

»Ich bin quasi auf der Rennstrecke aufgewachsen«, blickt Claire Schönborn aus Löffelscheid auf ihre noch junge Motorsport-Karriere zurück. »Meine Eltern sind früher Bergrennen gefahren. Meine ersten ‚Gehversuche‘ hinter dem Steuer habe ich dann mit sechs Jahren gemacht. Damals haben mir meine Eltern ein Kart geschenkt«, erinnert sich die heute 26-jährige. Mit 16 ist sie richtig durchgestartet, zunächst beim Kart-Slalom. Ihren Eltern hat sie als Mechanikerin bei deren Rennen geholfen. »Die Technik hat mich schon immer fasziniert«, sagt Claire.
Mit 22 Jahren ist sie dann erstmals selbst bei einem Bergrennen gestartet. Im Team hat sie sich mit ihrem Vater eine Saison abgewechselt. Von ihrer Familie gibt es volle Rückendeckung – immerhin teilt man eine Leidenschaft für Motorsport. Große Unterstützung erfährt sie zudem durch den Hunsrück-Auto-Club (HAC) Simmern e.V., dem auch Rallye-Fahrer angehören. So nutzt sie ihre Freizeit vor allem, ihre Fertigkeiten zu verbessern und konnte immer wieder bei Rennen Erfolge feiern. Bei den FIA Motorsport Games in Frankreich gewann Claire 2022 für das Team Germany die Goldmedaille im Auto-Slalom. Als erste weibliche und jüngste Fahrerin konnte sie 2024 den KW Berg Cup für sich entscheiden. Im selben Jahr feierte sie ihr Rallyedebüt. »Die Rallye ist für mich die Königsdisziplin. Da wollte ich immer hin«, sagt Claire. Dies ist nicht einfach (auch finanziell), wenn sie an Rennen neben dem Berufsleben teilnimmt. Für einen Rallye-Lauf braucht man nicht nur Fertigkeiten sondern auch Zeit. »Für eine Rallye muss man eine Woche einplanen«, berichtet sie.
Umso größer war die Freude, als Opel Motorsport sie 2024 für eine Rallye in Deutschland einlud. »Das hat erstaunlich gut funktioniert«, sagt Claire, die in ihrer Klasse den 6. Platz belegte. Wenig später stand sie als Gewinnerin des weltweiten Förderprogrammes »Beyond Rally Women‘s Driver Development Programmes« fest und konnte als offizielle Fahrerin des WRC (World Rallye Championship) Young Driver Teams an der Junior-WM 2025 teilnehmen. »Es ist das erste Mal, das gezielt eine Frau gefördert wurde. Fahrerinnen sind noch selten«, erklärt Claire. Insgesamt 15 internationale Fahrerinnen hatten die Chance auf die Förderung. »Wir mussten uns auf verschiedenen Strecken und mit unseren mechanischen Fertigkeiten beweisen. Auch ein Fitnesstest gehörte dazu.« Ihre Debütsaison schloss sie auf dem siebten Platz von 14 gewerteten Nachwuchsteams ab.
Ein Rallye-Lauf ist zeitintensiv. Dass die Zweier-Teams (Fahrer / Beifahrer) dabei bis zu 1 400 Kilometer zurücklegen, ist keine Seltenheit. Besonders der Beifahrer ist – neben dem Coach – wichtig. Ihr Beifahrer Michael Wenzel sagt Claire an, welche Terrainwechsel, Sprünge, Kurven oder Hindernisse (beispielsweise Flüsse) als nächstes anstehen auf der Rallye-Strecke. Ein Tripmeter hilft dem Beifahrer die Abstände auf der Strecke richtig einzuschätzen.
So wird in den ersten Tagen zunächst die Strecke abgefahren und erkundet – natürlich deutlich langsamer als später im Lauf. »Dabei erstellen wir ein Aufschrieb mit Notizen (Shorthand) über den Streckenverlauf. Wir schauen, wo und wie Kurven oder Hindernisse später bei hoher Geschwindigkeit gemeistert werden können. Wo muss man abbremsen, wo beschleunigen? Wie ist der Kurvenradius? Und ähnliches.« Dies ist wichtig, um schnell zu reagieren, auch bei schlechten Sichtverhältnissen. Denn es wird immer auf Zeit gefahren. Die eigentlichen Läufe finden dann an vier Tagen statt.
Wenn die Hunsrückerin keine Rallye fährt, arbeitet sie als Systemingenieurin beim Automobilzulieferer ZF (Koblenz). Dabei ist sie im Rahmen von Fahrversuchen für Prototypen auf Teststrecken weltweit im Einsatz. Zudem ist sie Instruktorin für die Nürburgring Driving Academy und arbeitet auch als selbstständige Renningenieurin auf Strecken, um sich ihren Motorsport zu finanzieren. »Mein Wunsch ist, irgendwann Geld zu verdienen als Profi-Motorsportlerin«, sagt Claire Schönborn. »Hierfür war dieses Jahr ein guter und wichtiger Schritt.«



