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Andrea Fischer

Apotheker protestieren: »Uns reicht‘s«

Apotheker:innen aus Eifel, Mosel und Hunsrück proben im Rahmen der bundesweiten Protestaktion für eine bessere Apothekenhonorierung den Aufstand.

Die Apothekerschaft bereitet sich gerade auf einen bundesweiten Protesttag am Mittwoch, 14. Juni vor. Auch regional stimmen sich derzeit viele Apotheken ab, wer sich wie am Protest beteiligt. Laut Lutz Küchler, Geschäftsführer des Invida Apothekenverbunds, werden sich die Mitglieder in der regionalen Gruppe Trier mit hoher Anzahl am Protesttag beteiligen. Bislang seien es rund 40 Apotheken, die sicher geschlossen haben werden.

Rechtzeitig Medikamente besorgen

Auch Dr. rer. nat. Michael Bur E.K von der Hirsch-Apotheke in Hermeskeil wird sich am bundesweiten Streik beteiligen und rät allen Kundinnen und Kunden sich rechtzeitig vor dem 14. Juni mit lebensnotwendigen Medikamenten zu versorgen, denn nur sein Kollege von der Donatus-Apotheke wird an diesem Tag – im Rahmen des gesetzlich vorgesehenen Apothekennotdienstes - alleine in seiner Apotheke vor Ort sein.

»Vielleicht werden die Leute Schlange stehen müssen, was auch eventuell zu Unmut führen wird, aber so ein Streik muss leider wehtun«, erläutert Küchler zum Streiktag. Dr. Bur ist aus Überzeugung beim Streik dabei, den er nicht nur aus seiner Sicht als Apotheker für notwendig erachtet, sondern auch zugunsten seines Patientenstammes, erklärt er im Gespräch mit dem WochenSpiegel. »In der Pandemie waren wir Apotheken systemrelevant! Wir haben Masken ausgeteilt, Impfzertifikate ausgestellt, Hygienemittel hergestellt und herbeigeschafft. Und nun muss wieder gespart werden, aber warum bei den Apotheken?«, kritisiert Bur die weitere Honorarkürzung seit 1. Februar 2023.

Derzeit gibt es - laut Auskunft der Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz (LAK) - noch 879 Vor-Ort-Apotheken in unserem Bundesland (Stand bis 31.03.2023). „Der Rückgang der Vor-Ort-Apotheken schreitet seit Jahren unaufhaltsam voran. Am 31. Dezember 2022 gab es bundesweit noch 18.070 Apotheken.

Eigentlich ein schöner Job, aber…

Unter dem Strich verschwanden 391 Betriebsstätten im Jahr 2022! In Rheinland-Pfalz schlossen im gesamten Jahr (1.1.-31.12.2022) 28 Vor-Ort-Apotheken; es gab nur sechs Neueröffnungen.

Im europäischen Vergleich liegt Deutschland bezüglich ‚Apothekendichte‘ abgeschlagen im unteren Drittel“, erklärt Stefan Friebis, Pressesprecher der LAK RLP. »Apotheker sind eigentlich beliebte Arbeitgeber«, konstatiert Apotheker Bur. Seine derzeit 12 Festangestellten – davon acht pharmazeutische Kräfte – können sich frei zwischen einer vier- oder fünf-Tage-Woche entscheiden. Um seine Öffnungszeiten von 56,5 Stunden pro Woche und derzeit fast 50 Notdienste pro Jahr für sein Einzugsgebiet mit rund 20.000 Einwohnern leisten zu können, bedarf es in seinem Betrieb zweier approbierter Apotheker. Das heißt in seinem Fall – wie bei den meisten Apotheken in der Region – Inhaber machen die Notdienste, um bei den inflationsbedingten Kosten wenigstens ein bisschen sparen zu können. Zudem ist auch er vom Fachkräftemangel betroffen. Dazu LAK-Pressesprecher Friebis: »Den Schritt in die Selbstständigkeit wagen aktuell nur noch sehr wenige Hochschulabsolventen. Die meisten entscheiden sich nach ihrem Abschluss für einen Arbeitsplatz in der Pharma-Industrie.

