

Von Mario Zender
Die massive Kritik an der Kreisverwaltung Cochem-Zell durch den Landesrechnungshof wegen unnötiger Ausgaben in sechsstelliger Höhe (wir berichteten) hat für zahlreiche Diskussionen im Kreis geführt. Die Kreisverwaltung Cochem-Zell weist bis heute die Kritik der Landesbehörde an zu hohen Ausgaben zurück. Und schon gibt es, so WochenSpiegel-Recherchen, den nächsten großen Fall, bei dem die Kreisverwaltung Cochem-Zell beziehungsweise ein Eigenbetrieb der Behörde mehrere hunderttausend Euro "verpulvert" hat. Konkret geht es um ein Prestigeprojekt der Cochem-Zeller Behörde, die Nahwärmenetze Cochem-Zell. Geplant und groß angekündigt im Dezember 2018, wurden fünf Nahwärmenetzen und zwar in Alf, Alflen, Blankenrath, Müllenbach und Zell. Heute - dreieinhalb Jahre später - ist die Bilanz ernüchternd, lediglich zwei Planungen für Nahwärmenetzwerke, die eventuell realisiert werden, sind konkret übriggeblieben: Blankenrath und Müllenbach. Dadurch, dass sich die Realisierung der anderen Nahwärmenetzwerke zerschlagen hat, sitzt der Eigenbetrieb "Nahwärmeversorgung Cochem-Zell" nun auf enormen Kosten. So sind für das gescheiterte Nahwärmenetzwerk Zell, so WochenSpiegel-Recherchen, rund 400.000 Euro angefallen. Warum sind die Planungen gescheitert, wollten wir von der Kreisverwaltung wissen? "Im Zuge der Vorbereitung der Ausschreibung der Bauleistungen kam der seitens des beauftragten Ingenieurbüros erstellte Kostenanschlag zu dem Ergebnis, dass die kalkulierten Investitionskosten und somit auch die in den Wärmelieferverträgen vereinbarten Gebührensätze, aufgrund der in Folge der Corona-Pandemie stattgefundenen dynamischen Kostenentwicklung, nicht mehr gehalten werden können." Zwar hat die Kreisverwaltung beziehungsweise die Verantwortlichen des "Eigenbetriebs Nahwärmeversorgung" noch versucht, Nachverhandlungen mit den zukünftigen Nutzern zu führen, doch auch diese scheiterten. Dazu teilt die Kreisverwaltung Cochem-Zell auf Anfrage mit: "Die auf Basis erhöhter Gebührensätze durchgeführten Nachverhandlungen mit den Anschlussnehmern scheiterten letztlich im März 2022. Konkret akzeptierten rund 72 Prozent der Anschlussnehmer die Gebührenerhöhung in Höhe von monatlich rund 50 Euro pro Anschlussnehmer. Diese Quote war zu gering, um eine wirtschaftliche Projektumsetzung zu ermöglichen." Der Eigenbetrieb "Nahwärmeversorgung" muss diese Kosten nun, so bestätigt es die Kreisverwaltung, abschreiben. Ganz verloren sehen die Verantwortlichen die Planungskosten offenbar aber noch nicht. "Sofern das Projekt nicht nochmals zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgegriffen wird", teilte die Kreisverwaltung dem WochenSpiegel auf Anfrage mit.
Das sagt die Kreisverwaltung Cochem-Zell zu unseren Fragen:
WochenSpiegel: Von fünf geplanten Nahwärmenetze sollen lediglich zwei noch realisiert werden? Warum werden/wurden die drei anderen geplanten Nahwärmenetzwerke nicht realisiert?
Für die Umsetzung der Nahwärmenetze wurde seitens des beauftragten Ingenieurbüros ein Zielszenario, getrennt für jedes Netz, als Basis für eine wirtschaftliche Projektumsetzung ermittelt. Wesentliches Kriterium dabei war das Erreichen einer ausreichenden Anschlussdichte, das heißt, eine möglichst hohe Wärmeabnahme pro Trassenmeter. Auf Basis dieses Zielszenarios erfolgten die Gebührenkalkulation und die Kundenakquise über den Abschluss von Vorverträgen und im zweiten Schritt Wärmelieferverträgen. In zwei Projekten konnte die für eine erforderliche wirtschaftliche Umsetzung erforderliche Anschlussdichte leider nicht erreicht werden. Im Projekt Zell-Barl wurde die notwendige Anschlussdichte erreicht, d. h., die Kundenakquise war erfolgreich. Demzufolge wurden die Planungsleistungen ausgeschrieben und vergeben. Im Zuge der Vorbereitung der Ausschreibung der Bauleistungen kam dann der seitens der beauftragten Ingenieurbüros erstellte Kostenanschlag zu dem Ergebnis, dass die kalkulierten Investitionskosten und somit auch die in den Wärmelieferverträgen vereinbarten Gebührensätze aufgrund der in Folge der Corona-Pandemie stattgefundenen dynamischen Kostenentwicklung (u. a. Explosion Stahlpreise, Steigerung Transport- und Tiefbaukosten, Materialengpässe) nicht mehr gehalten werden können. Die auf Basis erhöhter Gebührensätze durchgeführten Nachverhandlungen mit den Anschlussnehmern scheiterten letztlich im März 2022. Konkret akzeptierten rd. 72% der Anschlussnehmer die Gebührenerhöhung in Höhe von monatlich rd. 50 € pro Anschlussnehmer. Diese Quote war zu gering, um eine wirtschaftliche Projektumsetzung zu ermöglichen.
WochenSpiegel: Wie ist der Planungsstand der beiden noch avisierten Nahwärmenetze in Blankenrath und Müllenbach?
