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Experiment: Eine Nacht im Schlaflabor

Schnarchen, Röcheln, Atemnot. Wie schläft es sich eigentlich unter wissenschaftlicher Beobachtung in einem Schlaflabor? WochenSpiegel-Redakteurin Andrea Fischer hat es ausprobiert.

Sonntagabend, kurz vor 20 Uhr: Mit klopfendem Herzen nehme ich die letzten Stufen im Haus Sankt Kamillus des Trierer Brüderkrankenhauses. Hier in der »Inneren Abteilung« ist auch das Schlaflabor untergebracht. Ein wenig Angst habe ich schon vor der Nacht. Wer weiß, was da alles zutage tritt! Vielleicht schnarche oder röchele ich ja, denke ich noch, dann nimmt mich auch schon Krankenschwester Gabi Busert in Empfang und bringt mich in mein Zimmer, vorbei an dem Schild »Schlaflabor. Psst... bitte leise«. Hier, in Zimmer 151 also, werde ich die Nacht verbringen. Weiße Wände, ein Fernseher und ein Tisch, ein Bild mit Blumen. Eigentlich ein ganz normales Krankenzimmer – bis auf die Infrarotkamera. Ich fühle mich beobachtet. Werde ich hier auch nur ein Auge zumachen können? An meiner Zimmertür hängt ein Schild »Bitte nicht stören! Patient soll schlafen«. Okay, denke ich, ich will’s zumindest versuchen.

Schlafen mit 24 Elektroden

Um 22 Uhr kommt Krankenschwester Petra Weber mit einem großen Koffer in mein Zimmer. In einem kleinen Tiegelchen mischt sie Kleber, mit dem sie 24 Elektroden an meinem Körper befestigt. Die Elektroden am Kopf fixiert sie mit elektrisch leitendem Gipspflaster für das EEG, also die Hirnstrommessung. Hinzu kommt noch ein kleines Mikrofon, das an meinem Hals festgeklebt wird.
20 Minuten dauert es, bis alle Sensoren an meinem Körper in der richtigen Position sind: an meinen Beinen klebt jeweils einer, damit die Schlafmediziner feststellen können, ob ich am Restless-Legs-Syndrom (Englisch für Syndrom der ruhelosen Beine) leide. Am Brustkorb sind Sensoren, die meinen Herzschlag aufzeichnen, am Kinn wachen zwei Sonden über die Spannung der Kiefermuskeln, dann noch mal zwei an den Augen, um die sogenannte REM-Phase zu messen. Diese Rapid-Eye-Movement-Phase zeigt, wie schnell sich meine Augen bewegen. Denn wenn wir träumen, ist das Hirn ähnlich aktiv wie im Wachzustand. Als Krönung noch ein Nasenstecker
Als Krönung steckt Schwester Petra mir noch einen Schlauch in die Nase. Der Gurt, der mir noch um den Oberkörper und die Hüfte geschlungen wird, kann mich da schon nicht mehr schrecken. Am Zeigefinger der rechten Hand klemmt ein Sauerstoffmessgerät. Bewegen kann ich mich nur noch eingeschränkt, zu sprechen vermeide ich, weil ich befürchte, dass der Mikrofonsensor am Kinn verlorengeht.   Petra Weber reicht mir einen Spiegel. Eine Mischung aus Insekt und Kabelbaum blickt mir entgegen.
Ich bin bereit für die Nacht. Über die Elektroden werden meine Daten an einen zentralen Computer übertragen.  »Schlafen Sie gut«, sagt Schwester Petra zum Abschied. Dann bin ich allein. Doch so ganz allein bin ich ja gar nicht! Gleich neben dem Fernseher an der Wand hängt, auf mein Bett gerichtet, die Nachtsichtkamera. Man schläft sozusagen halböffentlich hier. Der Nachtdienst, das sind Petra Weber und ihr Kollege Martin Beyer, schaut mir und den anderen Patienten im Überwachungsraum beim Schlafen zu.

