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Andrea Fischer

Kein Job wie jeder andere

Kriegsberichterstatter zu sein, ist einer der weltweit gefährlichsten Jobs im Kampf gegen gefährliche Kriegspropaganda. Wir haben einen von ihnen getroffen..
Seit dem 24. Februar 2022 führt Russland einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Der Überfall auf die Ukraine hat in Europa die größte Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst; fast 14 Millionen Menschen, ein Drittel der gesamten ukrainischen Bevölkerung, sind seit Kriegsbeginn vor Gewalt und Terror geflohen. Doch wie sieht's derzeit in der Ukraine wirklich aus? Kriegsberichterstatter bzw. Kriegsfotograf zu sein, ist einer der weltweit gefährlichsten Jobs. Und ihr Einsatz zählt zu den wichtigsten im Kampf gegen gefährliche, verlogene Kriegspropaganda. Wir haben mit Kriegsfotograf Florian Bachmeier - seit Kriegsbeginn bereits zweimal auf der Durchreise in Trier - gesprochen…

Seit wann arbeiten Sie als Profifotograf? Können Sie sich noch an ihr erstes verkauftes Foto und Honorar erinnern?

Der Übergang war fließend, ich würde sagen, komplett selbstständig seit 2010. Erste verkaufte Fotografien, Ausstellungen oder Aufträge gab es aber bereits vorher. Ich denke, eine meiner ersten Veröffentlichungen war eine kleine Fotostrecke über eine Sinti-Gemeinde in Nordspanien in der Regionalzeitung „Diario de Navarra“.

Wo finden Sie Ihre Themen? Wo liegt Ihr Schwerpunkt?

Meine Themen finde ich inzwischen fast ausschließlich in der Ukraine, da ich seit mehr als 10 Jahren dort fotografiere. Mich interessieren die Menschen, im Angesicht der konstanten Bedrohung der eigenen Identität und, seit 2014, des Lebens und der Sicherheit.

Seit wann hält Sie die Ukraine thematisch gefangen?

Seit meinem ersten Besuch Ende 2012

Kriegsfotograf – kein Job wie jeder andere: Haben Sie Angst, wenn Sie wieder ins derzeitige Kriegsgebiet fahren? Wie gehen Sie mit dieser Angst um? Was war Ihre bisher gefährlichste Situation in der Ukraine?

Ich denke, ohne Angst würde man nicht lange überleben. Ich habe aber allerdings mehr Angst um andere Menschen, vor allem auch um meine Familie, für die meine Reisen und Aufenthalte in der Ukraine natürlich eine große Belastung darstellen. Die gefährlichste Situation war sicherlich ein prorussischer Hinterhalt, in den ich bereits im Mai 2015 zusammen mit anderen JournalistInnen in der Nähe von Debalzewe geraten bin. Wir wurden einige Zeit festgehalten und massiv bedroht.

Wie schätzen Sie die derzeitige Kriegssituation ein? Wird der Krieg noch schlimmer, oder wird es eine baldige Lösung geben? Sehen Sie die Gefahr einer atomaren Auseinandersetzung?

Ich sehe zumindest keine kurzfristige Lösung. Am Anfang des Krieges mag es noch die Bereitschaft gegeben haben, den Krieg schnell zu beenden. Spätestens seit den Massakern von Irpin und Budscha ist das nicht mehr möglich. Und es ist ja noch nicht klar, wie viele Dörfer oder Kleinstädte solche Gräuel erleben mussten oder noch erleben werden. Ich war in den von der ukrainischen Armee befreiten Dörfern im Umland von Cherson und habe dort selbst die Spuren schrecklicher Kriegsverbrechen gesehen.

Hat Europa seit der Annexion der Krim im Frühjahr 2014 aus Ihrer Sicht gepennt?

Wo liegen Ihrer Meinung nach die Versäumnisse? In der Rückschau wohl eindeutig. Die Annexion der Krim war ja auch vorbereitet, durch Unterwanderung, Infiltrationen, Manipulationen und dann der ja keineswegs repräsentativen Volksabstimmung. Die Absicht Russlands war ja klar, die weitere Destabilisierung der Ukraine.

Wie gehen Sie mit dem Elend und der Trauer im Kriegsgebiet um? Was sagen Sie den Leuten zum Trost? Haben Sie nachts Albträume von den Geschehnissen, die Sie als Fotograf gesehen haben?