Müllenbach Das Projekt befindet sich in der Planungsphase. Konkret wurde die Vorplanung für das Heizwerk erstellt und die Entwurfsplanung für das Nahwärmenetz, inkl. Hausbegehungen, abgeschlossen. Auf Basis des neuen Bundeförderprogramms (BEW), das am 15.09.2022 in Kraft tritt, werden dann im Laufe des IV. Quartals 2022 die voraussichtlichen Investitions-, Betriebs- und Verbrauchskosten neu kalkuliert und der Förderantrag für den Bau des Netzes vorbereitet. Die neu kalkulierten Kosten bieten auch die Grundlage für Nachverhandlungen mit den Anschlussnehmern. Bei erfolgreichem Abschluss der Nachverhandlungen können im nächsten Jahr die Planung fortgesetzt, der Bauantrag gestellt und die Bauausschreibung vorbereitet werden. Blankenrath Es wurde noch kein Planungsauftrag vergeben. Im Projekt Blankenrath müssen darüber hinaus noch die Voraussetzungen für eine Antragstellung im BEW geschaffen werden. Um die hierzu erforderliche Machbarkeitsstudie erstellen zu können, wurde seitens der Ortsgemeinde Blankenrath im Juli 2022 ein entsprechender Förderantrag gestellt. Die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie sollen dann als Basis für die Neukalkulation der Kosten, die Nachverhandlungen mit den Anschlussnehmern und im nächsten Schritt für die Ausschreibung der Planungsleistungen in nächsten Jahr dienen.
WochenSpiegel: Wie sicher ist es, dass diese beiden Nahwärmenetze nun auch tatsächlich realisiert werden?
Die Umsetzung hängt vom Ergebnis der noch ausstehenden Nachverhandlungen mit den Anschlussnehmern ab. Eine im Juni 2022 durchgeführte Vergleichsberechnung mit dezentralen Alternativen (z. B. Wärmepumpen, Pelletheizungen) kam zu dem Ergebnis, dass die Nahwärme auch im Falle einer Gebührenerhöhung im Vergleich immer noch wirtschaftlicher abschneidet. Die Nahwärme ist daher für den Kunden in der Regel nach wie vor noch attraktiv, zumal der Preis für Holzhackschnitzel bisher noch relativ konstant geblieben ist, während die Brennstoffpreise für Pellets, Heizöl oder Erdgas sprunghaft angestiegen sind. Darüber hinaus bietet die Nahwärme eine gewisse Gebührenstabilität, sodass der Kunde seine Energiekosten für die Wärmeerzeugung langfristig besser kalkulieren kann. Positiv ist auch, dass nun endlich mit Wirkung vom 15.09.2022 eine neue Förderkulisse geschaffen wurde. Während die alte Förderung über die KfW ein starres System beinhaltete, gibt es nun eine investitionskostenabhängige Förderung mit einer attraktiven Förderquote von 40%. Somit können Mehrkosten besser kompensiert werden.
WochenSpiegel: Die Kalkulation der Anschlussteilnehmer in Müllenbach (inklusive Neubaugebiet) lag demnach bei 150 Anschlüssen und in Blankenrath bei 183 Anschlüssen. Ist davon auszugehen das diese Anschlüsse auch realisiert werden bzw. gibt es bereits darüber Verträge?
Die Anschlüsse in Müllenbach und Blankenrath waren über Wärmelieferverträge gesichert. Allerdings haben die im Zuge des Ukrainekonflikts nochmals an Dynamik gewonnen Entwicklung der Baupreise und die verzögerte Genehmigung des neuen Bundesförderprogramms durch die EU-Kommission dazu geführt, dass die Vertragsbedingungen nicht mehr erfüllt werden können. Es wird daher, wie bereits dargestellt, Nachverhandlungen geben. Dabei haben auch Neukunden die Möglichkeit, noch am Projekt teilzunehmen, sodass die Teilnehmerzahl ggfs. noch steigt.
WochenSpiegel: Von den ehemals fünf geplanten Nahwärmenetzen sind nun drei nicht mehr "im Rennen". Wie hoch sind die Gesamtkosten die durch Planung, Personaleinsatz usw. im Zusammenhang mit den nicht realisierten drei Nahwärmenetzen entstanden sind?
Die Nahwärmekonzepte wurden aus dem Projekt "Cochem-Zeller Energiedorf" entwickelt. So wurde auch die Kundenakquise über das sog. KfW-Förderprogramm "Sanierungsmanagement" finanziert. Die KfW-Förderung betrug 65 Prozent und wurde vom Land um 20 -30 Prozent aufgestockt. Der verbliebene Eigenanteil wurde von den beteiligten Kommunen übernommen und der Verein "unser-klima-cochem-zell e. V." mit der Umsetzung (Projektenwicklung) beauftragt. Das Gesamtvolumen betrug rd. 375.000 Euro. Erst nach erfolgreicher Kundenakquise und positiver Wirtschaftlichkeitsberechnung wurden die Kreiswerke beauftragt, die verbliebenen drei Nahwärmenetze zu planen, zu bauen und zu betreiben. Insofern sind bisher nur für das Projekt in Zell-Barl Planungskosten entstanden, die, sofern das Projekt nicht nochmals zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgegriffen wird, vom Eigenbetrieb Nahwärmeversorgung abgeschrieben werden müssen. Der genaue Aufwand wird sich aus der Bilanz ergeben.
WochenSpiegel: Wer trägt diese Kosten?
Siehe Frage 5.
WochenSpiegel: Wie hoch sind die Kosten bislang, die auf das nicht realisierte Nahwärmenetzwerk Zell entfallen?
Planungskosten des Projekts in Zell-Barl belaufen sich auf rund 400.000 Euro.
(Die Fragen stellte Mario Zender)