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Stephen Levine: "Augenblick, verweile doch!"

Dieser Augenblick ist nun schon vorbei. Unwiederbringlich. Gegebenenfalls noch kurzfristig als belanglose Blaupause in der Erinnerung vorhanden. Oder in einem Bild festgehalten. Möglicherweise in einer Fotografie des Künstlers Stephen Levine. Das ist es, was den zunächst als gewöhnlich erlebten Augenblick zu etwas Besonderem stilisiert. Die Magie und bewusste Wahrnehmung des Jetzt.

Stephen Levines Bilder zeigen ineinanderfließende Grenzen. Vorstellung und Wahrheit. Schwarz-Weiß oder Farbe. Der fast 80-Jährige wird nicht müde weiterhin aus dem Impuls heraus zu handeln, den er künstlerisch für richtig erachtet. Vielleicht ein Geheimnis seiner konstanten Authentizität.

Dreivierteltakt am Broadway

Als junger Mann studierte der gebürtige New Yorker an der dortigen Musikhochschule Trompete. Zur Fotografie kam er rein zufällig, als er sich aus einer Laune heraus eine einfache Kamera zulegte. Schnell entwickelte der Hobbyfotograf seinen eigenen Stil. Das geschah während der ersten Tournee mit der Musical-Show "Carnival" im Jahre 1962. "Als freiberuflicher Musiker war ich viel in der Welt unterwegs und wollte die unterschiedlichen Eindrücke festhalten", erzählt Levine mit kaum merklich amerikanischen Akzent, "schon damals reizte es mich mehr, Menschen zu fotografieren anstatt Landschaften." Eine gute Entscheidung, wie sich herausstellen sollte. Rund sechs Jahre später zog der erfolgreiche Musiker nach Deutschland, wo er Teil des WDR-Orchesters in Köln wurde. Weitere sechs Jahre später bereicherte er als Solotrompeter das Philharmonische Orchester Triers. Und er blieb der Mosel treu. Allerdings nicht ohne seine Kamera.

Zwölf Uhr mittags

Zehn Jahre lang. Um 12 Uhr. Dasselbe Trierer Café. In Schwarz-Weiß. Es klingt nach einem öden Geflecht aus Analogien. Doch weit gefehlt. Es sind keineswegs Motive, begleitet von Monotonie, sondern eine aufschlussreiche Dokumentation des Zeitgeistes. Von gesellschaftlicher Gleichgültigkeit bis hin zu purer Lebensfreude. Nur ein Projekt von vielen. "Auch liebe ich es, Menschen auf Bänken zu fotografieren. Nicht verstellt, sondern realistisch. Menschen, die in Beziehung zueinander stehen oder sich völlig fremd sind", erklärt Stephen Levine, "die Bank wirkt dann manchmal wie eine kleine Insel." Unabweisbare Momentaufnahmen. Sich darin zu verlieren, ohne verloren zu gehen. Morgen könnte schon alles wieder anders sein.

Das Wesentliche und das Fotogen

Die Filme entwickelt Levine auch heute noch selbst in dem abgedunkelten Keller. Doch hat er auch gelernt, die Möglichkeiten der digitalen Fotografie zu schätzen. Levine scheint ein "Fotogen" zu besitzen. Regelmäßig besucht er seine Tochter in New York, die dort aktuell als Fotografin tätig ist. "Wir gehen dann oft auf sechs- bis siebenstündige Fototouren und essen danach obligatorisch Hummer." Die Kondition stammt nicht von ungefähr. Seinen langen Atem verdankt er den regelmäßigen sportlichen Aktivitäten. Diese erlauben ihm auch, einen Marathon zu laufen. Beste Voraussetzungen für seine Leidenschaft zur Fotografie.  Die Trompete nimmt er mittlerweile nur noch hobbymäßig zur Hand. "Irgendwann spielte der Rücken nicht mehr mit", sagt der Künstler. Somit habe er mehr Zeit, sich dem Wesentliche der Bilder zu widmen. Die Banalität eines alltäglichen Momentes aufbrechen. Levine lächelt, seine Augen strahlen. Und da ist er wieder. Dieser ganz besondere Augenblick.

Info

Stephen Levines Ausstellung "Menschen in New York und Trier" ist bis 5. April im SWR Studio Trier zu sehen. Weitere Infos und "Fotoalben" gibt es hier. RP


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