Seitenlogo
SP

Vom Mädchenorchester in Auschwitz zur Rap-Band gegen rechts

Esther Bejarano ist eine der letzten Überlebenden des Mädchenorchesters Auschwitz. Heute steht die 92-Jährige gemeinsam mit der Kölner Rap-Band "Microphone Mafia" auf der Bühne – und ist am Sonntag, 8. Oktober, um 19 Uhr im Mergener Hof zu Gast.

Esther Bejarano hat Geschichte am eigenen Leib erlebt, hat den Schrecken des Dritten Reichs mitsamt Aufenthalten in den KZs Auschwitz und Ravensbrück auf schmerzlichste Art und Weise spüren müssen. Ihre Eindrücke, ihre Herkunft, ja ihre Geschichte drückt sie seit Jahren zusammen mit ihrem Sohn Yoram sowie weiteren Musikern aus. Konsequent gehaltvolle Texte, mit Sinn und Verstand getextet und eingerappt. Texte gegen Gewalt und Rassismus. "Wir haben alle nur ein Leben, das wir einsetzen können, aber jeder Einzelne hat die Verantwortung und die Pflicht, sich für das Leben anderer Menschen einzusetzen. Es gibt viel Gutes", sagt Esther Bejarano, "wir müssen es nur sehen." "Hätte ich mit der Musik aufgehört, dann hätten sie mich getötet" An ihrer Seite ist die Microphone Mafia, ein Musikprojekt, an dem nun auch ihr Sohn Yoram teilnimmt, ebenso ein Italiener und Kutlu – geboren in Köln als Sohn türkischer Einwanderer. Drei Religionen, drei Kulturen und drei Generationen, erklärt der 43-jährige Rapper. "Für uns war das damals interessant, wie sie noch weiter Musik machen kann, nach dem ganzen Erlebten. Und dann hat sie zu uns gesagt: 'Hätte ich mit der Musik aufgehört, dann hätten sie mich getötet'", sagt Kutlu. Und so stehen sie gemeinsam auf der Bühne.

Akkordeonspielerin in Ausschwitz

Esther Bejarano wurde 1924 in Saarlouis geboren. In der jüdischen Gemeinde, in der sie mit ihrer Familie lebte, wuchs Esther zunächst unbeschwert auf. Ihr Vater, Oberkantor der Gemeinde, weckte ihr Interesse an der Musik. Sie lernte Klavier. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten durfte Esther zunächst nicht mehr auf ihre Schule gehen und musste zu einer jüdischen Einrichtung wechseln. 1941 wurden ihre Eltern von Nazis ermordet und Esther kam in ein Zwangsarbeiterlager. Dort arbeitete sie für eine Blumenhandlung, bis sie 1943 nach Ausschwitz deportiert wurde. Ein kleines bisschen Glück hatte Esther dort dennoch: Für das Mädchenorchester wurde eine Akkordeonspielerin gesucht. Ohne jemals zuvor auf einem Akkordeon gespielt zu haben, meldete sie sich für diesen Posten. Jeden Morgen, wenn die Arbeitskolonnen ausrückten, spielte das Orchester. Die Zwangsarbeiterinnen mussten dann im Takt der Musik marschieren. Ebenso, wenn sie abends zurückkamen. Sonntags gab es Konzerte für die SS-Männer. Schließlich wurde Esther ein weiteres Mal verlegt und im Konzentrationslager Ravensbrück zum "Todesmarsch" gezwungen. Doch sie überlebte und wurde 1945 von Alliierten befreit. In ihrer Autobiografie "Erinnerungen – Vom Mädchenorchester in Auschwitz zur Rap-Band gegen rechts", erschienen im Laika-Verlag, berichtet die vielfach ausgezeichnete Friedensaktivistin von ihrem Lebensweg. Auschwitz darf nicht vergessen werden Die Musik begleitete sie auch nach dieser Zeit noch. Anfang der 80er-Jahre gründete sie mit ihren Kindern die Gruppe "Coincidence". Die Texte richten sich gegen Gewalt und Rassismus. Denn auch wenn der Holocaust lange Zeit vorbei ist – der Rechtsextremismus existiert leider noch immer. Seit 2009 steht auch die "Microphone Mafia" an ihrer Seite. Kutlu rappt und Esther Bejarano singt deutsche, englische, französische und jiddische Texte. Manch ein Hip-Hop-Kollege mag die Stirn runzeln. Denn ungewöhnlich ist das Ganze schon, doch es geht auch um mehr als billige Battles: Es geht um Biografien und Menschen, die genau davon erzählen – auch wenn sie nicht mehr der Youtube-Generation angehören. "Außerdem, wo gibt es schon eine Band, eine Rap-Band, mit einer Frau, die 92 Jahre alt wird und die Lust hat, mit den ganzen Jungs aufzutreten?", sagt Bejarano.

"Microphone Mafia" im Mergener Hof

Am Sonntag, 8. Oktober, ist die Rap-Band im Rahmen des Bundesprogramms "Demokratie leben" im Mergener Hof. zu Gast. Beginn ist um 19 Uhr. Eintritt: 7/9 Euro. RED/HK/CN


Meistgelesen