

Am vergangenen Mittwoch hat das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass die sogenannte "geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung" vom Gesetzgeber nicht grundsätzlich verboten werden kann. Somit kippten die Richter in Karlsruhe den umstrittenen § 217 des Strafgesetzbuches (StGB). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das im Grundgesetz verankert ist, umfasse auch ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben, begründete das Gericht. Dieses Recht schließe die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierbei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen. Aus welchem Grund jemand Suizid begehen möchte, spiele dabei keine Rolle. Eine "geschäftsmäßige" Förderung bedeutet übrigens nicht, dass für die Hilfe Geld fließt, sondern lediglich, dass die Hilfe darauf angelegt ist, immer wieder angeboten zu werden. Aus dem Urteil folge aber nicht, dass der Gesetzgeber die Suizidhilfe nicht regulieren dürfe, so die Richter in Karlsruhe. Er müsse dabei aber sicherstellen, dass dem Recht des Einzelnen, sein Leben selbstbestimmt zu beenden, "hinreichend Raum zur Entfaltung und Umsetzung" verbleibe. Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts sollte der Bonner Kriminologe Prof. Torsten Verrel im Hospiz im Ahrtal am Mittwoch, 4. März, einen Vortrag mit dem Titel "Beim Sterben helfen. Rechtliches rund um die Sterbehilfe" halten. Der Hospiz-Verein hat den Vortrag "aufgrund der bestehenden Infektionsgefahr" kurzfristig abgesagt. Verrel ist unter anderem Mitglied der Ethikkommissionen der Medizinischen Fakultät und des Instituts für Psychologie der Universität Bonn sowie Vorsitzender der Ständigen Kommission Organtransplantation bei der Bundesärztekammer. Der Jurist hat die Abschaffung des § 217 StGB befürwortet. Zudem hält er eine Regelung des Verfahrens für nötig, in dem über die Freigabe von bislang unter das Betäubungsmittelgesetz fallenden Suizidmitteln entschieden wird. Verrel erklärt, dass es per Gesetz einen Unterschied gibt zwischen Suizid und einer "Tötung auf Verlangen". "Bei dem Suizid wird die unmittelbar todbringende Handlung vom Suizidenten selbst vorgenommen", sagt er. Eine andere Person leistet in diesem Fall höchstens eine Hilfestellung, indem sie zum Beispiel Suizidmittel beschafft. Eine "Tötung auf Verlangen" ist dagegen die Tötung des Sterbewilligen durch die Hand einer anderen Person. Es handele sich also um eine Fremdtötung, selbst wenn sie auf Wunsch des Getöteten geschieht. Und die steht nach § 216 StGB unter Strafe. "Um bei dem vorherigen Beispiel zu bleiben: Wer Suizidmittel nicht lediglich verschafft, sondern sie dem Sterbewilligen auf dessen Wunsch verabreicht, begeht eine Tötung auf Verlangen", so Verrel. Die ehrenamtlichen Begleiter des Hospiz-Vereins Rhein-Ahr kümmern sich um Menschen, bei denen eine lebensverkürzende Krankheit diagnostiziert wurde. Gedanken an einen Suizid gibt es immer wieder einmal. "Der Suizid ist aber höchstens im Aufnahmegespräch ein Thema", betont die Vereinsvorsitzende Ulrike Dobrowolny. Die Streichung des § 217 StGB wird die Arbeit des Vereins nicht verändern. "Bei uns geht es um die Begleitung des Lebens, nicht des Sterbens", sagt Dobrowolny: "Wir werden als soziale Menschen geboren. Wir haben im Prinzip einen unbändigen Lebenswillen." Es gelte, den Menschen eine gute Pflege und Begleiter, die ihnen in ihren Ängsten beistehen, zuteil werden zu lassen. Normen wie der § 217 dienten dem Wunsch nach Autonomie, dem Wunsch, alles unter Kontrolle zu haben. Viele glaubten, für die Gesellschaft nichts mehr nütze zu sein. Doch im Hospiz mit seinen vielen lebensbejahenden Angeboten blühten die Menschen oft auf. "Zuletzt sagte eine Frau, dass sie noch nie einen so schönen Karneval erlebt habe. Ein anderer Mann hat vier Tage lang Karnevalslieder gehört", beschreibt Dobrowolny die Wirkung der hauseigenen Karnevalsveranstaltung des Hospizes im Ahrtal. "Wir sind alle Wesen in einem sozialen Gefüge. Die Hospiz-Bewegung hat das gesamte soziale gefüge im Auge", erklärt sie. Dazu zählten auch Familie und Freunde der Menschen, die von den Ehrenamtler begleitet werden. "Eine Selbsttötung hinterlässt meist Schuldgefühle bei den Anghörigen, dass die Familie nicht gereicht habe", sagt Dobrowolny. Viel wichtiger sei es, die Angehörigen zu bestärken und ihnen eine Kompetenz zu geben. "Denn das meiste machen sie richtig." Eine Hilfe zum Suizid werde es durch die Hospiz-Begleiter auch in Zukunft nicht geben. "In Deutschland sind wir noch traumatisiert durch die vielen Toten des Zweiten Weltkriegs. Wir müssen wieder dahin kommen, den Tod als Teil des Lebens zu sehen", glaubt Ulrike Dobrowolny. Eigentlich sollte Kriminologe Prof. Torsten Verrel im Hospiz im Ahrtal in Bad Neuenahr, am Mittwoch, 4. März, um 18 Uhr einen Vortrag mit dem Titel "Beim Sterben helfen. Rechtliches rund um die Sterbehilfe" halten. Der Hospiz-Verein hat jedoch mitgeteilt, dass die Veranstaltung "aufgrund der bestehenden Infektionsgefahr" abgesagt wird und zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden wird.




