

Ein leerstehendes Warenhaus, ein mutiger Investor und eine Stadt, die Tempo macht: Was nach Wunschdenken klingt, wird in der Trierer Fleischstraße bald Realität. Das ehemalige Galeria-Kaufhof-Gebäude wird in den nächsten Jahren zum Modellprojekt für die Innenstadt der Zukunft. „Jeder kommt hier vorbei und fragt sich, was passiert“, sagte Oberbürgermeister Wolfram Leibe beim Pressetermin. Die Antwort: eine Menge.
Hinter der Revitalisierung steht ein Familienkonglomerat aus Münster: Das Architekturbüro Maas & Partner, die Projektentwicklungsgesellschaft ReDevelop und die Investmentfirma Maas Real Estate (MRE). Michael Maas, Architekt der ersten Stunde, und sein Sohn Lennard Maas wollen mit ihrem Team zeigen, wie innerstädtische Großimmobilien nachhaltig und sozial gedacht werden können.
Trier ist dabei kein Zufall: „Von 48 Galeria-Standorten war das Potenzial in Trier für uns am größten“, so Lennard Maas. Bereits im Juli wurde die Immobilie gekauft, der Bauvorantrag in Rekordzeit – nur sechs Wochen – von der Stadt genehmigt.
Das neue Nutzungskonzept folgt einem klaren Ziel: Mischung statt Monofunktion. Während im Erdgeschoss Einzelhändler und ein Gesundheitszentrum einziehen, entstehen in den oberen Etagen 156 kleine Wohnungen für Studierende, Azubis und Young Professionals. Die Wohnflächen variieren zwischen 22 und 45 Quadratmetern, viele davon als Boarding-Apartments mit Gemeinschaftsflächen konzipiert.
Dazu kommen Terassenwohnungen, ein Gründach mit Photovoltaik sowie eine öffentlich zugängliche Rooftop-Bar mit Blick über Trier – sobald der Wohnbereich fertiggestellt ist.
Der Umbau folgt dem energetischen Standard KfW 40 EE – das Gebäude soll dadurch bis zu 70 Prozent weniger Energie verbrauchen als ein konventioneller Neubau. Möglich wird das unter anderem durch serielle Vorfertigung von Fassaden- und Badmodulen sowie den weitgehenden Erhalt der vorhandenen Gebäudestruktur. Auch die charakteristischen Hortenkacheln verschwinden – sie sollen für einen guten Zweck versteigert werden.
Zudem wird der Baukörper zur Belichtung in der Mitte aufgeschnitten, ein Lichthof entsteht, der auch Balkone ermöglicht – ohne die Statik des Hauses zu verändern.
Ein weiteres Highlight: Das geplante medizinische Versorgungszentrum. Die Verträge mit einem Betreiber sind bereits unterzeichnet. Es soll modernste ambulante Behandlungen ermöglichen – ganz ohne klassisches Wartezimmer. Ergänzt wird das Angebot durch Stellplätze, Lagerflächen und eine Reha-Zone im Untergeschoss.
Die Stadt zeigt sich begeistert: „Ihr seid ein Glücksfall für uns. Dieses Projekt bringt Leben zurück in die Innenstadt – auch nach Geschäftsschluss“, so Innenstadtdezernent Ralf Britten.
Ein vollständiger Leerstand bis zum Umbau wird vermieden. Bereits zum 1. September soll ein Zwischenmieter – ein Handelsunternehmen – ins Erdgeschoss einziehen. Parallel dazu laufen Gespräche mit weiteren Interessenten für Gewerbeflächen. Auch kulturelle Zwischennutzungen sind geplant.
Der Rückbau der inneren Strukturen beginnt voraussichtlich im Herbst 2026 und dauert rund ein Jahr. Anschließend startet der eigentliche Umbau. Ende 2027 sollen erste Gewerbeflächen fertig sein, Anfang 2028 die Wohnungen.
Die Investitionssumme liegt bei 60 bis 70 Millionen Euro, ein erheblicher Teil davon über Fördermittel finanziert. Das Projekt erfüllt zahlreiche ESG-Kriterien – von CO2-Einsparung bis zur Verbesserung des Mikroklimas durch städtebauliche Maßnahmen.
Während das Karstadt-Gebäude in der Simeonstraße weiter auf eine konkrete Zukunft wartet, ist man in der Fleischstraße längst auf der Überholspur. Michael Maas bringt es auf den Punkt: „Wir wollen Städte nicht neu bauen, wir wollen sie neu erfinden.“