Auch bei den nicht approbierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (Pharmazeutisch-technische(r) Assistent(in) sowie Pharmazeutisch-kaufmännische(r) Angestellte(r)) sieht es ähnlich aus. Die Gründe hierfür sind das bessere Gehalt sowie auch die flexibleren Arbeitszeitmodelle (Homeoffice etc.) in der pharmazeutischen Industrie.«

Lieferengpässe machen das Leben schwer

Obwohl Apotheker Bur sehr gut vernetzt ist – u.a. von zwei Großhändlern (einer aus dem Saarland, einer aus Koblenz) seine Ware bezieht – brauchen er und sein Team derzeit viel zu viel Zeit, um Ware zu organisieren. Das nervt sein Team und ihn sowie natürlich auch seine Kundschaft, wenn gängige Medikamente wie Fiebersäfte für Kinder oder gewisse Antibiotika, Zytostatika (für die Krebstherapie), Schmerzmittel etc. nicht lieferbar sind. Und das mitten in Deutschland! Dazu erklärt die LAK RLP: »Um den Druck bei den bestehenden Lieferengpässen abzuschwächen, hat das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung Rheinland-Pfalz unter Mitwirkung der Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz am 4. Mai die Einfuhr-Regeln bei antibiotikahaltigen Säften gelockert. Möglich wurde dies, weil das Bundesgesundheitsministerium einen Versorgungsmangel für diese Arzneimittel festgestellt hatte.« Das heißt im praktischen Alltag: »Ab sofort dürfen Apothekerinnen und Apotheker in Rheinland-Pfalz bestimmte Regeln des strengen Arzneimittelgesetzes befristet umgehen (diese Regelung gilt längstens bis zum 31.10.2023!).

So können Medikamente, wie beispielsweise antibiotikahaltige Säfte, ausgegeben werden, die nicht für den deutschen Markt bestimmt sind. Diese Arzneimittel haben beispielsweise keine deutschsprachigen Verpackungen oder verfügen nur über eine ältere Packungsbeilage, die noch nicht die neuesten Informationen zum Medikament enthält.«, erläutert Stefan Friebis für die LAK RLP. »Allerdings bleibt abzuwarten, ob hiermit die bestehenden Engpässe gelöst werden können. Denn auch im europäischen Ausland sind diese Medikamente knapp und finden daher nur vereinzelt oder gar nicht den Weg in deutsche Apotheken«, betont Thomas Christmann als Vizepräsident der Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz.

Was muss getan werden? Gibt es ein Patentrezept?

Dazu haben wir auch beim Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit nachgefragt. "Wegen der Komplexität der Ursachen von Lieferengpässen und abgebrochenen Lieferketten bei Arzneimitteln kann es kein Patentrezept zur Lösung geben. Die Landesregierung unterstützt das Bundesgesundheitsministerium bei dem gerade im parlamentarischen Verfahren befindlichen Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen, um die Probleme mittelfristig zu lösen. Kurzfristig können sowohl Krankenhaus- als auch öffentliche Apotheken durch Eigenherstellung die Lieferprobleme bei versorgungskritischen Arzneimitteln bekämpfen.", lautet die Rückmeldung von Pressesprecherin Susanne Gellweiler. "Ein Patentrezept gibt es nicht.", so auch die Experten der LAK. Dennoch hält es die Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz als dringend geboten, "die Arzneimittelproduktion nach Europa zurückzuführen. Deutschland war einst die ‚Apotheke der Welt' und führend in der Pharmaproduktion. Heute ist Deutschland sowie auch die meisten anderen Länder der westlichen Welt von der Arzneimittel-Produktion und den Importen aus den Drittstaaten China und Indien abhängig. Die Corona-Pandemie hat es bereits uns allen vor Augen geführt, wie problematisch es mit der medizinischen Versorgung werden kann, wenn die Lage aus politischen, pandemischen oder produktionstechnischen Gründen einmal schwierig wird!" Dem stimmt auch Apotheker Bur zu und erinnert auch nochmals an den ganzen Regelwirrwarr, der einzig und alleine den Finanzen der gesetzlichen Krankenkassen diene: "Im Vordergrund steht das Finanzielle und nicht das Patientenwohl.", bemängelt er. Auch deshalb ist es Apotheker Bur wichtig, am 14. Juni Flagge zu zeigen. Apotheken haben schließlich eine lange Tradition - geht doch die erstmals im Jahre 1241 urkundlich erwähnte "apoteca" (aus einem Edikt des Stauferkaisers Friedrich II.) auf eine Gründung in Trier zurück…

