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»Wir gehen die Herausforderungen an«

WochenSpiegel-Interview mit Sparkassenchef Edmund Schermann über die Filialschließungen der Sparkasse Eifel Mosel Hunsrück

Wochenspiegel: Die massive Filialschließung der Sparkasse Mittelmosel sorgt bei vielen Menschen in der Region für Unverständnis. Ist die betriebswirtschaftliche Situation wirklich so angespannt, dass ein solcher »Kahlschlag« durchgeführt werden muss? Immerhin hat die Sparkasse im vergangenen Jahr 24 Millionen Euro Gewinn erwirtschaftet. Edmund Schermann: »Die Wünsche unserer Kunden haben sich sehr stark verändert. Während beim Service das bequeme und schnelle Abwickeln im Vordergrund steht, werden bei den Beratungen sehr hohe Ansprüche gestellt, die wir erfüllen wollen. Die Geschäftsstellen werden von unseren Kunden nur noch sehr wenig aufgesucht, da der Service zumeist online abgewickelt wird. Hierbei stellen wir unseren Kunden die besten Lösungen zur Verfügung, wie das Online-Banking, zum Beispiel auch mit der bequemen Möglichkeit, die Kontoauszüge zu speichern, die Sparkassen-App oder praktische Überweisungen per Foto. Unsere Mediale Geschäftsstelle bietet wochentags von 8 bis 20 Uhr und samstags von 9 bis 12 Uhr freundliche, bequeme und schnelle Möglichkeiten, alle Geldgeschäfte durchzuführen. Wer es ausprobiert, ist davon angetan und nutzt diese persönliche Art immer wieder. Bei sehr wichtigen Beratungen, zum Beispiel in den Bereichen Anlage, Immobilienfinanzierungen oder Absicherungen, erarbeiten wir mit gut ausgebildeten Mitarbeitern für unsere Kunden in persönlichen Gesprächen die passenden Lösungen. Nach allen betriebswirtschaftlichen Kennzahlen zählen wir zu den erfolgreichsten Sparkassen in Rheinland-Pfalz. Auf mittlere Sicht wird es aber so sein, dass die negative Entwicklung auch unsere Sparkasse treffen wird. Stichwörter sind hierbei die Niedrigstzinsen für unsere Kunden und für uns, die zurückgehende Bevölkerung und die Vielzahl an formellen regulatorischen Vorschriften. Das bedeutet, dass die Erträge sinken werden. Wenn es sich nur um eine sogenannte Durststrecke handeln sollte, könnte man dies gut gestalten - ein Ende dieser Entwicklungen ist aber aus unserer Sicht nicht abzusehen. Aus diesen Gründen wollen wir jetzt aus einer Position der Stärke heraus handeln. Mit der Neuausrichtung der Geschäftsstellen wollen wir gleichzeitig die Wünsche unserer Kunden nach Qualität und Bequemlichkeit erfüllen und Kosten senken für Dinge, die unsere Kunden immer weniger nutzen. Einen »Kahlschlag« erkennen wir da nicht - wir investieren in Angebote, die unsere Kunden wünschen und deinvestieren dort, wo es unsere Kunden immer weniger nutzen.« WochenSpiegel: Wie hoch beziffern Sie den Betrag, der durch Ihre neuen Sparmaßnahmen erzielt werden kann? Schermann: »Wir betrachten dabei das gesamte Niveau unserer Kosten. Wo wird investiert (z.B. in Mitarbeiter-Qualifikation, Aufwertung der Beratung in den verbleibenden Geschäftsstellen), wo wird deinvestiert (z.B. bei wenig genutzten Automaten, die gleichzeitig eine enorme Summe an Beträgen für Sprengschutz, Versicherungen und mehr kosten). Es handelt sich nicht ausschließlich um Sparmaßnahmen. Insgesamt streben wir ein Kostenniveau an, auf dem wir vor vier bis fünf Jahren bereits waren. Dies wird dann trotz der angesprochenen sehr negativen Rahmenbedingungen zur Zukunftsfähigkeit der Sparkasse beitragen. Deshalb setzen wir auch keine Salami-Taktik ein, sondern machen einmal den großen Schritt. Wir wissen, dass wir unseren Kunden dabei eine Menge zumuten. Gleichzeitig stellen wir aber auch in den persönlichen Gesprächen mit den Kunden fest, dass es für alle Themen eine Lösung gibt. Wir freuen uns, dass wir bei einer Vielzahl der aktuellen Kontakte hören, dass unsere Kunden darüber froh sind, bei ihren Beratern zu bleiben, da sie mit ihnen sehr zufrieden sind.