Schlafen unter Beobachtung

Mittlerweile ist es 23 Uhr. Nachdem es mir gelungen ist, nicht mehr auf die Kamera zu starren, falle ich in einen ruhigen Schlaf – der, unterbrochen durch kurze Wachphasen, um 5 Uhr sein Ende findet. Schwester Petra kommt und stöpselt mich bis auf die einzementierten Sonden am Kopf ab. Die bleiben, falls weitere Untersuchungen nötig sind.

Etwas mühselig schrubbe ich mir diese später unter fließendem Wasser aus den Haaren. Zeit fürs Frühstück. Und ein Schläfchen... Doch daraus wird nichts. Dr. Vogt bittet mich zum Gespräch. Und? Wie habe ich denn nun geschlafen? »Sie sind ein Paradebeispiel eines guten Schläfers«, verkündet Dr. Vogt gleich zu Beginn. Lob tut gut! Ich strahle und fühle mich gleich nicht mehr so gerädert.

Sich selbst beim Schlafen zusehen 779 Megabyte Daten sind in der Nacht aufgezeichnet worden und der Computer hat daraus Diagramme gemacht – lesbar nur für den Fachmann und nicht für mich, weshalb mein Blick sofort auf das Video fällt, das die Nachtsichtkamera aufgenommen hat und das am Monitor eingeblendet ist: Erstmals im Leben schaue ich mir selbst beim Schlafen zu. Für mich sehen die Kurven aus wie die Aufzeichnungen eines Erdbebens. »Sie hatten vier schöne Tiefschlafphasen«, erfreut mich Dr. Vogt. Das sei gut, denn zwei sollten es mindestens sein, um geistig fit zu sein. Insgesamt bin ich 19-mal aufgewacht und hatte zwei Traumphasen – leider ohne Erinnerung.»Nur, wenn man länger als  zwei Minuten nach einer REM-Phase wach bleibt, kann man sich an einem Traum erinnern«, erklärt mir Dr. Vogt.  Während der Tiefschlafphase ist der Körper völlig gelähmt Außerdem erfahre ich noch von Dr. Vogt, dass man während der Tiefschlafphase völlig gelähmt ist. Das hindert uns daran, dass wir nachts unseren Traum ausleben. Dieser Lähm-Mechanismus ist gut, denn Menschen mit einer Störung leben tatsächlich ihren Traum und werden so ohne es bewusst zu wollen zum Mörder oder dergleichen. Aha! Das erklärt einiges. Sofort fällt mir mein Traum von letzter Woche ein, bei dem ich krampfhaft versucht habe, wegzulaufen, es mir aber einfach nicht gelang. Dass ich 19 Mal kurz aufgewacht bin, sei auch völlig normal, erklärt Dr. Vogt. Dieses Phänomen habe seinen Ursprung in einer Zeit, als wir noch irgendwo draußen geschlafen haben und stets auf der Hut sein mussten, dass wir nicht gefressen werden. Dieses kurze Aufwachen geschieht aber völlig unbewusst. Ich habe viel mehr geschlafen, als ich dachte. Fünf Stunden und 25 Minuten. Und - allen Unkenrufen zum Trotz – ohne jedes Schnarch-Ereignis, wie es in der Fachsprache heißt. Auch wenn ich mich an diesem Morgen nicht ganz fit gefühlt habe, so ist mein Hypnogramm (Schlafprofil) völlig normal.  Ich habe (noch) keine Schlafprobleme. Menschen, bei denen das anders ist, sollten versuchen, die Abendstunden frei von Stress und Anspannung zu halten. Gegen Fernseher im Schlafzimmer spricht laut Dr. Vogt dabei aber grundsätzlich nichts. Die Reaktionen darauf seien immer unterschiedlich. Bei Menschen, die eine Einschlafstörung haben, hält er es jedoch für sinnvoll, nur zum Schlafen ins Bett zu gehen, um die Verknüpfung von Bett und Einschlafen im Gehirn zu prägen. Testen Sie Ihr Wissen auch in unserem Quiz zum Tag des Schlafes am 21. Juni! FIS


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