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Schätze schätzen lassen für Nestwärme

Anlässlich einer Charity-Aktion ist der Kölner Kunstexperte Christoph Bouillon zwei Tage zu Gast in Trier und schätzt gegen eine Spende für den Verein Nestwärme den Wert von Kunstobjekten. Bekannt ist Bouillon aus der 1985 beim Bayrischen Rundfunk gestarteten Sendung "Kunst und Krempel".
Christoph Bouillon ist seit knapp 30 Jahren als Kunstexperte tätig. Nach seinem Studium der Kunstgeschichte absolvierte er zusätzlich eine kaufmännische Ausbildung im Kunstgewerbe. Foto: Van Ham

Christoph Bouillon ist seit knapp 30 Jahren als Kunstexperte tätig. Nach seinem Studium der Kunstgeschichte absolvierte er zusätzlich eine kaufmännische Ausbildung im Kunstgewerbe. Foto: Van Ham

"Kunst und Krempel" läuft seit 1985 und ist Vorlage vieler weitere ähnlicher Formate. Was macht die Sendung so erfolgreich?  Christoph Bouillon: "Kunst und Krempel ist ein Format, das der Bayrische Rundfunk von der BBC ['Antique Road Show', Anm. d. Red.] übernommen hat. Das Original läuft seit Anfang der 1980er Jahre und seitdem absolut erfolgreich. Das Erfolgreiche an der Sendung ist, dass alles authentisch ist. Dabei ist besonders, dass pro Sendung zwei hochkarätige Experten auftreten, aus Museen oder wissenschaftlichen Institutionen und aus dem gehobenen Kunsthandel. Außerdem steht nicht der Wettkampf unter den Händlern im Mittelpunkt, sondern allein das Objekt und dessen Geschichte. Mitunter kann uns der Gast auch noch das eine oder andere Detail nennen, das wir nicht kennen."  Wie wird ein Objekt zur Antiquität und was macht eine Antiquität wertvoll?   "Das ist eine gute Frage, die man aber gar nicht so direkt beantworten kann. Antiquitäten sind erstmal Objekte, die ein gewisses Alter vorweisen sollten. Laut Gesetz müssen es Objekte sein, die mindestens hundert Jahre alt sind. Was aber den Wert ausmacht ist das Material, beispielsweise bei Schmuck Silber, Gold oder Edelsteine. Zum anderen ist es sicherlich die Verarbeitung. Wie kunstvoll oder aufwendig ist das Objekt verarbeitet worden? Wie aufwendig ist der Produktionsprozess? Das alles Entscheidende ist dann aber die Marktsituation. Kunst- oder Antiquitätenhandel ist vergleichbar mit dem Aktienhandel. Je nachdem wie die Markttendenzen im Moment sind, sind Stücke beliebter und folglich teurer."  Und wie erkennen Sie, welchen Trend der Markt aktuell verfolgt? "Das ist tagtägliche Erfahrung. Man beobachtet andere Versteigerungen und kann daraus ablesen, was im Moment gefragt ist und was nicht. Spätestens bei der Auktion merkt man dann, ob das Stück begehrt ist."  Erinnern Sie sich noch an ein Objekt, bei dem Sie in Ihrer Einschätzung vollkommen im Wert danebenlagen (nach oben oder unten)?  "Wirklich danebengelegen habe ich glaube ich schon lange nicht mehr. Wenn sie das so lange machen, hat man eine gewisse Erfahrung und Routine. Beim Kauf oder einer Auktion entscheiden oft die Emotionen der Käufer. Ich kann die Güte eines Stückes einschätzen und einen derzeit üblichen Marktpreis festsetzen. Dafür gibt es Preisdatenbanken, bei denen sie eine Übersicht über die erzielten Preise vorangegangener Auktionen abrufen können. Bei kunstgewerblichen Objekten wie Porzellan, Glas, Silber beziehungsweise Gegenständen des alltäglichen Gebrauchs ist es schwieriger. Dafür müssen sie viel Fingerspitzengefühl und Markterfahrung haben."  Was können die Besitzer von potentiell wertvollen Antiquitäten überhaupt schätzen lassen? Gibt es bestimmte Ausschlusskriterien (evtl. Größe, Alter)? "Sie können sämtliche kunstgewerbliche Objekte schätzen lassen. Natürlich auch Schmuck. Bei größeren Objekten wie Möbeln macht es Sinn, nur die Fotos mitzubringen. Was bei der Aktion in Trier nicht geschätzt wird sind Gemälde, Münzen, Briefmarken, moderne Kunst sowie aufgrund der gesetzlichen Situation Objekte aus Ausgrabungen und Bodenfunde."  Am Ende jeder Begutachtung müssen Sie einen ungefähren (Markt)Wert schätzen. Können Sie kurz einen Einblick geben, wie dieser zustande kommt?

