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»Ein Tropfen auf den heißen Stein«

Nach einer Woche Öffnung musste der Einzelhandel im Kreis Ahrweiler wieder zum Termin-Shopping zurückkehren.
Endlich wieder Betrieb in der Stadt, ein vernünftiges Konzept und eine verlässliche Perspektive wünscht sich der Einzelhandel nicht nur in Ahrweiler. Archivfoto: Mager

Endlich wieder Betrieb in der Stadt, ein vernünftiges Konzept und eine verlässliche Perspektive wünscht sich der Einzelhandel nicht nur in Ahrweiler. Archivfoto: Mager

Für eine ganze Woche durften alle Einzelhändler im Kreis Ahrweiler ihre Geschäfte öffnen. Die Erleichterung war groß, die Unsicherheit allerdings ebenfalls. Es war ein kurzer Ausflug in Richtung Normalität. Denn da die Sieben-Tages-Inzidenz im Kreis durchweg bei über 50 lag, gilt seit Montag wieder das System des Termin-Shoppings. Nachdem der Wert aktuell mehr als drei Tage in Folge die 100 überschritt, werdne die Regeln ab dem morgigen Samstag wie berichtet sogar noch einmal verschärft. »Der Einzelhandel ist mittlerweile sehr erbost über das Hin und Her«, sagt Rainer Friedsam, Vorsitzender der Aktivgemeinschaft »Wir sind Sinzig – Gewerbe & Touristik e.V.«. Es fehle eine klare Linie der Politik. »Das ist absolut untragbar. Da wird freitags beschlossen, dass montags wieder alles zu ist. Damit kann kein Unternehmen halbwegs planen. So kann man seine Mitarbeiter nicht einsetzen«, kritisiert Friedsam: »Wir können nicht nachvollziehen, dass die großen Supermärkte geöffnet haben, aber die kleinen Einzelhändler wieder schließen müssen. Der Einzelhandel hat 2020 ganz klar Hygienekonzepte erstellt und umgesetzt. Wo ist denn da die Logik?« Neben dem Weihnachtsgeschäft falle nun bereits das zweite Ostergeschäft aus. Zudem würden die Hilfen nur schleppend fließen und die Rücklagen seien bald aufgebraucht. »So fährt man die Wirtschaft an die Wand«, wettert Friedsam.  Die einwöchige Öffnung war für die Einzelhändler in Ahrweiler »okay, aber ein Tropfen auf den heißen Stein«, wie Thorsten Hermann, Vorsitzender der Werbegemeinschaft Ahrweiler, berichtet. Das vorherige Termin-Shopping sei gut angenommen worden. »Aber dass es einen höheren Inzidenzwert gibt, wenn mehr getestet wird, versteht auch ein Grundschüler«, sagt er. Wichtig sei jetzt, dass die angeforderten Soforthilfen fließen. Das sei noch nicht bei allen Betrieben geschehen. Tauschen möchte er mit den politisch Verantwortlichen derzeit nicht. »Einerseits sollte man schnell wieder öffnen. Andererseits machen wir dann im April wieder zu, wenn richtig Betrieb in der Stadt ist«, schätzt er. Thema könne nur sein, die Zahlen niedrig zu halten. In Adenau habe sich die einwöchige Öffnung für einzelne Betriebe gelohnt, durch die Bank aber eher nicht, schätzt Peter Friedrich, einer der Vorsitzenden des Gewerbevereins Adenau die Lage ein. Das Termin-Shopping sei eher positiv gewesen, dadurch seien zum Beispiel neue Ideen entstanden. Eine Idee, die schon länger geplant war, hat der Gewerbeverein im Herbst mit Hochdruck umgesetzt: einen Gutschein, der in allen teilnehmenden Adenauer Betrieben eingelöst werden kann. So soll die Finanzkraft in der Stadt gehalten werden. Aktuell würden viele Menschen zum Shoppen nach Mayen fahren. Dort sind die Geschäfte weiterhin geöffnet. »Vor allem für die kleineren Geschäfte ist die Situation schwierig«, sagt Friedrich. Insbesondere aber habe es die Gastronomie getroffen. Gastronomen, aber auch Hoteliers sitzen derzeit auf dem Trockenen. Vielen Betrieben steht das Wasser bis zum Hals. Günther Uhl, Vorsitzender des Kreisverbandes des Deutscher Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) warnt, dass Betriebe sofort und umfänglich Hilfe benötigen: »Und wir erwarten verlässliche Perspektiven. Ich wiederhole die Forderung des DEHOGA Landesverbandes, dass die Auszahlung der Corona-Hilfen nunmehr umgehend auf die Finanzämter übertragen wird. Das ist der einfachste, schnellste und sicherste Auszahlungsweg! Den Finanzämtern liegen alle relevanten Zahlen, Daten und Fakten der Betriebe vor.« Er werde es sich nicht gefallen lassen, wenn »das faktische Berufsverbot nicht bald nach Ostern endet«, sagt Uhl: »Wir benötigen von der Politik klare Regeln und verlässliche Perspektiven.« Umfangreiche Testangebote seien notwendig und im Zusammenspiel mit den Impfungen in naher Zukunft die Voraussetzungen für Shoppen, Restaurant- und Hotelbesuch, Kino, Theater und Events sein, bis es Impfangebote für alle gebe und der Erfolg messbar sei. Mehr Testen führe aber zu einem Anstieg der Inzidenzwerte. Die Politik müsse herauszufinden, mit welcher Infektionshöhe das Gesundheitssystem klar komme und dann diese Zahl festschreiben. »Diese Zahl kann auch höher als 200 sein, aber nicht willkürlich 50, 100 oder eine andere Zahl«, so Uhl. Es sei nötig, Strategien für ein Leben mit dem Virus zu finden. Die Öffnung des Einzelhandels ohne vorherige Möglichkeit und Verpflichtung zur Testung oder Vorlage eines Impfnachweis sei ein »unglaubliches Versagen« der Politik.


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