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Claudia Neumann

Erstmals in Rheinland-Pfalz: Kunstherz erfolgreich implantiert

Trier. Patient hat sechsstündigen Eingriff im Brüderkrankenhaus gut überstanden und hofft nun auf Spenderherz

Gemeinsam mit einem interdisziplinären Team nahm der Chefarzt der Herz- und Thoraxchirurgie im Herzzentrum Trier, Professor Dr. med. Assad Haneya (Mitte), die Implantation des neuartigen Kunstherzens vor.

Gemeinsam mit einem interdisziplinären Team nahm der Chefarzt der Herz- und Thoraxchirurgie im Herzzentrum Trier, Professor Dr. med. Assad Haneya (Mitte), die Implantation des neuartigen Kunstherzens vor.

Bild: BBT-Gruppe, Region Trier

Erstmals ist in Trier erfolgreich ein Kunstherz-System implantiert worden. Professor Dr. med. Assad Haneya, Chefarzt der Herz- und Thoraxchirurgie im Herzzentrum des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder Trier, nahm mit seinem Team den rund sechsstündigen Eingriff vor. Schon nach wenigen Tagen konnte der Patient die Intensivstation wieder verlassen.

Das Herz gilt als "Motor des Lebens", fortdauernd pumpt es Blut durch den Körper und stellt so die lebenswichtige Versorgung aller Organe mit Sauerstoff und Nährstoffen sicher. Bei Patienten mit Herzinsuffizienz jedoch schwächelt der faustgroße Hohlmuskel - mit der Folge, dass dessen wesentliche Funktionen nicht mehr gewährleistet sind. Eine besonders schwere Herzschwäche führt zum Tod, wenn sich nicht rechtzeitig ein Spenderherz findet. Da die Zahl der benötigten Spenderorgane deutlich höher liegt als die der Spenderherzen, braucht es Systeme, um Zeit überbrücken und den Patienten wieder zu einer verbesserten Lebensqualität verhelfen zu können.

Zeit bis zum Spenderorgan überbrücken

Beides leistet das aus Frankreich stammende Kunstherz-System, bei dem es sich um ein "Total Artificial Heart" (TAH) handelt und das nun erstmals in Rheinland-Pfalz am Herzzentrum Trier durch Professor Haneya erfolgreich implantiert wurde. Anders als bisherige Herzunterstützungssysteme, die primär zur Unterstützung der linken Herzkammer dienen, ermöglicht ein TAH auch bei Versagen beider Herzkammern eine Stabilisierung des Patienten durch einen kompletten Ersatz des Herzens. Wie ein echtes Herz erzeugt das TAH einen pulsierenden Blutfluss und reguliert sich mittels hochkomplexer Technologie selbst. Das Kunstherz passt sich den jeweiligen Bedürfnissen und Belastungen des Patienten an.

Ein weiterer wesentlicher Vorteil des Systems, das in Deutschland bislang nur in wenigen großen Herzzentren implantiert wird: "Der Hersteller hat das Kunstherz so konzipiert, dass es ausschließlich über biologische Oberflächen verfügt. Der Patient muss deshalb nicht mehr dauerhaft blutgerinnungshemmende Medikamente einnehmen, womit das Risiko schwerer Blutungen deutlich reduziert wurde", ergänzt Professor Haneya.

Therapie, wenn alle anderen Behandlungsoptionen keinen Erfolg mehr versprechen

"Vor dem Hintergrund der Schwere seiner Herzschwäche - das Herz hatte zuletzt nur noch eine Pumpleistung von rund 10 Prozent und trotz intensivmedizinischer Maßnahmen konnte keine Stabilisierung mehr erreicht werden - verhilft das Kunstherz dem Patienten nun wieder zu einer deutlich höheren Lebensqualität", erklärt Professor Dr. med. Nikos Werner, Chefarzt Kardiologie und Leiter des Herzzentrums Trier. Zugleich macht Professor Werner deutlich, dass es sich bei der Implantation eines Kunstherzens um eine Therapie handele, die als "ultima ratio" zu verstehen und erst dann medizinisch geboten sei, wenn alle anderen Behandlungsoptionen keinen Erfolg mehr versprächen. Erklärtes Ziel bleibe, dass der Patient schnellstmöglich ein Spenderherz erhalte, so der Chefarzt weiter. Bis dahin gelte es, die bereits durch die Herzschwäche geschädigten Organe zu stabilisieren und einer weiteren Schädigung vorzubeugen.

"Beachtliche Teamleistung"

Professor Haneya ist im Sommer vergangenen Jahres vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, ans Brüderkrankenhaus gewechselt. 2021 hatte er in Kiel die bundesweit erste erfolgreiche Implantation dieses neuen Kunstherzens geleitet. Die Implantation von Kunstherzen zählt gemeinsam mit der innovativen und minimalinvasiven Herzchirurgie zu den klinischen Schwerpunkten von Professor Haneya. Gemeinsam mit einem interdisziplinären Team von Herzchirurgen aus Deutschland und Frankreich, darunter dem ebenfalls von Kiel nach Trier gewechselten Leitenden Oberarzt Dr. med. Philipp Kolat sowie den Kardio-Anästhesisten führte der 45-Jährige nun auch den Eingriff im Brüderkrankenhaus durch. Die Entscheidung für die Implantation war gemeinsam mit dem Patienten im Herzteam aus spezialisierten Kardiologen, Rhythmologen und Herzchirurgen getroffen worden.

