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Waldforum: Gefahren für den Wald zwingen zum Handeln

Der Rekordsommer 2018 - sechs Monate Hitze und Trockenheit bis weit in den Herbst hinein. Die Waldökosysteme bewegen sich langsam in eine neue Phase massiver Bedrohung. Der Klimawandel sowie das Agieren gegen die Umwelt fordern Politik, Gesellschaft und jeden Einzelnen heraus, um die Natur auf der Erde zu bewahren. Das 4. Trierer Waldforum wollte diesem Themenkomplex auf den Grund gehen: Wo stehen wir? Wo steht der Wald? Was kann man tun? Was muss man tun? Welchen Beitrag leistet der Wald dazu?
Über 600 Gäste nahmen am vierten Trierer Waldforum teil. Foto: Michael Stadtfeld

Über 600 Gäste nahmen am vierten Trierer Waldforum teil. Foto: Michael Stadtfeld

Vor kurzem richtete das Forstamt Trier in Kooperation mit der Stadt Trier wieder ein Waldforum aus. Forstamtsleiter Gundolf Bartmann konnte zahlreiche hochrangige Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Verbänden begrüßen, darunter allein zwei Ministerinnen, ein Staatssekretär, sechs Landtagsabgeordnete, die Spitzten der deutschen und rheinland-pfälzischen Forst- und Holzwirtschaft und die verschiedensten Wald- und Naturschutzinitiativen. In der Konzeption war es Bartmann aber auch wichtig, Bürger, Studierende, Schüler und Ruheständler gleichermaßen in den Dialog einzubeziehen. "Heute komme es darauf an versäumtes Handeln im Klimaschutz nachzuholen und die starke Beziehung der Bevölkerung zum Wald zu nutzen um Gefahren abzuwehren", so der Forstamtsleiter in seiner Begrüßungsansprache. 

Über 600 Teilnehmer

Die Präsentationen Diskussionen waren vielschichtig und wiesen – ein besonderes Anliegen der Trierer Waldforen – auch über den forstlichen Tellerrand hinaus. Die Resonanz zeigte, dass man einen Nerv getroffen hat. Als im Vorfeld die Anmeldungen die Kapazitäten der bisherigen Veranstaltungsstätte zu übertreffen drohten, hat das Forstamtsteam einstimmig beschlossen, niemanden abzuweisen und einen kurzfristigen Umzug in die Europahalle von Trier zu organisieren. So war es möglich, dass über 600 Personen an der Veranstaltung teilnehmen konnten.

Wald ist am Limit

In seinem Grußwort sprach der Präsident des Deutschen Forstwirtschaftsrates, Georg Schirmbeck, wichtige Punkte an, die im weiteren Verlauf mehrfach aufgegriffen und unterstrichen wurden:
  • Der Wald und die Forstwirtschaft seien in der Belastung am Limit
  • Die Kollegen vor Ort sind vielfach zeitlich überfordert; man brauche Personal und Sachverstand, bei Forstleuten aber auch bei Waldarbeitern, Holzhandel, Beratern, Verbänden und bei allen, die mit Wald zu tun haben
  • Forstwirtschaft könne so viel leisten, unter anderem 14 Prozent des jährlichen CO2-Ausstoßes binden
  • Man müsse aber langfristig planen, das habe man beim Personal und den Förderungen versäumt.

Problematik in Mainz angekommen

Die rheinland-pfälzische Ministerin für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten, Ulrike Höfken, verdeutlichte anhand der Schadenslage in Rheinland-Pfalz, dass die Problematik zumindest in Mainz schon angekommen sei. Sie betonte aber auch, dass die Bewältigung eine nationale Aufgabe sein muss. Durch den Einsatz von Rheinland-Pfalz wurde auf Bundesebene kürzlich erreicht, dass die Möglichkeiten der Förderung innerhalb des GAK-Rahmenplans für Klimawandelfolgen im Wald erweitert wurden. Leider ist das nur ein erster Schritt, da die Summe der dafür nun bereitgestellten zusätzlichen Fördermittel mit 5 Millionen Euro für Deutschland bzw. 263.000 Euro für Rheinland-Pfalz bei weitem nicht reichen (rechnerisch 72 Cent pro Hektar Kommunal- und Privatwald in RLP). Das Land Rheinland-Pfalz wünscht sich mehr und steht auch dafür bereit, dann größere Summen an Eigenanteil bei der 60 Prozent Bund / 40 Prozent Land – Finanzierung der GAK zu tragen. 

Über den forstlichen Tellerrand hinaus schauen 

Prof. Dr. Günther Heinemann, Umweltmeteorologe der Universität Trier, befasste sich mit der Faktenlage zum Klimawandel weltweit und zeigte dabei, welche Ursache-Wirkung-Mechanismen im bisher beobachteten Klimawandel zum Tragen kommen. Anhand der verschiedenen Zukunftsszenarien wurde erläutert, weswegen jede CO2-Reduktion sinnvoll ist, selbst wenn die gesteckten Ziele nicht erreicht werden. Denn zwischen den Extremszenarien gibt es viele Graustufen. Aber es wird gemäß den Berechnungen auf jeden Fall wärmer, trotz aller Bemühungen. Auf den Landflächen und in arktischen Bereichen übrigens überdurchschnittlich stark, im Gegensatz zu den Flächen der Ozeane. Forstlich interessant waren die präsentierten Ergebnisse einer regionalen Langzeitstudie aus dem Nationalpark Eifel. Diese zeigten den Umfang der Netto-CO2-Senke von Wald, besonders aber auch, dass Kahlschlagsflächen selbst vier Jahre nach dem Hieb netto noch emittieren, also sogar CO2-Quelle sind.