Leid und Trauer sind vieler Orts inzwischen ständige Begleiter der Menschen. Die Verluste sind hoch. In den Dörfern und Städten, die im letzten Drittel des letzten Jahres befreit wurden, wurden schwere Kriegsverbrechen begangen: Menschen wurden entführt, eingesperrt, gefoltert, vergewaltigt und getötet. Das ist natürlich schwer zu ertragen, aber es ist mir ein gewisser Trost, das Leid und die Trauer teilen zu können, und ich habe das Gefühl, dass das manchen Menschen, mit denen ich dort Zeit verbringe, ein wenig hilft.

Glauben Sie, dass das derzeitige "Wettrüsten" von Erfolg gekrönt sein wird? Was wünschen Sie sich für die Menschen in der Ukraine?

Leider sehe ich keine Alternative, als die Ukraine mit Waffen und Kriegsgerät zu unterstützen. Eine Verhandlungslösung ist schlicht unmöglich geworden. Ich wünsche den Menschen in der Ukraine natürlich Frieden, allerdings nicht zu den Konditionen des Aggressors, das würde das Leid und die ständige Bedrohung nur vertagen.

Sie haben Ihre Eindrücke aus den Jahren vor dem Krieg in einem eigenen Bildband verarbeitet. Das Fotobuch "In Limbo. Ukraine 2013-2021" erschien im Verlag Buchkunst Berlin im September 2021. Der Titel stellte sich im Nachhinein in tragischer Weise als voraussehend heraus. Im Nachhinein kann man die Zeit zwischen 2013 und 2021, zwischen Maidan und dem letzten Jahr vor dem russischen Angriff auf das Land als eine Zwischenhölle sehen, am 24.02.22 öffnete sich der Höllenschlund dann endgültig.

Bachmeiers Vita in Zahlen:

Florian Bachmeier, geboren 1974 in Tegernsee. Aufgewachsen in Schliersee. Nach dem Studium der Fotografie in Pamplona (Spanien), und der Neuen und Neuesten Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München Arbeit als freier Fotograf, vertreten durch die Agentur N-Ost Netzwerk für Osteuropa-Berichterstattung (Berlin). Bachmeier unternahm seine ersten längeren Reisen mit der Kamera seit 1995 nach Mauretanien, Mali, Elfenbeinküste, Senegal und Burkina Faso. Während des Studiums an der Escuela de Artes y Oficios in Pamplona arbeitete er an diversen Langzeitprojekten anthropologischer Natur über spanische Volksfeste und das Leben an der Meerenge von Gibraltar. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland und dem Geschichtsstudium lebte Bachmeier zwischen Madrid, München und Schliersee. Er arbeitet als freier Fotograf für verschiedene Kunden in Deutschland und Österreich sowie für nationale und internationale Medien wie Der Spiegel, Die Zeit, Terra Mater, Süddeutsche Zeitung, taz, Neue Zürcher Zeitung, Wiener Presse, Salzburger Nachrichten, Datum, Die Furche, Tageswoche (CH), Times, Servus in Stadt und Land, Bergwelten, Freemens´ World, 11Freunde, GEO, BEEF, Essen und Trinken und andere. In den Jahren zwischen 2009 und 2011 arbeitete er an Projekten über die Zwangsumsiedlung der Roma-Gemeinde von Mitrovica auf das Minengelände von Trepca und die Folgen der daraus resultierenden Bleivergiftung in Zusammenarbeit mit ProAsyl e.V. und über die Zwangsräumung einer Roma-Siedlung in Madrid ("En los escombros de 300 vidas") mit Amnesty International Madrid. Seit 2011 ist er Mitglied bei N-Ost Nachrichtennetzwerk für Osteuropa. In diesem Rahmen unternimmt Bachmeier Reisen nach Osteuropa, vor allem Albanien, Moldawien, Rumänien, Bulgarien, Ukraine und Russland. 2013 und 2014 berichtete er von den Ereignissen auf dem Maidan in Kiew und von den Kriegsschauplätzen in der umkämpften Ostukraine. In diesen Jahren entsteht nach mehreren Monaten auch das Projekt "Der Weiße Tod. Tuberkulose in Moldawien" in Zusammenarbeit mit dem Koch-Mentschikow-Forum (Berlin). Die Bilder wurden in einem Bildband veröffentlicht, der 2015 mit dem ersten Preis in der Kategorie Fotografie des N-Ost-Reportagepreises ausgezeichnet wurde.

Weitere Infos unter: https://www.florianbachmeier.com/

Das Interview führte Sabine Krösser


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