Seitenlogo

Himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt

Viele verbinden „Anatevka“ mit dem Ohrwurm „Wenn ich einmal reich wär“. Doch Jerry Bocks Musical bietet mehr, weit mehr. Folkloristische Elemente und Typen, die den Bildern von Marc Chagall entstiegen zu sein scheinen, sind ebenso in dem Stück zu Hause wie Elemente, die von Auswanderung und Judenverfolgung sprechen.

Das Bühnenbild von Sabine Lindner brachte die fast perfekte Illusion eines russischen Shtetls auf die Bühne. Um das zentrale, mit allerlei Klapp- und Drehelementen wandelbar gestaltete Haus des Milchmanns Tewje herum entfalten die Gäste aus Mecklenburg-Vorpommern ihr quirliges Spiel. Das Hin und Her einer Hochzeit, das Dralle und Lustige des Lebens stellen die Schauspieler und Sänger ebenso deutlich heraus wie das Tragische, das Heraufdämmern von Pogrom, Massenmord und -auswanderung. Das macht das große Plus dieser Produktion aus. Auf der einen Seite fängt sie die Zuschauer mit allerlei folkloristischen Reizen, vermittelt ihnen aber so auch die traurigen Aspekte der Handlung. Himmelhohes Jauchzen und abgrundtiefes Betrübtsein drücken die Akteure unter Leitung von Regisseurin Christine Bossert wahrhaft mitreißend aus. Ihr Spiel geht unter die Haut. Und weil dem so ist, wird klar, dass „Anatevka“ mehr ist als die Geschichte vom Milchmall und seinem Traum „Wenn ich einmal reich wär“.


Meistgelesen