Seitenlogo

Brückenschlag der Hochmoselbrücke

1,7 Kilometer lang und 160 Meter hoch – die Hochmoselbrücke zwischen Ürzig und Rachtig wird eine direkte Verbindung zwischen den Benelux-Staaten und dem Rhein-Main-Gebiet schaffen. Bereits seit 2011 wird an dem Giganten, in dem 40.000 Kubikmeter Beton verarbeitet wurden, gebaut. 2019 soll er in Betrieb genommen werden. Jetzt war Brückenschlag– das Verbindungsstück ist gesetzt.

Unter dem Augenmerk vieler Zuschauer - aus der Region und von weiter weg - sowie unter Beobachtung von Presse, Politikern und Mitwirkendem am Bau, eröffnete Edeltrud Bayer, Baudirektorin des Landesbetriebes Mobilität Trier, die offizielle Veranstaltung der "größten Brückenbaustelle Europas". Die Region rücke jetzt näher an die Landeshauptstadt, begann sie ihre Ansprache. "Während der Bauphase hatten wir reges Interesse und hätten jeden Tag mehrere Führungen über die Baustelle machen können, aber dann hätten wir ja nichts mehr arbeiten brauchen. Aber heute die Anwesenheit zeigt, wie das Projekt in der Region angenommen und angekommen ist." Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) nannte die Hochmoselbrücke ein "Meisterwerk deutscher Ingenieurskunst", einen Brückenschluss in einer ungeahnten Dimension und mit der "größten Spannweite weltweit, die jemals im Taktschiebeverfahren und mit neuartigen Verschubanlagen bewegt wurde." Das dramatische Ereignis in Genua habe erst einmal eine Brücken-Check-Diskussion ausgelöst, erläutert er weiter. Aber der Brücken-TÜV liefere so eine Garantie ab, dass alle sorgenfrei über die Brücke fahren können. "Wirtschaft braucht Wege, und das gilt auch für diese Region. Wir reden hier von einer Investition von einer halben Milliarde Euro - die Gesamtkosten sind 483 Millionen und ich hoffe, sie werden eingehalten. Das Bauvorhaben bringt schnelleres Vorankommen und besseren Verkehrsfluss. Wenn wir im Zeitrahmen bleiben, werden wir im Herbst 2019 fertig." Scheuer argumentierte im Hinblick auf Bedenken, dass ausreichend Wildbrücken zur Verfügung gestellt werden würden, Überflughilfen für Fledermäuse eingerichtet werden und als Kompensation für das Bauwerk auf 400 Hektar Obstwiesen eingerichtet und Flussufer neu gestaltet werden würden. "Ich weiß, dass der Weinbau hier ein sensibles Thema ist, und deswegen haben wir mit Untersuchungen, Begehungen und Gutachten auch alles so gemacht, dass wir bis zum Schattenwurf ganz einfach vieles vorgesehen und gutachterlich nachgewiesen haben." Für nachgewiesene Einbußen würde entschädigt werden. Auch im Hinblick auf die befürchtete Lärmbelästigung hat er eine Antwort parat: "Ein Klassiker ist der Lärmschutz - auf dieser Brücke besteht kein Grund zur Sorge," ist er sich sicher. Die Brücke sei weit weg von den Ortslagen und hoch, ebenfalls seien alle Auflagen der Brücke erfüllt. Die Architektur sei außerdem so konzipiert, dass jeder damit leben könne. Zum Thema Standsicherheit sagte der Verkehrsminister, dass jedes Detail geprüft worden sei - der Boden sei kontinuierlich und intensiv erkundet worden. "170 Bohrungen wurden durchgeführt", es wurden "Großbohrpfähle" verwendet und "die Dübelschächte haben einen Durchmesser von sechs Metern bei einer Wanddicke von einem Meter und 40 Metern Tiefe. Kurz: Die Brücke ist sicher." Auch der rheinland-pfälzische Verkehrs-, Wirtschafts-, Landwirtschafts- und Weinbauminister Volker Wissing (FDP) war vor Ort. "Wir sind sehr dankbar dafür, dass der Bund so viel in unserer Region investiert und wir werden etwas daraus machen", erläuterte Wissing und argumentierte, dass das Bauwerk erhebliche Vorteile für den Tourismus bringe. Im Anschluss nannte er einige Zahlen: 4,1 Millionen