Pufferbohle hinab und öffnet mit dem Fuß vorsichtig den Lufthahn. Dieser selbstlose Einsatz bringt die Lok zum Stehen und rettet 700 ahnungslosen Reisenden das Leben. Der Zugführer vernimmt das Geschehen erst, als die Eisenbahn circa 300 Meter vor dem Cochemer Portal im Tunnel anhält. Er löscht die Flammen und bringt den schwerverletzten Helden dieser Tragödie zum Bahnhof Cochem, von wo er ins örtliche Krankenhaus eingeliefert wird.

Ehrungen

Der französische Militärgouverneur Marie-Pierre Kœnig verlieh August Vochtel eine Tapferkeitsmedaille und Bundespräsident Theodor Heuss überreichte dem pensionierten Oberlokomotivführer am 23. Dezember 1952 das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland. Außerdem wurde Vochtels Heldentat mehrfach literarisch in Kurzgeschichten und Schulbüchern verarbeitet. HS


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