Katja Thönnes

»Wir haben nichts mehr zu verlieren«

Andrea und Thomas Zirwes stehen vor den Scherben ihrer Existenz. Von ihrem ehemaligen Gastronomiebetrieb ist den Zellern kaum etwas geblieben, außer Schulden. Als sie im Sommer glaubten, es könne nicht schlimmer kommen, bot ein Geschäftsmann ihnen Hilfe an. Die Eheleute schöpften Hoffnung, glaubten daran, durch ein Angebot die drohende Zwangsversteigerung abwenden zu können. Rückblickend sagen sie: »Das war die Hölle.«

Was früher zum Alltag zählte, wird inzwischen zum Spießrutenlauf: Andrea Zirwes traut sich in Zell kaum noch auf die Straße. Die 47-Jährige weiß nicht, was über sie und ihren Mann in der Moselstadt erzählt wird, wie viele Gerüchte den Umlauf gemacht haben. Sie weiß nur: »Wir haben nichts mehr zu verlieren.«Seit Jahrzehnten ist das Zeller »Hotel zur Post« in Familienbesitz. Thomas Zirwes übernahm es Anfang der 90er Jahre gemeinsam mit seiner Mutter. Gerne erinnert sich der gelernte Koch an die Anfangsjahre zurück, als nicht nur Touristen, sondern auch Einheimische das Restaurant gerne ansteuerten. Doch die »goldene Zeit« war irgendwann vorbei. Hinzu kamen Streitigkeiten in der Familie. Der Betrieb stand vor dem Aus. Der Gastronom meldete Insolvenz an. Freiwillig, sagt er, »bevor es einen Knall gibt«. Die Küche im Restaurant blieb fortan kalt, die Hotelzimmer leer. Das schmerzte. Auch weil sich die Wohnung des Ehepaares im Obergeschoss des gleichen Hauses befand.  Täglich wurde ihnen die Ausweglosigkeit vor Augen geführt. Nach jahrelanger Arbeit standen Andrea und Thomas Zirwes vor dem Nichts. »Die Gäste wurden abgefertigt« Im Juni schöpften sie neue Hoffnung. Ein Geschäftsmann unterbreitete ihnen ein verlockendes Angebot. »Er wollte den Betrieb übernehmen«, berichten sie. Gleichzeitig sei ihnen versprochen worden, im Hotel arbeiten und in der Wohnung bleiben zu können. Offenbar um der Ernsthaftigkeit seines Angebots Nachdruck zu verleihen, habe er 500 Euro in bar auf den Tisch gelegt. »Das war viel Geld«, sagt Thomas Zirwes. Geld, das die Eheleute zu dieser Zeit gut gebrauchen konnten. Sie willigten in einen so genannten Überlassungsvertrag ein. Dieser beinhaltete, dass statt einer Miete 910 Euro monatlich an die Bank gezahlt werden sollten, um Zinsen für einen Darlehensvertrag zu tilgen. Zum 1. August sollte der Vertrag für die drei folgenden Monate in Kraft treten. Es war der Strohhalm, nach dem die Gastronomen griffen. »Wer lässt sich solch eine Chance entgehen?«, fragt Andrea Zirwes. Damals habe sie keinerlei Zweifel daran gehabt, dass es nun wieder aufwärts gehe. Heute weiß sie, dass es ein Irrglaube war.Schon wenige Tage nach Vertragsabschluss erreicht der erste Bus das »Hotel zur Post«. Die Zimmer sind ausgebucht, wochenlang. Dennoch kommen dem Ehepaar Zweifel: »Hier stimmt was nicht«, dachten sie. Ihre Vermutung: Hinter den Arrangements verstecken sich auch dubiose Verkaufsveranstaltungen. »Die Gäste wurden abgefertigt«, berichtet Thomas Zirwes. »Jeden Tag gab es nur noch ein Gericht: Kassler mit Sauerkraut und Püree.« Einigen Reiseteilnehmern seien im Gastraum Reisen angepriesen worden.  Das Ehepaar Zirwes ist mit dieser Vorgehensweise nicht einverstanden. Sie fürchten um den guten Ruf des Hauses. Immer häufiger kommt es zu Streitereien mit dem neuen Betreiber. Auch eine ehemalige Angestellte berichtet: »Da wurde nicht mit- sondern gegeneinander gearbeitet.« Für ihren damaligen Arbeitgeber findet sie wenig nette Worte: »Das war kein Chef, das war eine Zumutung.« Der Streit eskaliert Mitte September eskaliert der Streit im Hotel. Die Polizei muss anrücken. Seitdem beschuldigen sich die Kontrahenten gegenseitig. Der Geschäftsmann behauptet, Thomas Zirwes sei mit dem Messer auf ihn losgegangen. Zirwes sagt, er sei geschubst und geschlagen worden. Dem Ehepaar wird daraufhin das Verbot ausgesprochen, die Hotel- und Restauranträume zu betreten. Allein in ihrer Wohnung im Obergeschoss dürfen sie sich noch aufhalten. »Wir hatten große Angst«, sagt Andrea Zirwes.  