"Ich werde sicherlich zu den meisten Objekten einen Preis sagen können. Im Einzelfall wäre eventuell noch eine Recherche erforderlich. Dann würde ich den Preis nachliefern. Bei Schmuck bewerte ich das Material, sprich das Edelmetall, die Ausführung und den Zustand des Stückes. Material, Alter, Zustand, Verarbeitung und der aktuelle Marktpreis sind die relevanten Parameter. Broschen beispielsweise sind derzeit am Markt wahnsinnig unbeliebte Schmuckobjekte. Diese lassen sich nicht so gut verkaufen wie Anhänger oder Ohrringe."   Gemälde, Möbel, seltene Münzen und Co: Was ist derzeit am Antiquitätenmarkt besonders gefragt? Gibt es Trends und "Evergreens"?   Alles was in Richtung Vintage geht, ist derzeit unglaublich beliebt. Also Luxusaccessoires wie teure, edle Handtaschen von den großen Modehäusern beispielsweise kDior, Louis Vuitton oder Hermès. Ein weiteres ganz großes Thema sind hochwertige Armbanduhren. Zu den Klassikern zählt nach wie vor das Meissner Porzellan. Gerade in Russland und China haben sie viele Abnehmer.   Zum Schluss: Was war das Kurioseste, was Ihnen jemals angeboten wurde oder Sie schätzen mussten? "Das Kurioseste, was mir mal passiert ist, geschah in Zusammenhang mit der Schätzung einer vermeintlich chinesischen Vase. Diese stellte sich jedoch als Fälschung heraus und außerdem war sie kaputt. In der Wohnung fiel mir aber ein kleiner Tisch auf. Da war eine Tischdecke darübergelegt und ein Fernseher stand darauf. Ich habe dann die Decke weggenommen und es hat sich herausgestellt, dass es sich um einen Verwandlungstisch des Neuwieder Ebenisten [Kunsttischler, Anm. d. Red.] David Röntgen (1743-1807) handelte. Den Tisch hatte die Familie vom Urgroßvater geerbt und wurde immer als 'Röntgentisch' bezeichnet. Die Leute sagten mir, sie hätten auch nie verstanden, warum er ihn so genannt hatte. Ich habe den Wert auf siebzig- bis achtzigtausend Euro geschätzt, denn der Tisch galt damals als verschollen. Die Leute sind fast rückwärts umgefallen, als sie das gehört haben. Der Urgroßvater hatte das Möbelstück in den 1920er Jahren in Berlin gekauft. In der Auktion hat der Tisch dann 240.000 Euro gebracht."

Infos zum Ablauf

  • Termine:  Samstag, 29. Februar (14 bis 18 Uhr) und Sonntag, 1. März (10 bis 16 Uhr) im Hotel Park Plaza in Trier.
  • Anmeldung ab sofort bei Nestwärme unter Telefon 0651/99201220 oder E-Mail event@nestwärme.de. Es stehen insgesamt 40 Plätze zur Verfügung. Die Gäste sollten maximal zwei Objekte zur Begutachtung mitbringen. Bei sperrigen Stücken genügen aussagekräftige Fotos. 

Hintergrund  

Nestwärme finanziert seine Projekte primär über Spendengelder. "Wir sind als Sozialunternehmen darauf angewiesen, dass aus der Gesellschaft heraus Spendenaktionen angestoßen werden. Es freut uns sehr, dass Van Ham und das Park Plaza diese Spendenaktion gestalten," sagt Petra Moske, Gründerin des Nestwärme e.V. Deutschland. nestwaerme.de Interview: Jan Kreller


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