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Thorsten Wirtz

Jens Jenssen: »Wir brauchen authentische Politiker«

Jens Jensen, der SPD-Fraktionsvorsitzende im Kreistag Vulkaneifel, äußert sich im Gespräch mit dem Wochenspiegel zur politischen Kultur in der Region und zur im Spätherbst anstehenden Landratsneuwahl.

Ende Juni kündigte der mit 67,5 Prozent gewählte Landrat Heinz Onnertz (parteilos) seinen Rücktritt im März 2013 an. Seine Begründung: »Ich kann nicht mehr!« angesichts einer gegen ihn gerichteten Kampagne in einem Anzeigenblatt und angesichts politischen Drucks von CDU, Linkem und BürgerUnion Vulkaneifel (BUV). Unterstützt wurde Heinz Onnertz u.a. von der SPD-Fraktion, die nun vor einer drängenden Kandidatenkür für die Neuwahl steht. WochenSpiegel: Wie haben Sie den Rücktritt von Heinz Onnertz erlebt... gibt es im Kreistag tatsächlich eine »Eiszeit«, die den Schritt unausweichlich machte?Jens Jenssen: Heinz Onnertz war ein ganz besonderer Landrat für die Vulkaneifel: Er geht gerne auf die Menschen zu, ist direkt ansprechbar und hat mit seiner herzlichen Art viele begeistert.  Sein Rücktritt war ein echter Schock für uns. Meine Parteifreunde und ich haben alles getan, um ihm den Rücken zu stärken. Nun hat Heinz Onnertz für sich die Entscheidung getroffen, dass es so nicht weitergeht. Dies zeichnet ihn für mich als Menschen allerdings auch aus. Sein Rücktritt hat uns allen - wenn auch in schmerzhafter Form - gezeigt, dass er nicht stur und »dickfellig« ist, sondern sich über all die Jahre im politischen Geschäft hinweg seine Sensibilität bewahrt hat.. Zwar gehören Auseinandersetzungen zur Politik mit dazu. Doch im Kreistag gibt es keine konstruktive Streitkultur mehr. Ein unerbittliches Lagerdenken ist entstanden, das gerade für ein kommunales Parlament pures Gift ist. Die Verhinderer-Koalition aus CDU und BUV hat gute Ideen abgelehnt, einfach nur, um dem Landrat zu schaden. WochenSpiegel : Sie sagen selbst, Auseinandersetzungen sind in der Politik normal. Was ist aus Ihrer Sicht an der Situation im Dauner Kreistag jedoch anders?Jens Jenssen: Viele Menschen sagen mir, dass sie jetzt die Vorgänge im Kreistag viel aufmerksamer als zuvor beobachten. Das ist gut. Aber zugleich sagen sie, dass sie - durch das, was sie lesen und erleben - ein negatives Bild von Politik bekommen. Ich finde, wir müssen wieder Politik für die Sache machen und nicht gegeneinander. Zwar sind wir alle Menschen mit unseren Befindlichkeiten, aber die politische Zusammenarbeit darf nicht von Ärger oder Antipathie kaputt gemacht und behindert werden.WochenSpiegel : Am Image der Politik sind die Medien wesentlich mitbeteiligt. Es gab und gibt in einem regionalen Anzeigenblatt massive Vorwürfe beispielsweise gegen den Landrat oder jüngst gegen Ihre Parteifreundin Astrid Schmitt als Vorsitzende des KSK-Verwaltungsrats. Wie begegnen Sie diesen Vorwürfen?Jens Jenssen: Das Anzeigenblatt, auf das Sie vermutlich anspielen, hält sich nicht an den Pressekodex: Vorwürfe werden nicht nachvollziehbar belegt, Vermutungen und Verdächtigungen werden vermengt, grundlegende journalistische Sorgfaltsregeln werden ganz offenkundig nicht befolgt. Kurz: Das Blatt stellt für mich daher keinen seriösen Beitrag zur politischen Debatte dar. Auf mich macht die ?Eifel-Zeitung' den Eindruck eines anzeigenfinanzierten Organs der BUV. Betroffen bin ich über den Stil, der einzelne Personen anfeindet.WochenSpiegel : Alle warten gespannt auf die Präsentation der Kandidaten für den Landratsposten. Wie sieht der Stand der Dinge bei der SPD aus?Jens Jenssen: Es wird sicherlich für die Landratswahl unterschiedliche Kontrahenten geben. Wir sprechen aber mit der FWG und den Grünen, um  einen gemeinsamen Kandidaten oder eine gemeinsame Kandidatin zu finden. Ich setze mich dafür ein, dass wir nicht zuerst K.O.