Das Vertrauen in den Geschäftspartner ist erschüttert. Das Ehepaar fürchtet weitere Streitigkeiten.  Außerdem funktioniert offenbar der Festnetz-Anschluss nicht mehr. Die beiden Moselaner vermuten dahinter Willkür des neuen Betreibers. Freunde fangen an, sich zu sorgen. Das Ehepaar ist nicht mehr erreichbar. Kaum jemand trifft sie auf der Straße an.Am 20. Oktober, wenige Tage vor dem vereinbarten Zeitpunkt, rückt der Geschäftsmann ab und hinterlässt den Schlüssel beim Anwalt der Familie Zirwes. Erst nach einer Weile trauen sich die Beiden wieder ins Untergeschoss. Und dort habe sie »der Schlag getroffen«. Als Andrea und Thomas Zirwes das erste Mal nach ihrer »Verbannung« in die Privaträume wieder ihr Restaurant betreten, hätten sie eine verdreckte Küche vorgefunden, schmuddelige Tischdecken und verschmierte Waschbecken. Sie haben  hierfür schnell einen Schuldigen gefunden. Der Geschäftsmann, so lautet der Vorwurf, habe das Weite gesucht, als es nichts mehr zu verdienen gab. »Dummes Blablabla« Vieles von dem, was das Ehepaar schildert, bezeichnet der Geschäftsmann als »dummes Blablabla«. Angefangen vom Zustand des Hotels, nachdem seine Crew die Räume verlassen habe. »Wir haben zwei Tage geschrubbt und alles auf Vordermann gebracht«, sagt er. In der Küche, betont der Moselaner, habe man anschließend vom Boden essen können.    Tatsächlich ist die Küche nicht in dem »Top-Zustand«, den die Crew hinterlassen haben will. In Töpfen und verschiedenen Geräten sind Essensrückstände zu finden. Boden und Kücheneinrichtung sind mit Fettrückständen verklebt. Auch der Gastraum wirkt wenig einladend. Über den verschmutzten Tischdecken sind Papierläufer zu finden. Die Schuld für den jetzigen Zustand von Küche und Restaurant schieben sich nun die beiden Parteien gegenseitig in die Schuhe. Doch die unterschiedlichen Schilderungen gehen weit über den Küchenzustand hinaus. So spricht der Geschäftsmann von Schweinebraten und Geschnetzeltem, alles »Top-Ware«, die für das »Hotel Zur Post« gekauft wurden. In den knapp drei Monaten habe es »mehr Lobesbriefe« gegeben als vorher.Ebenso schwärmt er für seine Angestellten, »Mitarbeiter aus gutem Hause«, wie er sie nennt. Vor allem für sie würde ihm der Ausgang der gescheiterten Zusammenarbeit leidtun. Schließlich sei durch das Verhalten des Ehepaares Zirwes auch der geplante Hotelkauf geplatzt. Ein potentieller Käufer sei abgesprungen. »Ein exklusives Ausflugprogramm« Selbst den Vorwurf, dass das »Hotel Zur Post« für angeblich dubiose Verkaufsveranstaltungen genutzt worden sein soll, weist er weit von sich. Zwar habe es bei einem Mittagessen des Öfteren einen Vortrag über Reisen gegeben und auch Buchungsbelege seien ausgelegt worden. Jedoch handele es sich dabei um eine »seriöse Angelegenheit«. Schließlich habe er dadurch eine gute Auslastung des Hotels erreicht. Auch die Zusammenarbeit mit mehreren Geschäftspartnern habe dazu beigetragen: Ein Busunternehmen aus Niedersachsen hatte beispielsweise eine dreitägige Mosel-Tour für 149 Euro angeboten. Drei Übernachtungen in »guten Mittelklasse-Hotels« samt Frühstücksbuffet wurden dabei angepriesen. »Ein exklusives Ausflugprogramm« sei »vor Ort buchbar« hieß es in der Ausschreibung. Ein Teil der Gäste, die diese Mosel-Tour buchte, übernachtete im »Hotel Zur Post«. Die Vorgänge in den vergangenen drei Monaten geben Außenstehenden viele Rätsel auf. Sicher scheint: Die glücklose Zusammenarbeit wird ein juristisches Nachspiel haben. Beide Parteien haben ihre Anwälte eingeschaltet. Sicher scheint auch: Familie Zirwes nimmt dabei die vermeintlich schwächere Position ein. Denn in diesem Punkt stimmt ihnen sogar der ehemalige Geschäftspartner zu: »Die Leute stehen unter finanziellem Druck.«


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