Das sagen weitere Apothekerinnen und Apotheker aus der Region zum Thema:

Carmen Sihr, Burg-Apotheke in Saarburg: "Momentan ist meine Apotheke nicht vom Apothekensterben betroffen, da ich mich noch nicht im Rentenalter befinde. Bei einer Übergabe könnte es durchaus sein, dass ich keinen Nachfolger finde, da die Weiterführung der Apotheke unter den bestehenden politischen Rahmenbedingungen uninteressant ist", erklärt Apothekerin Sihr ihre Situation. Sie wünscht sich "deutlich weniger Bürokratie, das Auslassen der Retaxationen, eine deutlich bessere Honorierung der Apotheken, um das Personal besser entlohnen und mit der Inflation mithalten zu können. Auch eine Entlastung hinsichtlich der Notdienstsituation (Red. Sihr muss ca. drei Tage im Monat anbieten) wäre wichtig.

Michael Bastgen, Bacchus-Apotheke in Leiwen: "Aktuell können wir uns noch über Wasser halten. Ob wir die nächste Gehaltserhöhung für das Personal (die für die Angestellten überlebenswichtig ist) verkraften und zahlen können, ist jedoch fraglich. Der seit Jahren verweigerte Inflationsausgleich bei gleichzeitig immens gestiegenen Kosten und Kürzungen der Vergütung ist für viele Apotheken nicht mehr tragbar", so Bastgen. "Alle Arbeiten, die ich selbst erledigen kann, selbst erledigen, zusätzliches Personal ist nicht bezahlbar und alle unnötigen Ausgaben (zum Beispiel selbst Urlaub machen) vermeiden", erklärt er seine Überlebensstrategie.

Matthias Heinz, Apotheke am Teichplatz in Prüm: "Uns als attraktiver Arbeitgeber etablieren, damit auch weiterhin junge Menschen den Beruf der/des PKA, PTA oder Apothekers ergreifen, ist uns wichtig. Wir bieten daher auch viele Praktika an und haben in unseren Apotheken in Prüm und Waxweiler aktuell auch zwei Auszubildende, was eher die Ausnahme darstellt. Für unsere Kunden versuchen wir über Serviceleistungen und natürlich die persönliche Beratung gegenüber den Online-Apotheken zu punkten, die überhaupt keine vernünftige Beratung leisten und damit auch die Gesundheit der Patienten gefährden können", erklärt er die Zukunftsstrategie. "Personal zu finden ist recht schwer bis unmöglich, da durch etliche Sparmaßnahmen und Dokumentationsauflagen in den letzten Jahrzenten der Beruf in der Apotheke unattraktiver geworden ist (vor allem auf dem Land), während die Ausbildung bzw. das Studium eher anspruchsvoller geworden sind", gibt Heinz zu bedenken. "Aktuell sind es 3 - 4 Notdienste pro Monat, die wir aktuell zu zweit aufteilen. Die Tendenz ist bei immer weniger Apotheken natürlich steigend", erklärt Heinz die zusätzliche Belastung.

Elena Mimou e. K, Marien-Apotheke in Mettendorf: In ihrer Marien-Apotheke in Mettendorf und der Kur-Apotheke, die ihr Mann Joachim Krollik als Filialleiter in Bollendorf betreibt, sind zurzeit 27 Voll- und Teilzeitkräfte beschäftigt. Mimou und ihr Mann leisten derzeit zwischen 38 und 40 Notdienste pro Jahr/pro Apotheke für ihr Einzugsgebiet. Das heißt in ihrem Fall - wie bei den meisten Apotheken in der Region - Inhaber machen die Notdienste, um bei den inflationsbedingten Kosten wenigstens ein bisschen sparen zu können. Zudem sind auch ihre beiden Apotheken vom Fachkräftemangel betroffen. Mimou: "Gesundheit darf nicht nur wirtschaftlich sein, der Mensch muss immer im Mittelpunkt sein. Man muss die Vor-Ort Versorgung (Apotheken & Arztpraxen) stärken und nicht nur großen Kapitalgesellschaften das Feld überlassen."

