Edith Billigmann

Katarina Barley: Warum Wählen so wichtig ist

Region. Die Vizepräsidentin des EU-Parlaments und ehemalige Bundesjustizministerin, Katarina Barley, im exklusiven WochenSpiegel-Interview.
Katarina Barley ist Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments. Sie sagt: "Das Europäische Parlament kann als Gegengewicht zu extremen Kräften verhindern, dass die EU nach rechts abdriftet."

Katarina Barley ist Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments. Sie sagt: "Das Europäische Parlament kann als Gegengewicht zu extremen Kräften verhindern, dass die EU nach rechts abdriftet."

Bild: Michael Nuding

Europa steht auf der Kippe. Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments und ehemalige Bundesjustizministerin, Katarina Barley, erklärt im exklusiven WochenSpiegel-Interview, warum jede Stimme zählt. Sie spricht über die Macht des Parlaments, die geringe Wahlbeteiligung und warum junge Menschen gerade jetzt aktiv werden müssen. Auch brisante Themen wie sexuelle Belästigung und Mobbing in den EU-Institutionen kommen zur Sprache.

Interview: Edith Billigmann

 

Frau Barley, das Europäische Parlament kann keine Gesetze vorschlagen. Warum sollte man trotzdem wählen gehen?

Katarina Barley: Die Bürger entscheiden durch ihre Wahl, welche politischen Kräfte und Themen im Parlament dominieren. Das Europäische Parlament kann keine Gesetze vorschlagen, ist aber mit dem Ministerrat gleichberechtigtes Gesetzgebungsorgan. Beide können Gesetzesvorschläge der Europäischen Kommission zustimmen, ändern oder auch ganz ablehnen. Zudem bestimmt es mit über den EU-Haushalt.

Warum ist die Wahlbeteiligung so schlecht und was kann man dagegen tun?

Barley: Das Europäische Parlament hat großen Einfluss auf die nationale Gesetzgebung und das Leben der Menschen. Brüssel mag sich dennoch für viele Menschen weit weg anfühlen. Wir Abgeordneten sind viel öfter in Brüssel oder Straßburg als die Bundestagsabgeordneten in Berlin und daher weniger vor Ort präsent. Hinzu kommt, dass über das Europäische Parlament zu wenig berichtet wird.

Liegt die fehlende Identifikation auch daran, dass die EU eine Institution und kein Staat ist?

Barley: Das könnte ein Grund sein. Einer Nation fühlt man sich eher verbunden. Aber ich denke, dass sich dies mit der Zeit, vor allem bei jungen Menschen, ändert. Europa hat Frieden, Zusammenhalt, Wohlstand und Freiheit gebracht. Das sollten wir viel mehr wertschätzen.

Das Wahlalter wurde auf 16 Jahre gesenkt. Mit welchen Themen lockt das Parlament junge Menschen?

Barley: Europa bietet jungen Menschen viel: Reisen ohne Grenzkontrollen, das Erasmus-Programm, Bildungsprogramme, Austauschinitiativen und Praktika. Bei der Wahl können junge Menschen die Zukunft Europas mitgestalten, etwa bei der Mobilität oder der Digitalisierung. Wir haben zum Beispiel Regeln für den Umgang mit Künstlicher Intelligenz entwickelt.

Warum ist es gerade jetzt wichtig, wählen zu gehen?

Barley: Europa steht auf der Kippe. Einige Mitgliedsstaaten haben Regierungen mit rechtextremer Beteiligung. Das Europäische Parlament kann ein Gegengewicht dazu bilden und verhindern, dass die EU nach rechts abdriftet.

Was kann ein Abgeordneter für seine Region tun?

Barley: Wir können EU-Gesetze mitgestalten, die sich positiv auf die Region auswirken, zum Beispiel für die Verteilung der EU-Fördermittel. Wir können für die Interessen unser Regionen eintreten und so spezielle Themen in den Fokus rücken.

Landwirte fühlen sich von der EU oft nicht vertreten. Warum?

Barley: Mehr als ein Drittel des gesamten EU-Haushaltes geht in die Landwirtschaft. Die Landwirte haben legitime Anliegen, von denen sich die meisten gar nicht an Europa richten. Sie können dafür lautstark protestieren. Das können Pflegekräfte oder Erzieherinnen zum Beispiel nicht. Dieses Kriterium sollte nicht darüber entscheiden, wessen Anliegen am Ende am stärksten berücksichtigt wird.

Kurz vor den Europawahlen kommen Themen wie sexuelle Belästigung und Mobbing im Parlament auf. Warum hat die EU hier ein Defizit?

Barley: Wo Machtungleichgewicht herrscht, gibt es eher Mobbing und sexuelle Belästigung. Die aktuellen Strukturen sind unzureichend, und das Verfahren zur Ahndung solcher Verstöße ist kompliziert und dauert zu lange. Wir haben Schulungen eingeführt, um besser zu definieren, was Mobbing ist und was nicht. Und ich habe selbst mit verhandelt, dass in der neuen Wahlperiode Abgeordnete besser kontrolliert werden.


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