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Pilze selbst gefunden: die Renaissance der Jäger und Sammler

Die Welt der Pilze besteht nicht nur aus Champignons und Shitake / Im Herbst sind die Sammler unterwegs / Kurse für Anfänger

An allen Waldwegen sieht man schon seit Wochen ihre meist geländetauglichen Autos stehen. Achtung: Die Pilzesammler mit dicken Jacken, wasserdichten Schuhen und vor allem: mit dem Sammlerkörbchen sind los. Der Herbst ist da. Was des Sonnenanbeters Leid ist des Pilzesammlers Freud. Denn der Kenner verschmäht in der Regel den vergleichsweise aromafreien Champignon aus der Plastikschale und versorgt sich lieber selbst: mit Steinpilz, flocken- und netzstieligem Hexenröhrling, Reizker, Semmelstoppelpilz, Pfifferling, Krauser Glucke und Co. Wer im Landkreis Bernkastel-Wittlich wohnt, lebt sozusagen im Schlaraffenland: Die kleinen Leckereien wachsen alle vor der Haustür. So abenteuerlich die Namen der duftenden Trophäen vom Waldboden klingen, so abenteuerlich ist auch das Suchen selbst. Jedenfalls, wenn man sich nicht wirklich auskennt. »Manch einer überschätzt seine Artenkenntnis und so kommt es immer wieder zu Verwechslungen ähnlicher Arten, was im schlimmsten Fall zu ernsthaften Vergiftungen führen kann«, warnt Fachmann Klaus Rödder. Der Pilzkenner aus Kradenbach (Vulkaneifelkreis) gibt selbst Kurse, zum Beispiel in Manderscheid über die Volkshochschule. Ohne Hallimasch In einem theoretischen und einem praktischen Teil zeigt er den Neulingen, worauf es ankommt - einschließlich einer herrlichen Pilzpfanne, die man zum Abschluss gemeinsam genießt. Übrigens stets ohne Hallimasch-Exemplare, denn als Kenner weiß Rödder: Die, obwohl schmackhafte Speisepilze, verträgt so mancher gar nicht gut. Selbst beim Steinpilz, der auch den Namen Herrenpilz trägt, heißt es aufpassen. Rödder: «Schon ein kleines Stück seines Doppelgängers, des Gallenröhrlings, lässt ein Pilzgericht extrem bitter schmecken und damit ungenießbar werden.« Zwar ungiftig, aber ärgerlich; die ganze Mühe wäre umsonst, die Pilzpfanne würde in den Müll wandern müssen. »Pilzsammler sollten daher immer nur Arten sammeln, die sie hundertprozentig kennen.« Im Fall des Gallenröhrlings ist ein Missverständnis sehr einfach auszuschließen. Wie, verrät Rödder auf seinen Exkursionen.

Nur Bekanntes sammeln

Da es gerade im Spätsommer und Herbst immer wieder zu Pilzvergiftungen kommt, sollte beim geringsten Zweifel an der Genießbarkeit eines Pilzes entweder auf dessen Verzehr verzichtet oder ein Pilzsachverständiger zu Rate gezogen werden. Wo die zu finden sind, verrät ein Blick auf die Homepage diverser Pilzvereine. Rödder beispielsweise ist organisiert in der Arbeitsgemeinschaft für Pilzkunde Vulkaneifel (APV). Die Mitglieder sind nach den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM) ausgebildete und geprüfte Pilzsachverständige und helfen auf Anfrage Privatpersonen, Ärzten, Kliniken, Kindergärten und allen anderen Ratsuchenden bei der Bestimmung von unbekannten Pilzen. Sie führen also nicht nur durch die Wälder der Heimat, sondern tragen auch aktiv zur Vermeidung von Vergiftungen oder Identifizierung der Arten bei bereits erfolgten Vergiftungen bei. Ob ein Pilzsachverständiger in der Nähe ansässig ist, erfahren Interessenten unter den Adressen www.ag-pilzkunde-vulkaneifel.de und www.dgfm-ev.de. Ansonsten lädt die Arbeitsgemeinschaft an jedem dritten Samstag im Monat zu einer Pilzexkursion-rund ums Jahr. Interessenten können sich über die Homepage melden und erfahren dann, wohin es jeweils geht. Das Pilzesuchen erfährt im Zuge der Rückbesinnung auf die Natur und das Ursprüngliche eine regelrechte Renaissance. Auch Rödder fallen vermehrt Autos an Waldwegen und Grillhütten auf, deren Kennzeichen er nicht kennt: Feinschmecker, die Abwechslung suchen von Champignons, Shiitake und Austernpilzen, die immer gekauft werden können.

Pilze: gesunde Lebensmittel

Die meisten Speisepilze bestehen zu über 90 Prozent aus Wasser, sind also äußerst kalorienarm und enthalten verschiedene Mineralstoffe und Vitamine. Auch Ballaststoffe sind in einigen Pilzen in relevanter Menge enthalten. Pilzfreunde mit empfindlichem Magen sollten jedoch beim Verzehr von größeren Mengen roher Speisepilze aufpassen. Denn Chitin und andere nicht verwertbare Kohlenhydrate machen sie schwer verdaulich. Besser bekömmlich werden die Leckerbissen durch Erhitzen. Sind die Stielenden zäh oder ausgetrocknet, können sie abgeschnitten werden. Am besten schmecken Pilze bissfest. Deshalb gilt: möglichst kurz garen, das schont neben dem Aroma auch hitzeempfindlichen Vitamine. Saftig bleiben die Pilze, wenn Salz erst nach dem Garen hinzugeben wird. Frische Kräuter, beispielsweise glatte Petersilie, passen sehr gut. Dass aufgewärmte Pilze giftig sind, ist eine Weisheit aus längst vergangenen Zeiten ohne Kühlschrank. Werden Pilze richtig zubereitet und gelagert, können sie am nächsten Tag aufgewärmt verzehrt werden - aber bitte nur einmal. Auf eine Mindesttemperatur von 70 Grad Celsius ist unbedingt zu achten, denn Pilzeiweiß ist sehr empfindlich. Gerichte mit rohen Pilzen sollten nicht aufbewahrt werden.  (P.Geisbüsch)

Rödders Buchtipps für Einsteiger

Lüder, Rita: Einfach sicher Pilze sammeln; 10 Euro, ISBN 3835417142 Lüder, Rita: Grundkurs Pilzbestimmung; etwa 25 Euro, ISBN 3494013411 Gminder, Andreas: Handbuch für Pilzsammler; 19,99 Euro, ISBN 3440114724 Gminder, Andreas und Böhning, Tanja: Welcher Pilz ist das?; 9,95 Euro ISBN 3440107973


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