"Die sehr aufwändige Operation verlief ohne Komplikationen und der Kreislauf des Patienten hat sich nach der Aktivierung des Systems sehr schnell stabilisiert. Das interdisziplinäre Intensivteam unter Leitung von Dr. med. Thomas Gehrig, Leitender Oberarzt der Kardiologie im Herzzentrum Trier, kümmerte sich gemeinsam mit spezialisierten Pflegefachkräften am Anfang rund um die Uhr um den Patienten. Schon nach wenigen Tagen konnte der Patient die Intensivstation wieder verlassen, berichtet Chefarzt Professor Haneya und spricht von einer "beachtlichen Teamleistung". Ein großer Dank gelte allen an der Vorbereitung sowie der OP selbst und der postoperativen Behandlung des Patienten beteiligten Akteuren aus Medizin sowie Pflege, sowie den Therapieberufen und den Kardiotechnikern für ihren "großartigen Einsatz". Man freue sich insbesondere, "dass die Krankenhausleitung mit der Ermöglichung dieser ersten Kunstherz-OP den Aufbau eines Programms für die Implantation von Kunstherzen im Herzzentrum Trier unterstützt", so die Professoren Haneya und Werner.

Geballte Kompetenz an Bord

"Wir sind sehr stolz darauf, dass wir mit Professor Haneya und dem interdisziplinären Ärzteteam des Herzzentrums nicht nur die medizinische Kompetenz, sondern darüber hinaus auch die vielen notwendigen pflegerischen und therapeutischen Spezialisten, etwa aus dem Bereich der Psychologie und der Physiotherapie, an Bord haben, um einen solchen medizinisch wie emotional hochkomplexen Eingriff verantwortbar und mit Erfolg durchführen zu können. Das zeigt auch, dass wir mit dem Herzzentrum des Brüderkrankenhauses eine wesentliche Größe in der überregionalen kardiologisch-herzchirurgischen Versorgungsstruktur darstellen", so Markus Leineweber, Direktor Unternehmenskultur und Thorsten Eich, Kaufmännischer Direktor des Brüderkrankenhauses Trier.

HINTERGRUND: HERZZENTRUM TRIER

Das Herzzentrum am Brüderkrankenhaus Trier besteht aus der Abteilung für Innere Medizin III/Kardiologie und internistische Intensivmedizin, Leitung Prof. Dr. med. Nikos Werner, der Abteilung für Innere Medizin III/Rhythmologie, Leitung Priv.-Doz. Dr. med. Frederik Voss und der Abteilung für Herz- und Thoraxchirurgie, Leitung Prof. Dr. med. Assad Haneya. Die Gründung des Herzzentrums Trier fand am 28.November 2018 statt. Das Herzzentrum Trier ist diagnostischer und therapeutischer Benchmark in der Region Trier, überregional und auch innerhalb der BBT-Gruppe. Durch die bestehende medizinische Infrastruktur und Expertise kann das Herzzentrum krankenhausübergreifende und überörtliche Aufgaben wahrnehmen und seinen Kooperationspartnern spezielle Diagnostik- und Therapieverfahren zur Verfügung stellen, die andernorts nicht vorgehalten werden können. Übergeordnetes Ziel des Herzzentrums ist die optimale Versorgung von Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen in einem Verbund regionaler und überregionaler Krankenhäuser und Zuweiser.

EXTRA: HERZINSUFFIZIENZ

Mit fast einer halben Million Fälle im Jahr zählt die Herzschwäche hierzulande zu den häufigsten Gründen für einen stationären Klinikaufenthalt. Allein in Deutschland leiden schätzungsweise vier Millionen Menschen an dieser Erkrankung, beziffert die Deutsche Herzstiftung. Tendenz steigend. Je nach Ursache und Ausprägung lassen sich Grunderkrankung und Herzinsuffizienz unterschiedlich behandeln. Das Spektrum reicht hierbei von medikamentösen bis interventionellen Therapien wie etwa Klappenersatz und -Reparatur sowie das Implantieren von Herzschrittmachern und Defibrillatoren. Führen diese nicht zum Erfolg, stellt die Implantation von Herzunterstützungssystemen neben der Herztransplantation eine letzte Behandlungsoption dar. Da diese Systeme jedoch vor allem der Unterstützung der linken Herzkammer dienen, kommen sie bei Patienten an ihre Grenzen, bei denen beide Kammern stark geschädigt sind. Hier setzt das Kunstherzsystem an, das beide Herzkammern ersetzt.


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