« WochenSpiegel: Derzeit sind bei der Sparkasse Mittelmosel etwa 550 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Wie viele werden es nach Ihren Planungen im Jahr 2018 sein? Schermann: »Trotz der aktuellen sehr schwierigen Rahmenbedingungen schließen wir derzeit Kündigungen aus. Damit unterscheiden wir uns von einer sehr hohen Anzahl anderer Kreditinstitute, auch aus unserer Region. Dadurch, dass es bei vielen Mitarbeitern bereits jetzt feststeht, dass sie altersbedingt in den Ruhestand gehen werden, werden wir die Anzahl in den nächsten Jahren auf unter 500 reduzieren. Auch das ist keine reine Sparmaßnahme oder ein reines Abbauprogramm, da wir gleichzeitig für unsere Mitarbeiter auch künftig ein sicherer Arbeitgeber sein werden und ein weiterhin interessanter Arbeitgeber für junge Menschen, denen wir auch nach ihrer Ausbildung eine gute Zukunft bieten wollen.« WochenSpiegel: Was passiert mit den rund 60 Mitarbeitern, die in den betroffenen Filialen arbeiten? Wie bekommen Sie die denn nun beschäftigt, wenn Sie sie auf die restlichen Filialen oder die Hauptzentrale in Bernkastel-Kues aufgeteilt werden sollen. Dort sind doch alle Bereiche personell bereits besetzt. Schermann: »Diese Mitarbeiter haben schon jetzt die Gewissheit, wo sie am 1. Februar arbeiten werden. Für alle gibt es einen Einsatz, entweder wie bisher in der Beratung ihrer Kunden am nächsten Standort, im Service einer Geschäftsstelle, in der Medialen Geschäftsstelle oder in anderen Bereichen unseres Hauses.« WochenSpiegel: In großen Ortsgemeinden wurden nicht nur die Filialen gestrichen, es bleibt noch nicht einmal ein Geldautomat übrig. . . Schermann: »Wir orientieren uns am Nutzungsverhalten unserer Kunden. Dabei erkennen wir, dass fast alle Kunden nicht nur an ihrem Wohnort über Automaten verfügen, sondern vielmehr auch dort Geldgeschäfte tätigen, wo sie einkaufen. Unser großes Ziel ist es, niemanden zurück zu lassen - aus diesem Grund haben wir einen Geld-Bringdienst eingeführt. Menschen, die nicht mehr mobil sind, bieten wir an, persönlich zu ihnen zu kommen - wie bisher schon zur Beratung, nun aber auch für Geldgeschäfte. Wir haben in fast jedem der 199 Orte unserer Region Mitarbeiter wohnen, die nicht nur das Gesicht vor Ort unserer Sparkasse sind, sondern auch unsere Kunden vor Ort versorgen können.« WochenSpiegel: Welche Auswirkungen hat die Umstrukturierung auf die Regionalleiter? Teilweise gibt es ja jetzt Regionalleiter, die lediglich noch einer Filiale vorstehen. Schermann: »Wir entwickeln unsere interne Struktur ständig weiter und passen sie an. Mit der verringerten Anzahl der Geschäftsstellen erreichen wir eine noch stärkere Präsenz unserer Führungskräfte, um für unsere Kunden da zu sein.« WochenSpiegel: Sie schließen fast die Hälfte Ihrer Geschäftsstellen, bauen zahlreiche Geld-Automaten ab und reduzieren erheblich die Mitarbeiterzahlen. Da muss die Frage erlaubt sein, ob ein dreiköpfiger Vorstand noch zeitgemäß ist, oder ob an der Spitze nicht auch gespart werden kann/muss? Schermann: «Wie dargestellt, handelt es sich bei der neuen Struktur darum, ein tragfähiges Geschäftsmodell zu bieten. Gespart werden kann immer, auch beim Vorstand. Allerdings - die Herausforderungen der Zukunft und die Anforderungen an die Führung einer Sparkasse in diesen Zeiten sind hier größer geworden und nicht kleiner. Wir fühlen uns hier gut aufgestellt, um unseren Auftrag des Verwaltungsrates umzusetzen.«   Die Fragen stellte Mario Zender; Foto: Mario Zender


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