Lebens-Ökobilanz

Der Aachener Unternehmer Dr. Dirk Gratzel hielt einen Vortrag über seinen Versuch, eine ausgeglichene Lebens-Ökobilanz zu schaffen. Im Ergebnis blieben besonders zwei Punkte hängen, die Dr. Gratzel auch später in der Diskussion konkret anmahnte: Es sei sehr schwierig klimaneutral zu leben, selbst mit dem Willen dazu. Denn woher solle man als Verbraucher zum Beispiel wissen, für welches Paar Socken man sich im Laden entscheiden soll bzw. was darin für ökologische Schäden stecken? Besonders wichtig wäre aber, dass jeder einzelne seine Lebensweise und sein Konsumverhalten hinterfragt.

Konsumverhalten und Überbevölkerung

Was weltweit durch die Überbevölkerung und zum Teil auch durch das Konsumverhalten von Industrieländern (z. B. in Form von Palmöl und Soja) angerichtet wird, darüber berichtete die Programmleiterin "Wald" des WWF Berlin, Dr. Susanne Winter. Die enormen Waldverluste und damit einhergehenden CO2-Freisetzungen resultieren aus übermäßigem Flächenverbrauch für Landwirtschaft und Infrastruktur sowie aus übermäßiger bzw. falscher Holznutzung. So werden in Asien 70 Prozent und in Afrika 90 Prozent vom Holzeinschlag als Brennholz genutzt. Als besonderes Problem stellte Dr. Winter aber auch die Korruption in den Entwicklungsländern und Handelsketten dar. Damit werden geschätzt 20 bis 33 Milliarden US-Dollar jährlich veruntreut. Und die Gleichung lautet: Kein Geld = kein Waldschutz. Daher sei wichtig, verantwortungsvolle (indigene) Waldwirtschaft zu unterstützen. Zudem müsse der Handel von illegal eingeschlagenem Holz international effektiver unterbunden werden. Auch sollte der Mengenbedarf der Industrieländer reduziert werden, soweit dies auf Kosten anderer erfolgt. Zur Veranschaulichung der Dimensionen mahnte Dr. Winter an, dass Deutschland so viel Papier verbrauche, wie Afrika und Südamerika zusammen.  

Der Wald in der Region

Dr. Ulrich Matthes, Leiter des Kompetenzzentrums für Klimawandelfolgen RLP präsentierte den aktuellen Stand der Klimaentwicklung und Zukunftsszenarien speziell für Rheinland-Pfalz. Neben der zunehmenden Durchschnittstemperatur, wo nur noch die Höhe fraglich sei, prognostizieren die verschiedenen Szenarien mittlerweile ziemlich sicher eine Zunahme von Extremwetterereignissen. Wobei das vor allem die Intensität der Ereignisse betreffe, bei der Häufigkeit bestehe noch eine gewisse Varianz in der Wahrscheinlichkeit. In der Unterscheidung der Ereignisarten sei die Zunahme bei Dürre, Starkregen und Hitze besonders sicher. Bei Sturm und Hagel gebe es wiederum eine Varianz. All das hat vielfältige konkrete und potenzielle Folgen für den Wald: Längere Vegetationszeiten, neue Konkurrenzverhältnisse, Waldschutzrisiken, ökonomische Einbußen, etc. Als Antwort auf die Frage aus dem Publikum, wie der Wald von morgen dann idealerweise aussehen sollte, erläuterte Dr. Matthes: Das werde man nie sicher sagen können. Was aber wichtig sei: Risikostreuung durch Mischung mit möglichst vielen Baumarten, die aufgrund ihrer Eigenschaften vermutlich gut mit den anstehenden Herausforderungen klarkommen. 

Europäisch Denken, ein Ziel des Waldforums

Die Reihe rundete ein Vortrag der luxemburgischen Umweltministerin Carole Dieschbourg mit einem Blick auf die europäische Wald- und Klimapolitik ab. Hier ging es unter anderem um die konkrete Umsetzung der Ziele innerhalb von Luxemburg. So wird Klimaschutz künftig ein wichtiges Kriterium für Entscheidungen und die Lenkung von Finanzströmen in allen Bereichen der Verwaltung sein. Da der Wald ein wichtiger Baustein in der Klimapolitik ist, liegt auch in Luxemburg der Fokus besonders auf staatlichen Förderungen für Waldbesitzer und verstärktem Einsatz von Holz im Bausektor.Dazu betonte die Staatsministerin die Bedeutung grenzübergreifender Zusammenarbeit.  RED


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