Fünf Millionen Euro für Gedichte
Böhmermanns Gedicht über den türkischen Staatspräsidenten Erdogan bleibt verboten, der YouTube-Clip mit dem Gedicht "One Day" von Julia Engelmann hat über 11 Millionen Klicks, durch die Auszeichnung der antisemitischen Texte der Rapper Kollegah und Farid Bang gibt es den Musikpreis Echo nicht mehr. So löst Lyrik auch in Deutschland Skandale mit erheblicher gesellschaftlicher Reichweite aus. Gedichte spielen in unserem Alltag eine Rolle und sind kein alter Hut von gestern. "Lyrik ist nicht mehr nur das, was man in der Schule gelernt hat, elitär, schwierig, abgehoben", stellt Professorin Henrieke Stahl am Rednerpult des Audimax der Universität Trier fest. Für sie gilt: "Lyrik ist hautnah, sie berührt, aber sie verletzt auch, geht unter die Haut. Gerade in totalitären Staaten sind Gedichte eine künstlerische Ausdrucksform freier Gedanken." Das fasziniert die Wissenschaftlerin als Leiterin des Forschungskollegs "Lyrik in Transition" und damit erklärt sie den Forschungszweck am feierlichen Eröffnungsabend, der kürzlich stattfand.
Projekt wird mit fünf Millionen unterstützt
Die Bewilligung des Projekts erhielt die Gruppe schon vor einem Jahr; der Startschuss fiel zum 1. Oktober 2017. Das Team stürzte sich direkt in die Arbeit, schon im ersten halben Jahr des Projekts fanden Konferenzen in Moskau, Washington, Tokyo und Trier statt. Stahl hat ein Forschungsnetzwerk aufgebaut, dem sich inzwischen mehr als 200 Wissenschaftler aus 23 Ländern und mehr als zehn Fachgebieten angeschlossen haben. Die Slavistin betritt damit Forschungsneuland, was die DFG erkannt hat, indem sie das Projekt mit fünf Millionen Euro unterstützt. Eine solche Kolleg-Forschungsgruppe ist eines der höchstdotierten und hochkompetitiven Programme der DFG und ging mit dem Lyrik-Kolleg zum ersten Mal nach Rheinland-Pfalz.Leuchtturm der Uni Trier
Für die Grußworte und Festrede reisten Wissenschaftsminister Konrad Wolf und Ex-Bundesinnenminister Gerhart Baum an. Konrad Wolf bezeichnete die Lyrik-Forschung als Leuchtturm der Universität Trier: "Das neue Forschungsnetzwerk ist ein einmaliges Zentrum für vergleichende Forschung zur Gegenwarts-Lyrik. Es ist ein wichtiger Beitrag zur Profilbildung der Universität Trier."Auch der ehemalige Amtsträger Gerhart Baum unterstrich in seiner Festrede im Audimax, dass die DFG in Zeiten des Umbruchs, in der sich die Welt befindet, ihr Geld genau richtig investiere. Denn Umbrüche befördern Ängste und leider schüren auch deutsche Politiker diese - trotz sich positiv entwickelnder Kriminalstatistik. Dem müsse man entgegenwirken: "Die Kreativen brauchen Freiräume, um die Zukunft neuzugestalten."