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Julia Borsch

Die Vielfalt des dörflichen Handwerks

Region. Ein weiterer Beitrag in der Reihe "Eefeler Verzellcher" von Joachim Schröder.

Der Tag der Arbeit am 1. Mai 1935, geschossen von Valentin Reifenberger aus Pronsfeld.

Der Tag der Arbeit am 1. Mai 1935, geschossen von Valentin Reifenberger aus Pronsfeld.

Bild: Valentin Reifenberger/Archiv, Joachim Schröder

Es ist das Foto eines Pronsfelder Berufsfotografen, das in diesen Tagen mein ganzes Interesse weckte. "Geschossen" hat es am 1. Mai 1935 - dem "Tag der Arbeit" - Valentin Reifenberger aus Pronsfeld.

Die Pronsfelder Handwerkerschaft versammelte sich auf der Freitreppe vor der Pfarrkirche zu diesem historischen Schnappschuss. Für die anschließende Maifeier hatte die Ortsgruppe der NSDAP zudem ein Festprogramm mit Umzug organisiert. Daran nahmen der Musikverein, eine Bauerngruppe mit Pferdekutschen und Reitersleuten, Fahnenschwenker, ein Pritschenwagen mit Bäuerinnen und die örtliche Handwerkerschaft teil. Nach dem Umzug gab es im Saal der Gastwirtschaft Chevalier Vorführungen der Volkstanzgruppe. Das ganze Dorf wohnte diesen Feierlichkeiten bei, so schrieb es ein Zeitzeuge im Jahre 1998 auf.

Dieses Fotodokument zeigt, wie groß die Zahl der Handwerker im damals 800 Seelen zählenden Dorf Pronsfeld war. Das Bild ist zudem ein Beispiel für das pulsierende Leben im Dorf. Auf ihm präsentieren sich zehn Handwerke mit insgesamt 42 Vertretern. Mit zehn Personen ist die Zahl der Schlosser präsent. Acht Schneiderinnen und Schneider repräsentieren ihren Berufsstand. Die Schmiede folgen mit sechs Männern, dann fünf Schuhmacher und ebenso viele Schreiner. Vier stolze Bäcker sind vertreten. Als Einzelmitglieder sind vertreten: ein Zimmermann, ein Metzger, ein Stellmacher und ein Anstreicher. Weitere 15 Handwerker, die im Dorf ihren Beruf ausübten, sind auf dem Bild nicht abgelichtet, weil sie zu dieser Zeit außerorts beschäftigt waren oder in ihrem kleinbäuerlichen Nebenerwerbsbetrieb Dienst verrichteten. Auch den Fotografen muss man als "Handwerker" hinzuzählen, so dass man schnell auf die Anzahl von etwa 60 aktiven Handwerkern kommt.

Der mir persönlich bekannte Zeitzeuge, der vor drei Jahren verstarb, bezeichnet sich selbst beruflich als "Knecht meines Vaters". Er musste in der kleinen Landwirtschaft mithelfen - eine "ineffektive Plackerei", wie er es selbst ausdrückte. Später musste R.H. vom "Fron- in den Soldatendienst" wechseln, der ihm im Krieg schwerste Kriegsverletzungen zufügte. Mit der örtlichen Handwerkerschaft verband Richard Hansen ein "Geborgenheits- und Heimatgefühl" bis zu seinem Tode.

Das Fotodokument zeigt in der vordersten Linie die drei "Kupphären": Franz Hansen als Bäckermeister, Schlossermeister Mais und Schmiedemeister Philipp Holper. "Schmatte Philipp" galt weithin als bester Hufschmied, der zudem sein Tagewerk überaus früh begann. "Oft ließ er den Amboss bereits um 3 Uhr erklingen", weiß R.H. zu berichten. Die einzelnen Handwerkergruppen stellten sich dem Fotografen mit den Insignien ihres Berufsstandes. So treten die Hufschmiede mit Lederschürze und Schmiedehammer auf, die Schneider mit Tuchballen und Maßband, die Schuster mit Ahle und Pfriem, die Bäcker tragen Riesenbrezel bei sich und die Schreiner mannshohe Hobel.

 


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