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Mario Zender

"So kann es nicht weitergehen"

Cochem.Im Seniorenheim "Pro Seniore" stehen von 70 Betten 20 leer, obwohl es lange Wartelisten gibt. Grund ist akuter Personalmangel.

Von Mario Zender

Die Betten in den Zimmern sind bezogen, die Tischdecke liegt akkurat auf dem kleinen Tisch am Fenster, das zur Terrasse führt. Was aktuell in dem Zimmer in der Wohnresidenz von "Pro Seniore" im Cochemer Stadtteil Sehl fehlt, sind Bewohner. Dabei könnte Leiterin Margarete Vehrs (61) jeden Tag neue Senioren aufnehmen. "Könnte", wäre das nicht ein Problem, dass es unmöglich macht, weitere Bewohner aufzunehmen. "Wir bekommen kein Personal. Wir sind regelrecht verzweifelt". Das Problem besteht nicht nur in der Seniorenresidenz in Cochem, sondern in allen Senioreneinrichtungen fehlen Mitarbeiter. Zwar können die Häuser immer mal wieder auf "Leiharbeitskräfte" zurückgreifen, aber das ist für die Leiterin des Pro Seniore-Heims in Sehl keine Lösung. "Wir zahlen für einen Mitarbeiter einer Leiharbeitsfirma aktuell über 10.000 Euro im Monat. Die Kosten für eine/n festangestellte/n Mitarbeiter/in bei uns liegen hingegen bei rund 4.300 Euro." Die hohen Forderungen der Leiharbeitsfirmen tragen zur prekären Situation nach Meinung von Margarete Vehrs mit bei. "Es gibt immer wieder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das große Geld mitnehmen möchten und dann zu einer Leiharbeitsfirma wechseln." Für die Leiterin des Sehler Seniorenzentrums ist der Einsatz von Leiharbeitskräften keine Alternative. Nicht nur aus betriebswirtschaftlicher Hinsicht, wie sie im Gespräch betont. Es sei zudem die Tatsache ein Problem, dass die Aushilfskräfte von Leiharbeitsfirmen die Bewohnerinnen und Bewohner nicht kennen und deshalb auch nicht so optimal betreuen könnten. Weil sie nicht genügend Personal bekommt, muss Margaret Vehrs jeden Tag älteren Menschen, die ihren Lebensabend gerne in der Seniorenresidenz verbringen möchten, absagen. "Wir haben jeden Tag mindestens fünf bis zehn Anfragen, aber wir können sie nicht bedienen." Deshalb werden in dem Seniorenheim auch keine Wartelisten mehr geführt. "Wir nehmen dann auf, wenn wir können." Für die 61-Jährige selbst, die seit 45 Jahren in dem Beruf arbeitet, ist die Situation belastend. "Wenn Menschen vor einem sitzen, die weinen, weil sie zuhause nicht mehr zurechtkommen, wir sie aber nicht aufnehmen können, tut das schon weh." Für den Cochemer VG-Bürgermeister Wolfgang Lambertz ist die aktuelle Situation nicht mehr tragbar. "Es kann nicht sein, dass Menschen aus unserer Region, die ihr Leben lang gearbeitet haben, keinen Platz in einer Senioreneinrichtung bekommen, wo sie ihren Lebensabend verbringen dürfen." Deshalb will sich Lambertz dafür einsetzen, dass für die Pflegeberufe eine größere Wertschätzung erreicht wird und dies sich auch finanziell für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auszahlt und die Politik Anreize schafft, wodurch mehr Menschen in diesen Berufen arbeiten wollen. Er hat einen "pragmatischen Vorschlag" an die 650 Kilometer entfernte Politikspitze nach Berlin gerichtet. "Ich fordere die Politik auf, die Besteuerung auf Pflegekräfte für eine bestimmte Zeit von einigen Jahren auszusetzen. Also Brutto für Netto für alle Pflegeberufe". Lambertz weiter: "Für alles ist in Deutschland Geld da und wird ausgegeben. Deshalb müssen wir mit diesem Vorschlag den Beruf attraktiver machen und so ehemalige Pflegekräfte wieder motivieren, in ihrem Beruf zu arbeiten und auch neue zu gewinnen." Für den Cochemer VG-Bürgermeister ist es wichtig, dass die finanzielle Verbesserung direkt bei den Pflegekräften ankommt und nicht etwa durch Subventionen an die Unternehmen ausgezahlt wird. "Dann bleibt sowieso nicht alles bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern." Deshalb hat er seinen Vorschlag in einem Brief an die zuständigen Ministerien in Berlin und Mainz verschickt und möchte auch ein persönliches Gespräch mit den Bundesministern Christian Lindner (Finanzen/FDP), Lisa Pauls (Familie und Senioren/Bündnis 90/Grüne) und Karl Lauterbach (Gesundheitsminister/ SPD). Einen Termin hat er leider noch nicht bekommen. "Ich hoffe, dass mir die Minister und die Ministerin kurzfristig die Möglichkeit geben, dass ich mein Anliegen vorbringen kann."


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