Sebastian Schardon, Apotheke am Simeonstift sowie Linden Apotheke in Trier: Er kritisiert gestiegene Betriebsnebenkosten und steigende Lohnkosten bei stagnierender bzw. sinkender Vergütung, die v. a. im verschreibungspflichtigen Bereich eine Gefahr für alle Apotheken darstellen. Auch den Mitarbeitermangel sieht er als weitere Bedrohung sowie den Zeitmangel, denn der durchschnittliche Beratungsbedarf pro Kunde und der bürokratische Aufwand steigen kontinuierlich an. Aber auch die anfallenden Notdienste - derzeit vier für jede Apotheke im Quartal - werden bei Personalnotstand und Kostendruck zum Problem. Schardon wünscht sich die "GKV auf ihre eigentlichen Aufgaben zu beschränken (z. B. durch Einschränkung von unsinnigen Therapien, teuren Werbemaßnahmen, Auftreten als politische Lobby-Fraktion). Die Preisdiktate der GKV führen auf Dauer durch Niedrigstpreise zu einem zweitklassigen Gesundheitssystem!"

Caroline Dahmen Beer, Einhorn-Apotheke in Mülheim: In ihrer Einhorn-Apotheke, die sie glücklicherweise in ihren eigenen Räumlichkeiten betreiben und dadurch Mietkosten einsparen kann, beschäftigt sie aktuell insgesamt 16 Apothekerinnen, PTA und PKA (ausschließlich Frauen und Mütter) sowie weitere 13 MitarbeiterInnen für die Buchhaltung, Reinigung und als Arzneimittelboten. "Dieses Jahr entfallen 38 Notdienste auf die Einhorn-Apotheke, die ich aus Personalmangel und Unterfinanzierung des Notdienstes als Inhaberin alle selbst übernehme. Als ich die Apotheke 2011 übernommen habe, waren es noch 28 Dienste. Mit jeder Apothekenschließung wurden es stetig mehr Dienste", beschreibt Dahmen-Beer die Situation und gibt zu bedenken: "Die Zitrone ist mittlerweile aber ausgequetscht. Ohne Kürzung von Serviceleistungen für die Kunden werden weitere Einsparungen nicht möglich sein." : "Ein großer Schutz gegen den Medikamentenmangel sehe ich im Erhalt der deutschen Vor-Ort-Apotheke. Jede einzelne Apotheke stellt ein kleines, dezentrales und viel günstigeres Arzneimittellager dar. Auch deshalb sei es wichtig, am 14. Juni Flagge zu zeigen.

Markus und Marlen Knie, Burgtor-Apotheke Wittlich und Löwen-Apotheke in Hillesheim: Obwohl Apotheker Knie sehr gut vernetzt ist, brauchen er und sein Team derzeit viel zu viel Zeit, um Ware zu organisieren. Das nervt das hochqualifizierte, patientenfreundliche Team und natürlich auch die Kundschaft, wenn gängige Medikamente wie gewisse Antibiotika (u.a. für Kinder), wichtige Medikamente in der Diabetes-Therapie oder verschiedene Neuroleptika etc. nicht lieferbar sind. "Es muss dringend ein Umdenken in der Politik stattfinden und auch bei den Apotheken ein Inflationsausgleich geschaffen werden. Die Apotheken sind von jedwedem Inflationsausgleich ausgegrenzt. Stattdessen gibt es zahlreiche von der Politik und den Krankenkassen auferlegte Leistungen - unbezahlt. Einerseits müsste eine Alternative geschaffen werden, um den Arzneimittelengpässen entgegen zu treten (Produktion etc. nach Europa zurückholen), und es sollte eine neue Wertschätzung gegenüber den Apotheken-Teams geben, die tagtäglich - verteilt auf immer weniger Schultern - die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherstellen."

Text: Sabine Krösser


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