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Auf dem Bau hängt vieles in der Luft

Die Lage spitzt sich auch in der Eifel-Mosel-Hunsrück-Region weiter zu: Immer mehr Handwerker kämpfen bei der Materialbeschaffung mit Preiserhöhungen und Lieferengpässen. Davon betroffen sind Dämmstoffe, Holzprodukte, aber auch Farben und Metall.
Wer Richtfest feiern kann, darf sich freuen. Auch in der Region ist Baumaterial derzeit in vielen Gewerken knapp.Foto: S. Baumann

Wer Richtfest feiern kann, darf sich freuen. Auch in der Region ist Baumaterial derzeit in vielen Gewerken knapp.Foto: S. Baumann

Was ist die Ursache für die Knappheit bei den Baustoffen? Dirk Kleis, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Mosel-Eifel-Hunsrück-Region (MEHR) nennt eine Verkettung mehrerer Ereignisse. »Dazu gehören der Ausfall großer Produktionsanlagen zum Beispiel bei den Rohstoffen Styrol und Propylenoxid, welche für die Produktion von EPS-Dämmstoffen benötigt werden. Die Farbindustrie spürt unterdessen den Produktionsausfall bei Bindemitteln eines großen Herstellers.«

Viele Aufträge wirtschaftlich nicht mehr durchführbar

Beim Holz führte u.a. ein heftiger Wintereinbruch in den USA zu einem drastischen Zurückfahren der Holzproduktion bei zugleich verstärkter Holz-Nachfrage aus Europa, zählt Kleis weiter auf. Dazu kämen noch verschiedene Ursachen, die der Pandemie geschuldet seien. Lieferketten und die »just-in-time-Beschaffung«  funktionierten einfach nicht mehr.
Materialknappheit und explodierende Kosten: Kommt es trotz voller Auftragsbücher demnächst zu Bau- und Produktionsstopps? »Das Schlimmste an der Situation ist, dass viele Kalkulationen derzeit gar nicht mehr passen und vorhandene Aufträge nicht mehr wirtschaftlich durchführbar sind,« sagt Michael Fandel, Obermeister der Holzbau- und Zimmerer-Innung Westeifel. »Das Material hat unglaublich lange Lieferzeiten, alles muss vorausschauender geplant und bestellt werden.« Dazu komme die Ungewissheit über die weitere Preisentwicklung. Auch erste Baumaßnahmen würden bereits abgesagt oder verschoben. Wo möglich, müssten Aufträge nachverhandelt werden.  »Einige Betriebe im Baugewerbe haben bereits Kurzarbeit angemeldet«, bedauert Fandel.
Die Ungewissheit und fehlende Planungssicherheit bemängelt auch Bernd Elsen, Vizepräsident der Handwerkskammer Trier und ehemaliger Obermeister der Elektro-Innung Westeifel. »Termine werden verschoben. Teilweise wurde mir schon berichtet, dass Bauherren ihre Projekte komplett auf Eis gelegt haben«, sagt er. Obwohl es grundsätzlich aufwendiger geworden sei, Material zu beschaffen, mache die Knappheit der Elektroinnung aber weniger zu schaffen. »Eher die Problematik, dass Vorgewerke wie Maurer und Zimmerer ihre Leistungen nicht ausführen können und unser Gewerk dann in den Sog hineingerät.«

»Wir nehmen, was wir kriegen können«

Wie schwierig die Gesamtsituation ist, bestätigt auch Karin Oster, Geschäftsführerin von Oster Dach + Holzbau GmbH in Bernkastel-Kues. »Die Lieferzeiten für Holz betragen jetzt bis zu 15 Wochen und die Preise für KVH (Konstruktionsvollholz) zum Beispiel sind von 350 auf 1000 Euro pro Kubikmeter gestiegen. Es ist ein großes Problem, überhaupt an Waren zu kommen, um die Baustellen abzuarbeiten. Kurzfristig geht da gar nichts mehr.« Dasselbe gelte für USB-Platten. Auch die Firmenlieferanten könnten von der Industrie bestimmte Kontingente nur peu á peu abrufen. »Wir bestellen mittlerweile blind und nehmen alles, was wir kriegen können, um handlungsfähig zu bleiben. Dazu müssen natürlich auch die Lagerkapazitäten vor ort gegeben sein, um das Holz trocken aufzubewahren,« sagt die Dachdeckermeisterin. Größere Aufträge musste das familiengeführte Unternehmen in den Spätsommer verschieben, andere können dafür früher abgewickelt werden, weil es gerade Material dafür gibt.  »Ich bin den ganzen Tag damit beschäftigt, Waren zu organisieren, projektbezogen zu kennenzeichen und den Überblick zu behalten.« Auch Dämmung für Dächer oder Bitumenbahnen seien kaum noch zu bekommen, so die stellvertretende Vorsitzende des Wirtschaftskreises Bernkastel-Wittlich, die auch auf die problematische Situation der Häuslebauer verweist. »Da kosten die Baustoffe schnell mal 20.000 bis 30.000 Euro mehr. Wenn die Finanzierung knapp ist, lassen sich Projekte gar nicht mehr umsetzen.« »Die Nerven behalten!«  lautet ihr Rat. »Ich gehe davon aus, dass sich der Markt zum Jahresende noch mal beruhigt.« Und welche Unterstützung erwartet das Handwerk von der Politik? Dirk Kleis und die Handwerkskammer Trier haben ihre Vorschläge gegen das Dilemma am Bau zu Papier gebracht. Darin wird gefordert, dass es den Betrieben erleichtert werden müsse, »Preisgleitklauseln« zu vereinbaren sowie Angebots- und -Auftragserfüllungsfristen zu verlängern. Dirk Kleis: »Auch die Fristen zur Verwendung bei Fördermitteln sollten verlängert werden, um dadurch ebenfalls Druck auf der Nachfrageseite zu nehmen.«
Eine weitere Kernforderung des Handwerks: Da Kurzarbeit aufgrund von Materialengpässen drohe, müsse die Kurzarbeitergeldverordnung vorerst bis zum 31. Dezember 2021 verlängert werden. Zudem könne die Verfügbarkeit von Holz eventuell durch eine befristete Aufhebung der Holzeinschlagbeschränkungen verbessert werden. Auch »runde Tische« vor Ort mit Vertretern des Forstes, der Sägewerke und des Handels könnten Verbesserungen der Materialversorgung ermöglichen. (ste).


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