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"Ein Batzen Geld" für einen schnellen Weg in den Weinberg

Kurz nach der Währungsreform ließen sich Longuicher Winzer die für sie so wichtige neue Brücke "einen Batzen Geld" kosten.

Dass Bürger mit eigenem Geld eine Brücke bauen, ist heute nur mehr schwer vorstellbar. Doch 1949 war das anders. Für die Longuicher Winzer war es schlimm, als deutsche Truppen die vorherige Brücke, erbaut 1911, wenige Tage vor Kriegsende sprengten. Seither mussten sie mit der Rioler Fähre übersetzen zu ihren Weinbergen am gegenüber gelegenen Moselufer. Und das mit von Pferden oder Kühen gezogenen Wagen. "Die waren ja einen halben Tag unterwegs", macht Christel Egner das Problem deutlich. Unangenehm war auch, dass sie in Riol "bei Wind und Wetter" auf die Fähre warten mussten, weiß Leni Kollete von Erzählungen. Manchmal dauerte das zu lang. Ihre Schwiegermütter sei per "Bötchen" zur Entbindung, erzählt Egner.  

Getanzt bei der Brückeweihe

Die beiden Frauen schauten sich mit vielen anderen Longuichern historische Fotos an, die das Jubiläumsfest "70 Jahre Moselbrücke Longuich" umrahmten. "Burgherr" Helmut Mertes war darauf als junger Mann zu sehen. Bei der Brückenweihe habe er mit der Dorfältesten getanzt, seiner 93-jährigen Oma, erzählt Ehefrau Marga Mertes. Den Kommentar der alten Dame hat sie nicht vergessen: "Ich hab für die Brücke bezahlt - jetzt darf ich auch tanzen." 

Winzer bezahlten Brückenbau

340 000 DM, umgerechnet 173.839 Euro, kostete der von Winzern bezahlte Brückenbau. Auswärtige, die rüber wollten, wurden daher am Zollhäuschen zur Kasse gebeten. Seine Familie habe allein etwa 14.000 DM (7.450 Euro) beigesteuert, erzählt Bruno Schmitt. Pro Quadratmeter Weinbergsfläche "links der Mosel" waren 65 Pfennig (33 Cent) zu zahlen. Den "Veranlagungsbescheid" vom 26. Februar 1949 hat er aufbewahrt. Schweichs Amtsbürgermeister teilt darin mit, dass alle örtlichen Winzer, "denen durch den Brückenbau besondere wirtschaftliche Vorteile erwachsen", veranlagt würden. Und mit ihnen mussten alle weiteren Grundeigentümer zahlen. Darunter auch Geschwister, die gar nicht mehr in der Region lebten.  

Brücke stand zur Traubenlese

Die Brücke sei sehr wichtig gewesen für die Winzer, bekräftigte Ortsweinkönigin Luisa Hansjosten. Denn auch die im Krieg schwer beschädigte Schweicher Brücke sei "nicht überquerbar" gewesen. Daher war die Fähre in Riol die einzige Möglichkeit, mit Wagen ans andere Ufer zu gelangen. Winzer seien auf kurze Wege in ihre Weinberge angewiesen, betont Ortsbürgermeister Manfred Wagner. Am damaligen Brückenbau fasziniert ihn abgesehen von der nur sechsmonatigen Bauzeit, "dass die Macher den Mut hatten, das anzugehen". Auch sein Opa habe die Brücke mitbezahlt. Kurz nach der Währungsreform im Sommer 1948 sei das für die Leute "ein Batzen Geld" gewesen. Doch alle seien froh gewesen, dass die Brücke zur Traubenlese 1949 stand. 

Kartoffelsuppe und historische Aufsätze

Fast auf den Tag genau 70 Jahre nach der festlichen Brückenweihe am 25. September 1949 feierte Longuich den runden Geburtstag. Eingeladen hatten die Gemeinde, die damals Holz aus ihrem Wald zur Verfügung stellte, und der Arbeitskreis Heimat und Geschichte. Nach einem Gottesdienst unter freiem Himmel auf der Brücke ließen sich Besucher die von Longuicher Frauen gekochte Kartoffelsuppe schmecken, die im Nu ausverkauft war. Großen Anklang fanden zudem ein Film von 1949 und von Schülern vor Jahrzehnten verfasste Aufsätze über die Brücke. URS


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