Kubikmeter Erde seien für den Straßenbau bewegt worden, mehr als 800 Hektar Fläche seien erforderlich gewesen sowie 600 Hektar für landespflegerische Ausgleichsmaßnahmen. Im Gesamten seien 35 Millionen Euro in Naturschutzprojekte und Ausgleichsmaßnahmen geflossen. Alle hätten sich bemüht, den Eingriff in die Natur und Umwelt so gering wie möglich zu halten. Befürworter versus Brückengegner: die Hochmoselbrücke als umstrittenes Bauwerk Bereits die Grünen waren gegen das Bauwerk, welches in den Koalitionsverhandlungen im April 2011 stark diskutiert wurde. Letztendlich stimmten sie für eine Regierungsbeteiligung jedoch zu. Die Stimmen anderer Gegner halten sich wacker. Vor allem Menschen in der Region sehen in der Brücke eine Gefahr für das Moseltal. "Ohne die Brücke wäre alles besser. Sie bringt keine Vorteile. Nur zehn Prozent ist Durchgangsverkehr, es wäre sinnvoller, die umliegenden Straßen besser auszubauen", sagt Heide Weidemann aus Erden. Sabine Ehses aus Zeltingen-Rachtig ist derselben Meinung. "Unmöglich und überdimensioniert - die Brücke zerstört unsere Landschaft. Außerdem fängt das Wasserschutzgebiet über der Brücke an und es weiß keiner genau, wo das Wasser für die Drainagen herkommt." Beide Frauen sind sich außerdem sicher, dass die Brücke für Anwohner eine massive Lärmbehinderung mit sich bringen werde. Ehses stellt fest: "Wir brauchen diese Brücke nicht." Eine Gruppe aus dem Sauerland ist ebenfalls vor Ort. "Eine Autobahn muss irgendwo anfangen und irgendwo enden und nicht ins Leere verlaufen", sagt Werner Hermes. Auch aus der umliegenden Region sind Menschen angereist. Doris Schneider aus Mülbach (Eifelkreis Bitburg-Prüm) findet das Bauwerk "eine Bereicherung für die arbeitende Bevölkerung", die so schneller von A nach B komme. "So sind wir dann auch schneller bei unseren Verwandten", ergänzt ihr Mann Gerhard. Christine Und Josef Thome aus Wawern sind ebenfalls mit von der Partie. Josef Thome ist sich sicher, dass die Brücke "viel bringen werde" und mit ihr "einige Vorteile einhergehen". Reinhold Scholzen aus Bombogen spricht sich ebenfalls für das Bauwerk aus: "Die Brücke muss hin, dann hört die Fahrt durch die Mosellandschaft auf und man spart viel Zeit. Was die Brücke für Auswirkungen für die Anwohner hat, weiß ich allerdings nicht." Faszination Brückenkonstruktion Während die einen die Vor-und Nachteile abwägen, ist Ulrich Perwass vor allem von der Konstruktion fasziniert. Der pensionierte Techniker und Lehrer ist begeistert: "Die Brücke ist eine technische Meisterleistung." Für ihn ist das Fotografieren ein Hobby und die Hochmoselbrücke hat es ihm seit mehreren Jahren angetan. So ist es nichts Besonderes, dass er morgens um halb 5 den Sonnenaufgang über der Brücke fotografiert, sich für Luftaufnahmen über das Bauwerk fliegen lässt oder für Veranstaltungen wie den Brückenschlag schon vier Stunden vor Beginn vor Ort ist - und dafür zwei Stunden von Bensberg anreist. "Ich war heute der Erste hier, denn ich wollte den besten Platz bekommen." Und so saß Perwass auf dem Hang seitlich des Geschehens und konnte in Ruhe filmen, wie die Brücke verbunden wurde. Nur 60 Zentimeter hatten gefehlt. Was er in seinen Aufnahmen festgehalten hat, konnten die Anwesenden aus Sicherheitsgründen größtenteils nur über eine Leinwand beobachten: Luftballons flogen, Scheuer und Wissing betraten die Hilfsbrücke, lächelten zufrieden. Für beide ein großer Verkehrsfortschritt - die Diskussion um die Brücke dürfte im nächsten Jahr jedoch weitergehen, denn vermutlich wird nicht jeder Wissings Aufforderung folgen, der appellierte: "Es ist jetzt an der Zeit, sich mit dem Projekt zu versöhnen."


Meistgelesen