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»Wir verdanken unserer Tante Luzie alles«

Um mehr über die Herkunft Ihrer jüdischen Vorfahren zu erfahren, besuchte die Londoner Familie Lucas Bad Münstereifel.

Drei Generationen der jüdischen Familie Lucas begrüßte Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian vergangene Woche im Bad Münstereifeler Rathaus. Gerry und Angela Lucas besuchten gemeinsam mit ihrer Tochter Katie Cooper und  Enkel Arthur Cooper die Kurstadt um mehr über ihre Vorfahren zu erfahren.
Gerrys Vater Andreas Lucas stammte aus Bad Münstereifel und war am 31. August 1939 aus Deutschland geflohen (siehe Kasten). Gerry kam mit der Reise einem Wunsch seines Enkels Arthur nach. Der hatte sich anlässlich seiner Bar Mitzwa (Feier zur Erlangung der Religionsmündigkeit im jüdischen Glauben) gewünscht die Stadt kennenzulernen, in der seine Ahnen gelebt hatten. »Es ist eigentlich üblich, dass man nach seiner Bar Mitzwa nach Jerusalem reist und die Klagemauer besucht, aber das kann Arthur jederzeit machen. Es ist genauso wichtig, dass er auch die Orte kennenlernt, an denen seine Ahnen gelebt haben«, erklärte Gerry Lucas während eines Gesprächs im Rathaus. Dass die Familie Lucas heute glücklich in London lebe, sei seiner Tante Luzie zu verdanken, betonte Gerry Lucas. »Sie hat die Papiere besorgt und sich sehr ausdauernd dafür eingesetzt, dass mein Vater und meine Großeltern nach Großbritannien einwandern konnten«, berichtet Gerry. Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian betonte, dass sie sehr glücklich sei, die Familie Lucas in der Kurstadt empfangen zu dürfen.

Forschung im Stadtarchiv

Organisiert worden war der Besuch von Stadthistoriker Harald Bongart, der während des Pressegesprächs auch die Rolle des Dolmetschers übernahm.
Nachmittags hatte Arthur Lucas Gelegenheit ,die Geschichte seiner Familie anhand von Materialien aus dem Stadtarchiv zu erforschen. Anschließend besuchten die Gäste gemeinsam mit Harald Bongart den jüdischen Friedhof. Zeitzeugen, die Erinnerungen an die Familie Lucas haben, können sich gerne an Harald Bongart wenden, Tel.: 02253/505130 oder E-Mail: h.bongart@bad-muenstereifel.de

Geschichte: Die Flucht der Familie Lucas

Am Donnerstag, 31. August 1939, reiste Andreas Lucas am Grenzübergang Aachen in die Niederlande aus. Dort wurde seine Kennkarte eingezogen und an die ausstellende Behörde zurück gesandt. Andreas Lucas stammte aus Münstereifel und er war Jude. Über die Niederlande reiste er weiter ins Vereinigte Königreich. Ohne es zu ahnen, traf er den letzten möglichen Zeitpunkt zur Ausreise. Am nächsten Tag überfiel die Deutsche Wehrmacht Polen und ab dem 3. September 1939 befanden sich das Deutsche Reich und das Vereinigte Königreich im Kriegszustand. Die Familie Lucas – Vater Gustav, Mutter Lina und die beiden Kinder Andreas und Luzie – war 1917 von Eschweiler bei Aachen nach Münstereifel gezogen. Dort hatten Gustav und sein Sohn als angesehene Viehhändler gelebt, bis Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde. Unter dem staatlich verordneten Antisemitismus hatte auch Familie Lucas zu leiden. Bereits 1936 emigrierte Luzie Lucas ins Vereinigte Königreich, wo sie sich in London niederließ. Nach dem November-Pogrom 1938 holte sie zu Beginn des Jahres 1939 ihre Eltern nach und am 31. August. folgte ihr Bruder.


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