-Kriterien ausmachen und darauf achten, wer nicht geht, sondern auf das, was dem Landkreis und den Menschen hier nutzt. WochenSpiegel : Und was heißt das etwas konkreter? Gibt es schon Namen geeigneter Persönlichkeiten?Jens Jenssen: Zum jetzigen Zeitpunkt werden wir noch nicht mit den Namen hantieren. Aber die Kriterien sind klar: Authentisch, mutig und unabhängig muss er oder sie sein, und das ist eine Frage der Persönlichkeit. Wichtig ist ein geschärfter Blick für die demokratischen Spielregeln. Politik ist mehr als Kreistagssitzungen und Gremienarbeit - die Bürgerinnen und Bürger müssen einbezogen werden. Wir brauchen Transparenz der Entscheidungen und Entscheidungswege. Außerdem ist eine Sensibilität für soziale Belange gefragt - wie etwa Familien- und Jugendhilfe oder gerechte Bildungschancen. Gerade angesichts des demografischen Wandels müssen hier die vorhandenen Potenziale genutzt und gestärkt werden, damit die Vulkaneifel lebendig bleibt. Das wird sich auch positiv auf den Wirtschaftsstandort auswirken.WochenSpiegel : Wird die Vulkaneifel überhaupt als eigenständiger Landkreis erhalten bleiben?Jens Jenssen: Das ist zunächst mal keine Frage der anstehenden Landratswahlen. Doch jeder in dem Amt wird mit dem Thema konfrontiert sein, egal aus welcher politischen Richtung er oder sie kommt. Ich persönlich bin überzeugt, dass der Landkreis nicht als Besitzstand, aber als Innovationsmotor gute Chancen hat. Wir brauchen intelligente Lösungen und keine verwaltungstechnischen Doppelstrukturen und kein Kompetenzwirrwarr. Wir werden daher für ein Fusions-Modell werben, dass die Verbandsgemeinden mit dem Landkreis zusammen legt. So wird der Landkreis als großes Plus und als Identitätsraum für die Bewohner erhalten bleiben. Wir wollen eine Landrätin oder einen Landrat, die oder der gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern diesen Weg begeht. Dazu gehören beispielsweise Zukunftswerkstätten, in denen Experten Impulse geben und auch jeder einzelne selbst zu den Sachthemen Vorstellungen und Ideen einbringen kann.WochenSpiegel: Der Wahlkampf wird sehr kurz. Wird er auch hart?Jens Jenssen: Wir wollten den Wahlkampf nicht. Aber von unserer Seite aus wird er fair und themenorientiert ausgetragen. Ansonsten ist es - neben der wichtigen Rolle der Medien, die eine angemessene Plattform für die Ideen und Menschen sein sollten - ausschlaggebend, dass die Kandidaten das Gespräch mit den Menschen suchen, auf Festen und Veranstaltungen Kontakte knüpfen und zuhören. Es wird Wahlkampfveranstaltungen geben. Mir ist sehr wichtig, dass sich die Menschen nicht angesichts der Konflikte der Vergangenheit frustrieren lassen. Politik soll man nicht boykottieren, wie einen Laden, dessen Angebot einem nicht passt. In der Politik geht es um unser Gemeinwesen. Es geht somit um unseren eigenen Laden, für den wir alle zusammen verantwortlich sind. Dafür lohnt sich das Engagement.  Das Interview führte Angelika Koch. In der Kreistagssitzung am 27. August wird über den genauen Termin der Landratswahl entschieden.


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