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Ein "historisches Treffen"

Vor etwas mehr als einem Jahr änderte sich das Leben von Anita Polom und ihrer Tochter Sandra, als sie ein Schreiben erhielten, dass sie Schmuckstücke ihrer Mutter - beziehungsweise Großmutter - zurückerhalten sollen, die ihr bei der Deportation in das Konzentrationslager Ravensbrück abgenommen wurden. Ein Schreiben, das Sandra Polom letztlich auch an die Mosel und zu Guido Pringnitz nach Treis führte.

72 Jahre nach dem Ende der Nazi-Diktatur setzt dieser Brief eine Spurensuche in Gang, deren Dimension Sandra Polom (43) nicht für möglich hielt. Ihre Großeltern stammten beide aus Polen, wurden von den Nazis verschleppt, überlebten die Konzentrationslager, kamen nach ihrer Befreiung nach Schweden, trafen sich und heirateten. Über die Leidenszeit ihrer Großeltern hat die heute in Deutschland wohnende Sandra Polom nicht viel gewusst. "Mein Großvater hat nur wenig darüber gesprochen", erzählt sie. Dass aber jetzt die sogenannten "Effekten", wie der Schmuck ehemaliger KZ-Häftlinge genannt wird - und von denen heute lediglich 3.000 erhalten sind - auftauchte, hat sie angespornt, mehr über das Schicksal von Jakub Chabinski und Genowefa Banasiak zu erfahren. Und hier kommt die Region ins Spiel. Ihr Großvater wurde vom KZ Majdanek weiter ins Konzentrationslager Natzweiler-Struthof deportiert. Das erfuhr Sandra Polom über den Internationalen Suchdienst. Hier erfuhr sie auch, dass er zu Häftlingen gehörte, die von dort ins "Außenlager Kochem-Treis-Bruttig" kamen, um den Treis-Bruttiger Tunnel für die Rüstungsindustrie nutzbar zu machen. Da sie in Wiesbaden wohnt, war der Weg an die Mosel nicht weit. "Wir - mein Freund und ich - sind an einem Sonntag im April auf gut Glück nach Treis gefahren. Wir haben uns durchgefragt und bei Guido Pringnitz geklingelt, der ein Buch über den Tunnel geschrieben hat", erzählt Sandra Polom. "Ich war total überrascht", sagt der Treiser, der seine Besucher an die Reste der Tunnelanlage führte. Für Sandra Polom war es ein "historisches Treffen". "Ich kann es nicht in Worte fassen, was das für eine Zeitreise war - auf den Spuren meines Großvaters", beschreibt die Enkelin ihre Gefühle. Ihre Botschaft: "Das hat mein Leben verändert und wir dürfen nicht aufhören zu erinnern und zu mahnen. Ich wäre froh, wenn es hier in Cochem einen Ort der Erinnerung geben würde."  Die Dokumentation: "Deckname: ,Zeisig'": - Guido Pringnitz hat in seiner Dokumentation die Geschichte des Treis-Bruttiger-Tunnels aufgearbeitet. - Pringnitz hat nicht nur Fotos aus internationalen und nationalen Archiven zusammengetragen, sondern er wurde auch von der Robert Bosch GmbH und der Deutschen Bahn mit Dokumenten versorgt. - Die zweite Auflage des Buches "Deckname: ,Zeisig'" erscheint in diesen Tagen. - Weitere Informationen unter: www.treiser-tunnel.de Fotos: Pauly


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