

Ein Lkw steht in der Einfahrt vor einer Lagerhalle in Wittlich. Männer und Frauen verladen Kisten, Fahrräder und allerlei weitere Dinge. Der Transport ist kein gewöhnlicher: Er bringt dringend benötigte Hilfe zu Menschen, die darauf angewiesen sind. Ziel ist dieses Mal Tukums, eine Stadt mit 16.000 Einwohnern, rund 70 Kilometer westlich der lettischen Hauptstadt Riga.
„Dort leben viele Geflüchtete, besonders aus der Ukraine“, erklärt Katrin Bornmüller (85), die vor mehr als 40 Jahren die Arbeitsgruppe der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) in Wittlich gegründet hat. „Wir wollen vor Ort Hilfe leisten und die Menschen unterstützen“, so Bornmüller weiter, die schon in etliche Krisengebiete und von Armut betroffene Länder gereist ist.
In der Lagerhalle herrscht reges Treiben. Die Packmannschaft, die von Leo Schäfer (86) geleitet wird, ist ein eingespieltes Team. Zwischen den Kartons, die für den Transport vorbereitet werden, fällt ein Plakat ins Auge. Es zeigt Fotos von inhaftierten und ermordeten Journalistinnen und Journalisten aus Belarus.
Sich für die Rechte politisch Verfolgter und Inhaftierter einzusetzen, war von Beginn an zentraler Kern der IGFM-Arbeit, erinnert sich Peter Schmitt (60) aus der Nähe von Bitburg, der vor zwei Jahren zur Gruppe in Wittlich stieß und seither tatkräftig anpackt. Schon mit 16 Jahren engagierte er sich erstmals in der Frankfurter Geschäftsstelle der IGFM-Sektion Deutschland – aus Begeisterung für die polnische Freiheitsbewegung gegen das kommunistische System, die 1980 in Danzig begann. Später arbeitete er im Arbeitskreis DDR, der sich um politische Gefangene und um Mütter kümmerte, die wegen ihres Ausreiseantrags inhaftiert und von ihren Kindern getrennt worden waren.
„Am Anfang waren es einfach nur Menschenrechte. Wir haben uns für Leute eingesetzt, die im Gefängnis waren, verfolgt oder gefoltert wurden“, sagt Schmitt. Doch bald zeigte sich, dass Menschenrechte allein kaum greifen, wenn das Allernötigste fehlt: „Wer zu Hause kein Bett, keine Kleidung oder Grundausstattung hat, den kann man schwer motivieren, sich für Menschenrechte einzusetzen.“
Dieser Gedanke treibt die ehrenamtlichen Helfer ebenso an wie Carmen Jondral-Schuler (64), die den Vorsitz der Gruppe von Katrin Bornmüller übernommen hat und deren Arbeit fortsetzt. Sie ist seit 2012 dabei, und ihre Mutter hatte schon vor 40 Jahren geholfen: „Wir sind davon überzeugt, dass die Lösung humanitärer Probleme entscheidend für die Wahrung der Menschenrechte ist.“
Durch das gemeinsame Engagement kann so der insgesamt 592. Hilfstransport auf die Reise gehen. Möglich ist das nur durch den Einsatz der Ehrenamtlichen und die große Spendenbereitschaft in der Region. Zweimal im Monat werden in Wittlich Spenden angenommen. Dann bildet sich eine Schlange vor der Halle – viele Menschen möchten ihre ausgemusterten Dinge abgeben. Doch den Überblick zu behalten, wird zunehmend schwieriger, berichten Jondral-Schuler und Schmitt.
„Es ist eine logistische Herausforderung.“ Die große Hilfsbereitschaft sei ein Segen, und dennoch wünscht sich Jondral-Schuler manchmal etwas mehr Bewusstsein: „Es wäre schön, wenn die Menschen genauer darauf achten würden, was und wie sie spenden. Das würde unseren Aufwand erheblich verringern.“
Wie dringend die Unterstützung gebraucht wird, zeigt ein Dankesschreiben aus Kupiskis in Litauen, wohin der 590. Transport ging. In der 18.000-Einwohner-Stadt leben inzwischen rund 800 Geflüchtete aus der Ukraine – aufgenommen von Menschen, die selbst nur wenig haben. Die Lieferung aus Wittlich wurde direkt an Krankenhaus, Schulen und Familien verteilt. „Solche Hilfen haben für uns einen unschätzbaren Wert“, schreibt die dortige IGFM-Sektion. Kleidung, Hygieneartikel und Schulmaterialien fanden binnen weniger Stunden Abnehmer.
Mit solchen Hilfstransporten versorgt die IGFM-Arbeitsgruppe Wittlich regelmäßig Geflüchtete in Litauen, Lettland, Kroatien und im Irak – Kiste für Kiste, getragen von Ehrenamtlichen. Wer mithelfen möchte, kann einfach vorbeikommen. Denn bei der Arbeitsgruppe werden immer Hände gebraucht, die anpacken – und Menschen, die sich für andere und für Menschenrechte einsetzen.
➤ Weitere Informationen und Spendenmöglichkeiten unter:
www.igfm.de/sachspenden




