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Internationale Azubis in der Pflege

Der Fachkräftemangel in der Pflege ist deutschlandweit bekannt. Mit einer innovativen Idee begegnet das Seniorenheim St. Josef in Kröv dem Problem und beschäftigt internationale Azubis.
Vor dem Haus der Azubis: Oben: Christoph Loré, Reza Rashidi Manesh, Kaoutar Bouchnafa, Jores de Vigny Ndinta Adjifack. Unten: Thomas Martini, Hannah Müller, Sweeny Davis, Ikhlas Fakhkhar, Marcus Heintel. Foto: J. Urban

Vor dem Haus der Azubis: Oben: Christoph Loré, Reza Rashidi Manesh, Kaoutar Bouchnafa, Jores de Vigny Ndinta Adjifack. Unten: Thomas Martini, Hannah Müller, Sweeny Davis, Ikhlas Fakhkhar, Marcus Heintel. Foto: J. Urban

 Zu wenig Zeit, zu viel Belastung, zu wenig Lohn, zu viel Verantwortung – Die Pflege ist für viele alles andere als ein »Traumjob«. Dass der Notstand in der Pflege ein zentrales Problem unserer alternden Gesellschaft ist, ist längt kein Geheimnis mehr. Darunter leiden nicht nur die Arbeitnehmer, sondern auch die Heimbewohner: »Es gibt Menschen, die liegen Stundenlang in ihren Ausscheidungen«, sagte Alexander Jorde, damals Azubi in der Pflege im Fernsehn gegenüber der Kanzlerin, was ihn über Nacht national bekannt machte. Eine von Merkels Lösungen: mehr Menschen aus dem Ausland holen.
Die Idee ist nicht neu: Allein das Programm »Triple Win« der Arbeitsagentur warb 2019 über 1000 Fachkräfte aus Ländern wie Serbien, den Philippinen und Tunesien ab.
Aber es gibt auch kleine Projekte, die Abhilfe schaffen: Aktuell werden zwölf junge Menschen im Seniorenheim St. Josef der Gemeinnützigen Gesellschaft für ambulante und stationäre Altenhilfe (GFA) in Kröv in der Pflege ausgebildet. Fünf von ihnen sind gebürtig aus Indien, Iran, Kamerun und Marokko. Der Kontakt kam durch Vermittler und Stellenportale zustande. »Am Ende sind über 900 Bewerbungen eingegangen«, erzählt Christoph Loré, Geschäftsführer der GFA. »Die Auswahl erfolgte über Videointerviews. Eine der Vorrausetzungen für die Stelle war die Beherrschung der deutschen Sprache, die alle Azubis schon recht gut beherrschen.«

Mehr als nur ein Ausbildungsbetrieb

Besonders an dem Projekt ist, dass die Azubis von dem Träger nicht nur bei ihrer Ausbildung, sondern auch bei der Integration begleitet werden. Um den jungen Menschen das Einleben zu erleichtern, suchte die GFA eine große Wohnung vor Ort. Durch Kontakte und Ausschreibungen kam es zum Umbau und zur Anmietung einer passenden Immobilie gleich neben dem Altenheim. Große Hilfe gab es dabei von Geschäftsführer Dieter Keuder, von der in Mainz ansässigen Wilhelm Immobilienverwaltung GmbH.
Jeder Azubi bewohnt ein eigenes Zimmer, die Gemeinschaftsräume wie Wohnzimmer und Küche stehen allen zur Verfügung – die Badezimmer sind nach Geschlecht getrennt. Sie alle zahlen ihre Miete selbst. »Es ist ja kaum möglich, dass die Menschen sich erst hier vor Ort eine Wohnung suchen – schon gar nicht mit einem Azubigehalt. Das Projekt soll ihnen diese Last abnehmen«, so Loré. Von Anfang an eingebunden waren auch Verbandsgemeindebürgermeister Marcus Heintel und Ortsbürgermeister Thomas Martini. »Ich bin mit dem Haus schon lange in Kontakt und freue mich, dass alles so gut geklappt hat«, so Martini.
Die Verantwortlichen sind sich bewusst, dass das Projekt nur gelingt, wenn sich die Azubis integrieren. Um das zu schaffen stehen ihnen »Integrationsbuddies« zur Seite, die bei Behördengängen helfen. Sie sind selbst Angestellte im Altenheim und übernehmen die Arbeit ehrenamtlich: »Unsere Integrationsbuddies unternehmen auch außerhalb der Einrichtung mit den Auszubildenden Aktivitäten.

Azubis aus der ganzen Welt

Dadurch lernen sie die Umgebung schnellstmöglich kennen«, sagt Einrichtungsleiterin Hannah Müller.
Einer von ihnen, Jores de Vigny Ndinta Adjifack aus Kamerun, spielt beispielsweise schon im örtlichen Fußballverein mit. »Die Leute hier sind sehr nett und man lebt sich nach und nach ein«, erzählt er.  Auch seine Kollegen fühlen sich gut aufgehoben: »Wir haben eine gute Heimleitung, die uns sehr unterstützt«, sagt Reza Rashidi Manesh aus dem Iran. Ihnen allen gemein ist, dass sie in ihrer Heimat wenig Perspektiven für sich sehen und daher den Weg ins Ausland gesucht haben.
Dass der Fachkräftemangel durch ausländisches Personal abgebremst werden soll, steht auch in der Kritik. Denn anstatt die Rahmenbedingungen für die deutschen Arbeitnehmer zu verbessern, füllt man die Lücken mit Ausländern, die von diesen schlechten Bedingungen wenig wissen. Eine Kritik, die Christoph Loré nachvollziehen kann. Er sieht aber die Politik in der Pflicht: »Die Probleme in den Rahmenbedingungen müssen von der Regierung gelöst werden. Dass die Ausbildung mittlerweile kostenfrei ist, ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber wir sind im Moment weiterhin auf die Zuwanderung angewiesen.«
Daher werden die Azubis wohl nicht die letzten sein, die ihre Heimat verlassen, um im Ausland zu arbeiten. Für alle Beteiligten eine Win-Win-Situation – doch für die Herkunftsländer, die mitunter selbst zu wenig Fachkräfte haben, wird dieser sogenannte »brain drain«, also der konstante Wegfall der Pfleger immer mehr selbst zum Problem . . .
www.gfambh.com


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