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"Die Arbeit fängt ja jetzt erst an"

Seit Mai leitet der erste Beigeordnete Fritz Kohl die Verbandsgemeinde Wittlich-Land bis ein neuer Bürgermeister gewählt ist. Auch die VG ist in großen Teilen von der Hochwasser-Katastrophe betroffen. Im Interview mit Stephanie Baumann, Redaktionsleiterin des WochenSpiegel Eifel, zieht Kohl eine erste Bilanz und macht den Betroffenen Mut.
Fritz Kohl macht Mut: »Wir sind an der Seite der Bürger«. Foto:VG

Fritz Kohl macht Mut: »Wir sind an der Seite der Bürger«. Foto:VG

Wochenspiegel:  Herr Kohl, gemeinsam mit Landrat Gregor Eibes, Dennis Junk (MdL) und Wehrleiter Stephan Christ haben Sie sich persönlich ein Bild von den betroffenen Gemeinden vor Ort gemacht und die Lage teilweise als dramatisch bezeichnet. Wo sind die Schäden am schlimmsten? Fritz Kohl:  »Vieles in der Verbandsgemeinde wurde in Mitleidenschaft gezogen. Zum Glück sind keine Personenschäden zu verzeichnen. Öffentliche Einrichtungen sind betroffen, zum Beispiel die Kita und das Feuerwehrgerätehaus in Salmtal, auch private Häuser, einige Schulen, Turnhallen, Böden . . . Wir sind derzeit dabei die Schäden noch genauer zu analysieren. Was ich unterstreichen möchte und was mich sehr berührt: Lehrerinnen und Lehrer, Schüler, Mann und Maus haben die Ärmel hochgekrempelt und vor Ort mit angepackt, als ob es um ihr persönliches Eigentum ginge. Das gilt im Übrigen für sämtliche Einsatzkräfte und die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, die tagelang bis zur Erschöpfung im Einsatz waren und damit einmal mehr gezeigt haben, was Solidarität heißt.« Die Räume in der Kita Salmtal sind kaum mehr nutzbar. Gibt es dafür schon eine Lösung? »Seit Dienstag weicht eine kleine Kindergruppe berufstätiger Eltern nach Sehlem aus, damit die Betreuung gewährleistet ist. Die Vorschulkinder können einen höher gelegenen Teil der Kita noch nutzen. Bis kommenden Montag wird die komplette Bürgerhalle Salmtal Kita als Ausweichquartier für alle Kinder umgebaut   sein. Es ist phantastisch, wie in den Orten alle zusammenhalten. Wenn ich ins Ahrtal schaue, wo viele Menschen gestorben sind, dann dürfen wir uns nicht beschweren. Wir dürfen nicht das Augenmaß verlieren und denken, wir seien der Nabel der Welt. Das kriegen wir alles hin!« Auch Wanderwege und einige Brücken sind durch die Hochwasserkatastrophe zerstört. So existieren u.a. die Krummenau Brücke in Bruch und die wichtige Brücke zur Alten Pleiner Mühle nicht mehr. Kann man sich da eine kurzfristige Lösung vorstellen?» Wanderwegen und Brücken messe ich aufgrund unserer touristischen Infrastruktur größte Bedeutung zu! Deshalb dürfen wir jetzt nicht dem Formalismus verfallen, sondern müssen das so schnell reparieren wie es geht. Bund und Länder haben finanzielle Förderungen in Aussicht gestellt. Wo möglich und erwünscht können wir auch Hilfe zur Selbsthilfe geben.« Sie haben die Einrichtung einer Koordinierungsstelle in der Verbandsgemeinde Wittlich-Land angekündigt. Was hat es damit genau auf sich?
»Ja. Wir haben eine Stabsstelle geschaffen, in der alle kommunalen Schadensmeldungen bei einer Person zusammenlaufen. Alle Ortsbürgermeister wurden angeschrieben und aufgefordert, uns ihre Schäden via excel-Tabellen und Fotos zu melden, damit wir einen Gesamt-Überblick erhalten. Wenn das alles klar ist, werden die einzelnen Schäden in die zuständigen Fachbereiche verteilt. Wichtig ist eine systematische Vorgehensweise. Die Arbeit fängt ja jetzt erst richtig an!«   Die VG Wittlich-Land arbeitet auch an der Erstellung eines Hochwasser- und Starkregenkonzeptes. Wie ist hier der Stand der Dinge?
»In Zusammenarbeit mit dem Wittlicher Ingenieurbüro Stratec GmbH erarbeiten wir für alle Gemeinden der Verbandsgemeinde ein solches Konzept. Dazu fanden bereits im Frühjahr Ortsbegehungen statt, potenzielle Gefahrenstellen sind dokumentiert, Anregungen gesammelt, Erfahrungen ausgetauscht. jetzt geht es in den Gemeinden in die Umsetzung. Zunächst in Bruch, Dreis, Großlitten, Landscheid, Platten, Osann-Monzel, und Sehlem. Die Hochwasserkatastrophe hat uns gezeigt, dass es jetzt keine zeitliche Verzögerung mehr geben darf.« Nach dem ersten Schock werden deutschlandweit jetzt Stimmen lauter, die mangelnde Warnsysteme und ungenügende Ausstattung von Katastrophenschutz und Feuerwehren beanstanden. Wie sehen Sie das in der Verbandsgemeinde Wittlich-Land? »Wir wussten zwar, dass Wasser kommt, wir wussten aber nicht wie viel. Die Warnsysteme müssen in Zukunft viel effizienter arbeiten. Ich lege die Hand dafür ins Feuer, dass die Feuerwehren in Wittlich-Land gut ausgestattet ist. Bei solchen Katastrophen könnten wir natürlich trotzdem mehr Notstromaggregate oder geländegängige Unimogs gebrauchen. Von Bund und Land erwarte ich nun eine deutliche Unterstützung aller Wehren und des gesamten Katastrophenschutzes. Ich glaube, man hat in der Vergangenheit beidem nicht die richtige Bedeutung beigemessen und demzufolge auch nicht die nötigen Gelder bereitgestellt. Hier gibt es nun keine Ausreden mehr. Jetzt muss Geld in die Hand genommen werden, um die Menschen und ihre Heimat zu schützen.« Interview: Stephanie Baumann


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