Seit 50 Jahren "on stage": Blueslady Lily Remy im Interview
Singt jemand wie du eigentlich unter der Dusche?
Lily Remy: Nein. Ich probe einmal die Woche mit meiner Band, das reicht mir. Manchmal summe ich mit, wenn das Radio läuft, aber ansonsten singe ich zu Hause nur, wenn ich einen neuen Song einstudiere. Ich singe lieber auf der Bühne.
50 Jahre sind eine lange Zeit – erinnerst du dich noch an deinen allerersten Auftritt?
Das war in Polch bei Mayen. Eine Freundin meiner Mutter hatte dort ein Lokal, wo ich 1966 meinen ersten Auftritt mit den „Fools“ hatte. Das war toll. Damals haben mich meine Eltern immer begleitet – ich war ja erst 13.
Wenn du die vergangenen fünf Jahrzehnte noch einmal Revue passieren lässt, welche war rückblickend deine schönste Zeit?
Meine schönste Zeit hatte ich Anfang der 70er, als ich in Heidelberg wohnte, mit „The Twigg“. Sehr lustig und schön war es auch bei „Alb Hardy“, weil wir praktisch überall gespielt haben. In der Dortmunder Westfalenhalle zum Beispiel stand ich gemeinsam mit Wencke Myhre und Chris Roberts auf der Bühne. So lernte ich auch die Schlagerwelt ein wenig kennen, obwohl das nicht meins war. Oder als wir mit den „Black Cats“ im Vorprogramm von Joy Fleming auftraten – da war ich 16.
Alle, die dich noch von früher kennen, bestätigen, dass die junge Lily ein „heißer Feger“ war. Hattest du männliche Groupies?
Es gab schon Männer, die mich gern haben wollten. Aber die meisten erzählten dann, sie hätten mich gehabt und brüsteten sich mit mir, obwohl das gar nicht der Fall war. Als ich noch in Heidelberg lebte - wir spielten damals zwei-, dreimal die Woche – da habe ich ganz gern mal einen Tequila Sunrise getrunken. Und an meinem 21. Geburtstag, das weiß ich noch, standen dann plötzlich zehn Tequila Sunrise auf der Bühne. Ich habe aber nur einen davon getrunken und den Rest verteilt.
Ansonsten ist Alkohol auf der Bühne aber tabu für dich?
Mittlerweile ja. Früher habe ich auch gern Weinschorle oder Sekt getrunken, aber heute habe ich keinen Spaß mehr daran. Ich trinke schon seit Jahren nichts mehr.
Wie ist das bei dir mit dem Lampenfieber?
Das habe ich immer noch und werde es auch immer haben – egal wie alt ich werde. Das gehört einfach dazu. Deshalb brauche ich meine Ruhe, bevor ich auf die Bühne gehe. Vielleicht nimmt es mir mancher übel, aber ich mag es nicht, wenn man dann auf mich einredet. Sobald ich auf der Bühne stehe, ist die Nervosität weg.
In einem Interview hast du mal gesagt, du seist nie auf die große Karriere aus gewesen. Was treibt dich an, Musik zu machen?
Karriere wäre mir zu stressig gewesen. Ich war immer sehr agil, bin aber auch ein Mensch, der seinen Ruhepol braucht. Ich mag es nicht, von Termin zu Termin gehetzt zu werden. Deshalb hatte ich auch nie einen Manager. Was mich antreibt? Ich brauche Musik wie die Luft zum Atmen. Musik ist für mich Seelennahrung. Wenn ich auf der Bühne stehe, dann bin ich ein anderer Mensch, dann bin ich in einer anderen Welt.
Mit welcher Band – abgesehen von deiner eigenen - würdest du gern mal auf der Bühne stehen?
Mit den Rolling Stones. Allein das große Brimborium drumherum – die Stones betreiben ja live einen wahnsinnigen Aufwand – da hätte ich bestimmt Spaß dran.
Im Duett mit Mick Jagger?
Das könnte ich mir gut vorstellen. Ich bin zwar kein richtiger Fan, aber ich bewundere ihn für seine Bühnenpräsenz: Wie er auch mit 70 noch über die Bühne fegt, fliegt, wie ein Adler!
Könntest du dir vorstellen, bei einer Castingshow wie „DSDS“ oder „The Voice of Germany“ im Fernsehen mitzumachen?
Vielleicht, wenn ich 20 Jahre jünger wäre, bei „The Voice of Germany“. Die haben zwar keine Altersgrenze, aber so viel Präsenz möchte ich heute einfach nicht mehr haben.
In diesem Jahr feierst du quasi Goldene Hochzeit mit der Bühne – und zwar standesgemäß, mit deiner Band „Lily and Friends“ im Brunnenhof (siehe Info unten)...
...nicht nur ich, sondern auch mein Gitarrist Addy Schneider, der schon Mitglied meiner ersten Band „The Fools“ war.
Was wäre denn dein Wunsch für die Diamantene?
Da bin ich ja schon 73! Falls ich das noch packe, würde ich wieder auf die Bühne gehen – vielleicht aber mal nur mit Klavier...
Interview: Daniela Wiesner