29. Stiftslesung

Treis-Karden. Die mittlerweile 29. Stiftslesung im historischen Karden war eigens von Londons Meisterdetektiv Sherlock Holmes, zumindestens ideell, mit seinem Besuch beehrt worden. Die nicht nur regional bekannte Krimi-Autorin Anja Balschun aus Koblenz hatte sich bei ihrer Lesung so gewandet, verschmitzt zeigte sie noch eine stilisierte Handschelle als Ohrschmuck. In ihren Eingangsworten schwärmte sie von den Schönheiten der Doppelgemeinde Treis-Karden, von ihrem Wein, von ihrer langen Geschichte, aber auch von den Möglichkeiten, die sie als Schriftstellerin sowohl auf der uralten Wildburg als auch im früheren klosterähnlichen Stiftsbezirk hatte.
Ortsbürgermeister Hans-Josef Bleser und der Initiator der Stiftslesungen in Zusammenarbeit mit der Ortsgemeinde, Jürgen Claßen, hatten schon im Vorfeld bestens mit der Autorin kooperiert, die vor einem großen Publikum eintauchen konnte in ihre mörderischen Phantasien, die sie intelligent, ein wenig bösartig und mit einem großen Wortwitz vor dem begeisterten Publikum ausbreitete.
Eigentlich wollte sie nicht zu brutal in ihre Lesung einsteigen und ließ es langsam angehen. Von wegen! In ihrem einleitenden Fall ging es um eine Leiche in Hessen, die seltsamerweise mit mehreren Einstichen aber ohne Blutaustritt an einem Baum lehnte. Tiefe Traktorspuren ließen auf ein bäuerliches Einwirken schließen. Die ermittelnden Kommissare wurden auch schnell auf dem benachbarten Bauernhof fündig, denn der Bauer war sichtlich verlegen und verwies auf Ursula, die sich als seine buntgescheckte Kuh entpuppte, die den Toten auf ihre Hörner geholt hatte.
Anja Balschun kam schließlich auf ihren eigentlichen Krimi, das "Wilde Treiben auf der Burg”. Gemeint ist die Treiser Wildburg in romantischer Lage, die zum schauerlichen Ort des Verbrechens wurde. Einfach köstlich ihre Sprache, wenn sie von Udo Bohnsack schreibt, der mit einer dampfenden Tasse Tee hinter der Terrassentür stand und mit einem seltsam leeren Blick in den Garten schaute, der zu winterlichem Weiß in Kälte erstarrt war. So war auch der Teich zugefroren und Väterchen Frost hatte mit bitterböser Kälte Einzug gehalten und das Ganze bei dem Klimawandel. Diesmal war seine Weihnacht einsam geworden, zumal auch seine Kinder und die Enkel auf eine Anreise verzichtet hatten. Udo Bohnsack sinnierte vor sich hin und träumte von einem blühenden und gepflegten Garten mit seinen schmackhaften Naturerzeugnissen. Bei allen seinen Träumereien von einem gelungenen und bestens bestellten Frühjahrsgarten überfiel ihn auf einmal eine unnatürliche Wut, die ihn die Fäuste ballen ließ. Sein ganzer Ingrimm richtete sich gegen seine abwesenden Ehefrau. Wo war sie eigentlich? Plötzlich wurde er bei allen winterlichen Tristessen von der Polizei aufgesucht. Es hatte einen Mordfall gegeben, man hatte Betty Bohnsack, die Steuerberaterin mit eigener Kanzlei, erschlagen. Wer waren die oder der Mörder? Der Ehemann vielleicht? Genug der Mutmaßungen.
Ortschef Hans-Josef Bleser und Jürgen Claßen dankten der Autorin nochmals für die herrliche Stiftslesung, aber auch der Touristik-Information mit ihrer Chefin Dorothee Brachtendorf, dem Café Belda für ihre schmackhaften Erzeugnisse und der Buchhandlung Layaa-Laulhe aus Cochem Mit Petra Görtz. Ein gelungener kurzweiliger Abend, das fanden auch die zahlreichen Zuhörer im Kardener Stiftsmuseum.

"Wildes Treiben auf der Burg" ist bei Kontrast Krimi erschienen und ist mit seinen 230 Seiten im Buchhandel für 13,90 Euro zu erwerben.