Andrea Fischer

Wohin mit den vielen Flüchtlingen?

Trier-Saarburg. In den Kommunen herrscht Notstand: Wohin mit den vielen Flüchtlingen?
Nataliya und Siarhei sind mit ihren Kindern aus Lviv geflüchtet und leben seitdem in Mandern. 
 Foto: Archiv/Herschler

Nataliya und Siarhei sind mit ihren Kindern aus Lviv geflüchtet und leben seitdem in Mandern. Foto: Archiv/Herschler

Bild: Robert Herschler

Innenministerin Faeser hat zu dem Thema eine klare Meinung, wie der Medien-Plattform tagesschau.de zu entnehmen war: „Wir erleben einen furchtbaren Krieg mitten in Europa. Acht von zehn Geflüchteten kommen aus der Ukraine. Da kann es keine Höchstgrenzen für Menschlichkeit geben.“ Aktuell seien rund 1 Million Ukrainer nach Deutschland geflüchtet. Die SPD-Politikerin verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass der Bund ausreichend Finanzmittel zur Verfügung gestellt – rund 4,4 Milliarden Euro - und sowohl Ländern wie Kommunen noch weitere Milliarden-Unterstützung zugesagt habe. Doch wie wird das in den hiesigen Kommunen eingeschätzt und wie ist die Lage dort, was die Unterbringung der Flüchtlinge angeht?

Martina Bosch, Pressesprecherin der Kreisverwaltung Trier-Saarburg, antwortet auf diese Frage mit folgenden Fakten: „In unserem Landkreis sind momentan rund 440 Flüchtlinge untergebracht, die von uns finanzielle Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und 127 ukrainische Flüchtlinge, die Sozialhilfeleistungen erhalten. Außerdem leben im Kreis momentan 980 ukrainische Flüchtlinge, die möglicherweise vom Jobcenter finanzielle Leistungen erwarten können.“ Ihre Kollegin Stefanie Rodermund aus der KV Bernkastel-Wittlich berichtet von insgesamt 2660 Asylbewerbern, von denen 1799 Ukrainer im Kreis gemeldet sind. Und zur Wohnsituation: „Mit Ausnahme von derzeit 34 Personen konnten bisher alle geflüchteten Personen in Wohnungen untergebracht werden.“

Oberflächlich betrachtet, scheint die Unterbringungssituation in unserer Region also gut geregelt zu sein, doch alle drei Kreisverwaltungen sind an ihren Kapazitätsgrenzen angekommen. So gibt Martina Bosch zu Protokoll: „Es besteht überall die Schwierigkeit, geeigneten Wohnraum anzumieten.“ Stefanie Rodermund und Waltraud Weber blasen ins gleiche Horn, und letztgenannte sieht ihren Landkreis sogar „am Limit“: „In naher Zukunft werden wir auf Gemeinschaftsunterkünfte ausweichen müssen.“ Stefanie Rodermund macht jedoch klar, dass ihr Landkreis diesen Schritt „auf jeden Fall vermeiden will, Gemeinschaftsunterkünfte in Form von Sporthallen oder Bürgerhäusern zur Unterbringung von Flüchtlingen zu nutzen, denn gerade der Schul- und Vereinssport hat in den vergangenen beiden Corona-Jahren genug Einbußen hinnehmen müssen.“ Sie verweist dabei auf die besondere Flexibilität innerhalb der Kommunen, denn weil der Verteilungsschlüssel im Landkreis nicht mehr anwendbar sei, würden sie den noch freien Wohnraum unabhängig davon und sich untereinander je nach Bedarf und Möglichkeiten zur Verfügung stellen.

Es fehlt an allen Ecken und Enden

Stefanie Rodermund benennt aber noch auf einen weiteren Aspekt, der über die Wohnraumfrage hinausweist: “Wir brauchen eine funktionierende Infrastruktur: ausreichende Kindergarten- und Schulplätze müssen einschließlich der ÖPNV-Verbindungen zur Verfügung stehen. Die Zahl der angebotenen Integrations- oder auch niederschwelligen Sprachkurse muss deutlich erhöht werden. Und es bedarf in nahezu allen Bereichen einer Aufstockung des Personals.“ In Richtung Bundes- und Landesregierung wird sie dann sehr deutlich: „Wir erwarten einen fairen Verteilungsschlüssel von Asylbewerbern auf europäischer Ebene und die Einrichtung von effektiven Erstaufnahmeeinrichtungen, um Engpässe im Bereich der Unterbringung zu kompensieren.“ Sie kommt zu dem Schluss, dass die Finanzmittel, die Innenministerin Faeser für ausreichend hält, aufgestockt werden müssen.

Ob das eintreten wird, ist unklar. Aber klar geworden ist zumindest, dass alles Mögliche in den Kommunen dafür getan wird, um den Flüchtlingen Wohnraum zu beschaffen und dadurch zu vermeiden, dass Vereine und Schulen auf ihre Sportstätten verzichten müssen. Was jedoch weiterhelfen kann, ist 1. die Bereitschaft der Bevölkerung noch mehr privaten Wohnraum zur Verfügung zu stellen und 2. die Aufstockung der finanziellen Mittel, um die Personalsituation und die Infrastruktur zu verbessern. An die beste aller Lösungen mag aktuell aber wohl niemand so recht glauben: Frieden in der Ukraine.

ROB

 


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