

Das erste, was auffällt, ist die Ruhe, die das Möbelstück ausstrahlt. Klare Linien, feine Proportionen, warmes Holz. Ein Sekretär, handgefertigt aus Eiche und Wenge, durchdacht bis ins Detail. Wer näher hinschaut, entdeckt die Finesse: bündige Zapfenverbindungen, eine dreidimensionale Intarsienarbeit, deren Eckpunkte genau in die Mitte der Schubkästen weisen, freischwebende Laden in Hängekonstruktion, verdeckte Magnete, die die Schreibklappe schließen.
Mit diesem Stück hat Louis Kirchen aus Klüsserath seine Gesellenprüfung im Schreinerhandwerk nicht nur als Prüfungsbester im praktischen Teil bestanden - er wurde für den Landeswettbewerb "Die Gute Form 2025" nominiert, eine Auszeichnung für herausragende Gestaltung im Möbelbau.
Louis ist 17 Jahre alt und hat seine Ausbildung in der Hetzerather Schreinerei seines Vaters absolviert - ein Zwei-Mann-Betrieb in sechster Generation. CNC-Maschinen gibt es hier bis heute nicht. "Alles ist von Hand gefertigt", sagt der junge Schreinergeselle. Und das ist wörtlich zu nehmen: "Die eckigen Zapfen an den Tischbeinen schafft sowieso keine Maschine." 100 Stunden reine Bauzeit stecken in dem Sekretär. "Ich wollte etwas machen, das auffällt - aber nicht laut, sondern mit Qualität und Präzision", unterstreicht er.
Bevor es ans Holz ging, stand die Entwurfsphase. Louis recherchierte frühere Gesellenstücke, analysierte Trends, skizzierte, verwarf, plante neu. "Ich wollte mein handwerkliches Können unter Beweis stellen", sagt er. Besonders stolz ist er auf die saubere Gehrung am Korpus und die Intarsie in der Mitte. "Da musste alles stimmen - die Fugen, die Ausrichtung, die Symmetrie."
In der Prüfung überzeugte der Schreibtisch durch moderne Formsprache und klassische Technik. Ein Möbel, das sich zurücknimmt und doch auffällt. Ganz so, wie Louis´ Vater es ihm geraten hatte: "Mach etwas Zeitloses. . . "
"Louis überzeugte mit einem Gespür für Design, handwerklicher Präzision und funktionalem Anspruch", heißt es u.a. in der Bewertung des Prüfungsausschusses, und Innungsobermeister Walter Blasius lobte: "All unsere jungen Talente haben gezeigt, was im Handwerk steckt", betonte er bei der traditionellen Präsentation der Gesellensstücke der Schreinerinnung im Wittlicher Rathaus. "Wir freuen uns mit Louis über diese wohlverdiente Nominierung!"
Dass Louis den Werkstoff Holz liebt, merkt man bei jedem Satz. Schon als Kind war er regelmäßig in der Werkstatt dabei, durfte bauen, hobeln, mithelfen. Heute arbeitet er Seite an Seite mit dem Vater. Der ist Schreinermeister - und sichtlich stolz. "98 von 100 Punkten in der Arbeitsprobe - die hatte ich damals nicht", erzählt Hans-Dieter Kirchen schmunzelnd.
Nächster Schritt: Die Meisterschule
Auch wenn sein Sohn neben der Werkstatt ziemlich erfolgreich auf dem Motocross-Bike unterwegs ist - Louis´Leidenschaft gehört dem Holz. "Man sieht, was man geschaffen hat - das ist ein gutes Gefühl", betont er. Nach der Ausbildung ist für ihn noch lange nicht Schluss: Nächstes Jahr will er sich für die Meisterschule anmelden. Die Grundlage dafür hat er mit seinem Gesellenstück längst gelegt. Noch steht der Sekretär im Wohnzimmer der Familie - ein Einzelstück, das mehr ist als ein Möbel. Für Louis Kirchen war er Prüfstein, Visitenkarte und Ausdruck seines handwerklichen Anspruchs. Und vielleicht der erste von vielen. . .



