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Große Spannung im ganzen Land

Am Sonntag, 13. März, ist Landtagswahl. Es zeigt sich: Das klassische Drei- oder Vier-Parteien-System von einst hat sich auch in Rheinland-Pfalz überlebt. Der WochenSpiegel sprach mit dem Politikwissenschaftler Simon Jakobs von der Uni Trier über die Gründe und mögliche Perspektiven. Jakobs forscht an der Uni Trier unter anderem zu Parteireformen und Parteiorganisation sowie zur politischen Partizipation.
Wer wird die neue Ministerpräsidentin? Julia Klöckner (CDU, l.) fordert Amtsinhaberin Malu Dreyer (SPD) heraus. Entscheidung am Sonntag! Foto: Imago

Wer wird die neue Ministerpräsidentin? Julia Klöckner (CDU, l.) fordert Amtsinhaberin Malu Dreyer (SPD) heraus. Entscheidung am Sonntag! Foto: Imago

Die beiden großen Parteien CDU und SPD gelten zwar nach wie vor als Hauptkontrahenten beim Kampf um die Wählergunst, doch längst drängen auch kleinere Parteien in die Parlamente. Manche sind dort vorübergehende Erscheinungen wie etwa die Republikaner, andere wie Grüne oder Linke schafften die Entwicklung vom Newcomer zum politischen Dauerbrenner. "Die klassischen Milieus wie das Arbeitermilieu oder das kirchliche Milieu sind schon lange aufgeweicht und mit ihnen die politischen Identifikationen in 'Lager'. Im Mittelpunkt stehen heute individuellere und kritischere Werte. Hinzu kommt, dass Wahlentscheidungen kurzfristiger und weniger auf Basis langfristiger Identifikationen mit einer bestimmten Partei getroffen werden", begründet Simon Jakobs das, was CDU und SPD Sorgen macht. Nicht nur deren Mitgliederzahlen sinken, auch der Wählerzuspruch.

Naheliegende Lösung

Während auf Bundesebene auch der Wegfall tiefer programmatischer Gräben zwischen den beiden großen Parteien die Entscheidung erschwere, seien in Rheinland-Pfalz vergleichsweise deutliche Unterschiede erkennbar. "Darum halte ich eine große Koalition längst nicht für ausgemacht", sagt der Politologe, "auch wenn sie im Moment nach den Prognosen rein rechnerisch als eine naheliegende Lösung erscheint". Im Falle einer "GroKo" erwartet er eine schwierige Regierungsarbeit, weil die Differenzen etwa zu den Themen Asyl und Bildung doch groß seien. "Ein gewisser Teil der Anhängerschaft beider Parteien könnte ihren Parteiführern eine große Koalition sehr übel nehmen."  Die einzigen Parteien, die auch jetzt noch mehr Mitglieder gewinnen als Austritte verschmerzen müssen, sind Grüne und AfD, wobei die Grünen in den 80er-Jahren als Protestpartei galten.

Phänomen Protestpartei

"Das Phänomen 'Protestpartei' an sich wird bleiben, aber die einzelnen kleinen Parteien riskieren, mit dem Nachlassen der öffentlichen Aufmerksamkeit für ein bestimmtes gesellschaftliches Problem auch selbst zu verschwinden", ist Jakobs überzeugt. Seiner Meinung nach hat die AfD mit ihrer Ausrichtung auf eine "ängstliche Mitte", die ihre Ablehnung der etablierten Parteien kundtun will, größere Chancen auf Bestand als etwa der deutlich rechtsradikalere "III. Weg", der ebenfalls zur Landtagswahl antritt. "Die AfD hat, wenn man sich das Wahlprogramm anschaut, keine geschlossene Programmatik, sondern wirkt eher stichpunktartig auf einzelne Themen zentriert, was für eine Protestpartei jedoch nicht ungewöhnlich ist." Das Versprechen vermeintlich einfacher Lösungen für komplexe Probleme stoße auf Resonanz bei der Bevölkerung. "Die etablierten Parteien müssen den Protest der Bürger aufnehmen und reflektieren", empfiehlt er. "Die rechtskonformen Meinungen, die von AfD-Anhängern vertreten werden, brauchen auch eine Repräsentation im Parlament. Nichts zu suchen haben da allerdings verfassungsfeindliche Inhalte oder Aufrufe zur Gewalt."

Wahl bleibt unverzichtbar

Der Trierer Politikwissenschaftler hält die parlamentarische Demokratie trotz des Abflauens der Begeisterung für die großen Parteien für unverzichtbar. "Wir kennen mehr als 50 verschiedene Arten der politischen Teilhabe, zum Beispiel Demonstrationen, Internetkampagnen oder kritischen Konsum. Doch Wahlen sind die wichtigste und zugleich einfachste Form. Sie sind das einzige Mittel, Macht auf Zeit an legitime Vertreter zu übertragen."  Studien zufolge sehen sich 75 bis 80 Prozent der Bürger von mindestens einer Partei inhaltlich vertreten. "Von einer Krise der Parteiendemokratie kann also keine Rede sein. Aber die Menschen wollen zunehmend Gehör finden und von den Politikern wahrgenommen werden", erläutert Simon Jakobs. AKO


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