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Ahr-Schlamm wird zum Markenzeichen

Die Weinflaschen, die entlang der Ahr aus Kellern und dem Dreck gezogen werden, helfen als »Flutwein« den Winzern. Die Einnahmen steigen rasant - bleiben aber ein Tropfen auf den heißen Stein.
Aus den verschlammten Weinflaschen wird das Markenzeichen der Ahr-Winzer. Diese Weine von Peter Kriechel und seinen Kollegen finden bereits einen großen Absatz. Foto: Mager

Aus den verschlammten Weinflaschen wird das Markenzeichen der Ahr-Winzer. Diese Weine von Peter Kriechel und seinen Kollegen finden bereits einen großen Absatz. Foto: Mager

Die Etiketten auf den Weinflaschen von Peter Kriechel sind zerfetzt. Doch immerhin liegen die Flaschen vor seinem Weingut in Walporzheim sauber und nach Sorten sortiert in den Metallkörben. Sie haben die Reinigungsprozedur schon hinter sich. Direkt daneben stehen die Körbe mit den verschlammten und noch unsortierten Flaschen.Die komplette Winzerschaft an der Ahr hat die Flutkatastrophe schwer getroffen. Neben Gebäuden und Gerätschaften ist auch ein großer Bestand der letzten Weinjahrgänge verloren gegangen. Ein Großteil der Flaschen zerbrach, andere schwammen durch die Weinkeller, durch Ahr, Feld und Flur. »Ich weiß von mindestens zwei Kollegen, bei denen alles weg ist«, sagt Peter Kriechel, Vorsitzender des Vereins »Ahrwein e.V.«.

Mit genau diesen Flaschen stemmen sich die Ahrwinzer jetzt gegen ihr Schicksal und zeigen, dass sie einerseits nicht aufgeben, aber andererseits – wie sehr viele Menschen im Ahrtal – Hilfe benötigen. Schließlich ist der Wein ein wichtiger regionaler Wirtschaftsfaktor – sei es für Winzer, Gastronomie und Tourismus. Als »Flutwein« verkaufen die Winzer nun die intakten Flaschen, die aus der Zerstörung geborgen werden. Verschickt werden die Raritäten als limitiere Auflage – genauso verschlammt wie sie gefunden wurden. Es wirkt wie ein »Jetzt erst recht«. Den Ahrwinzern gelingt es, den Schlamm, der ihnen mit dem Wasser die Existenz genommen hat, in ihr Markenzeichen umzuwandeln.

Die Aktion erzeugt bundesweit Aufmerksamkeit. Und sie erfährt großen Zuspruch. Durch Weinverkäufe und Spenden sind aktuell bereits 3,4 Millionen Euro zusammengekommen. »Das ist die bisher größte Crowdfunding-Aktion Deutschlands«, sagt Kriechel. Enden wird sie am 1. September. »Vielleicht wird sie dann die größte Crowdfunding-Aktion Europas sein.«

Logistikpartner wird gesucht

Einige Winzer vermarkten ihren Wein auch eigenständig. Initiiert wurde die Aktion von dem Restaurant »Klebers Küche & Garten« in Ahrweiler, das durch die Fluten selbst schwer getroffen wurde, in Kooperation mit dem Ahrwein e.V.. Die Anfrage ist so groß, dass aktuell ein Partner für die Logistik gesucht wird, der die Flaschen einsammelt und verpackt. Die Crowdfunding-Plattform im Internet, über die die Aktion läuft, gewährt den Winzern ein Verschicken des Weins an die Besteller innerhalb von sechs Monaten. »Unser Ziel ist es, sie bis November zu verschicken«, erklärt Kriechel.

Derzeit seien die Winzer noch mit vielen anderen Dingen beschäftigt. Neben den Aufräum­arbeiten steht im Herbst auch die Weinlese an. Kriechel ist optimistisch, dass diese durchgeführt wird: »Auch da werden wir die Hoffnung nicht aufgeben.« Zwar werde nicht jeder Betrieb alleine die Verarbeitung bewerkstelligen können. »In den Fällen wird es andere Möglichkeiten geben«, ist sich Kriechel sicher: »Es gibt eine fantastische ,SolidAHRität‘, um mal dieses Schlagwort zu benutzen«, sagt er beeindruckt: »Es kamen helfende Hände, Maschinen und Kollegen aus  der ganzen Republik.« Außerdem verkaufen deutschlandweit Winzer Wein zu Gunsten ihrer Ahr-Kollegen. »Momentan kann man froh und stolz sein, in dieser Branche zu arbeiten«, findet Peter Kriechel.

Der Erlös aus der »Flutwein«-Aktion kommt allen Winzern im Ahrtal zu Gute und wird nach Bedürftigkeit vergeben. Auch wenn 3,4 Millionen Euro eine beachtliche Summe sind – »letztlich ist es ein Tropfen auf den heißen Stein«, sagt Kriechel. Aktuell gehe man bei den Winzern von Schäden im hohen dreistelligen Millionenbereich aus. »Es gibt keinen Winzer, der nicht betroffen ist«, weiß Kriechel. Denn wo Gebäude und Gerätschaften intakt blieben, sind die Betriebe zumindest durch die Verluste der Anbauflächen geschädigt. Rund 15 Hektar gingen durch die Flut verloren. Viele Rebstöcke standen seit Jahrzehnten an Ort und Stelle und müssen nun ersetzt werden. Vier Jahre dauere es, bis ein Rebstock den ersten Ertrag liefere, so Kriechel: »Das bedeutet nun vier Jahre Ausfall.« Sowohl der Aufbau der Gebäude als auch der Anbauflächen – beides werde ein langer Marathon.

www.flutwein.de


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